Die bunte Mischung macht’s
München - Klaus Schiller, 71, blickt auf ein ereignisreiches Leben zurück und wirkt dennoch so agil, man könnte meinen, er sei Anfang 50. Auch wenn das Alter Einschränkungen mit sich bringt, fühlt er sich jünger, als so mancher Altersgenosse.
Nachdem der gelernte Drucktechniker nach Wehrdienst, diversen beruflichen Stationen und schließlich 29 Jahren bei der Abendzeitung in Rente ging und seinen Lebensabend genießen wollte, bemerkte er, dass ihm etwas fehlte. „Das konnte noch nicht alles gewesen sein. Ich wollte etwas Sinnvolles tun. Etwas, das mich menschlich erfüllt.“, erzählt Klaus Schiller und erinnert sich, wie er vor gut zehn Jahren über die Münchner Freiwilligen-Agentur „Tatendrang“ zum Ehrenamt kam. Seitdem ist er für zwei Projekte aktiv und die Kombination dieser Projekte könnte gegensätzlicher nicht sein.
Denn der Rentner beschäftigt sich mit beidem – dem Anfang und dem Ende des Lebens. Klaus Schiller sitzt, mit Enkelkind Leo im Arm, auf der Theresienhöhe im Büro der sozialen Initiative „buntkicktgut“ Die interkulturelle Straßenfußball-Liga für Kinder und Jugendliche hat sich mit ihrer Integrationsarbeit inzwischen weit über die Münchner Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht. Bei „buntkicktgut“ arbeitet Schiller ehrenamtlich als Betreuer und hilft bei der Organisation von Trainingslagern, Turnieren und anderen gemeinsamen Freizeitaktivitäten neben dem Fußball.
Ziel des Projekts ist es, Kinder und Jugendliche deutscher und ausländischer Herkunft über die gemeinsame Liebe zum Fußball zusammenzuführen. Es zählen Werte wie Zusammenhalt, Respekt, Toleranz, Eigenständigkeit und Selbstorganisation.
Die Jungs vor Ort begrüßen ihn mit Handschlag. „Na Klaus, was geht?“, sagt einer. Wie sich der Altersunterschied auswirkt? „Klar, man nimmt da eine gewisse Opa-Rolle ein. Aber das klappt ganz gut. Man muss nur wissen, wie man mit den Kids umgehen muss.“, sagt er geduldig während Enkel Leo die Dehnbarkeit von Opas Ohrläppchen untersucht. Dann erzählt der 71-Jährige von seiner zweiten Tätigkeit. Neben „buntkicktgut“ ist Schiller als Hospizbegleiter in Münchner Sterbekliniken tätig und steht sterbenskranken Menschen und deren Angehörigen auf dem letzten Weg des Abschiednehmens bei.
Zum Gespräch mit der AZ kommt er direkt aus dem Münchner Ostpark, wo er mit einem 11-jährigen Mädchen unterwegs war, das seine schwere Krankheit wohl nicht überleben wird. Die vielen schrecklichen Schicksale treffen ihn. Doch viel mehr würde ihn treffen, wenn diese Menschen keine Hilfe bekämen. „Es bringt ja nichts wenn man nur rumsitzt. Ich will den Menschen etwas von meiner Erfahrung mit auf den Weg zu geben“, erzählt er. „Egal ob jung oder alt, egal ob deutsch oder von anderswo“.
Nachdem Opa sein Ohr aus Leos Fängen befreit hat, fügt er hinzu: „Was man da zurückbekommt, ist unbeschreiblich. Auch wenn man manchmal schlucken muss.“ Wie er das Zusammenleben von Alt und Jung beurteilt? „Viele Gleichaltrige verstehen nicht warum ich mir das antue. Viele haben Vorurteile gegenüber jungen Leuten und vor allem Ausländern“. Schiller, der die gängigen Slang-Wörter seiner Schützlinge bei „buntkicktgut“ ebenso kennt, wie den neuen Haftbefehl-Song, wünscht sich mehr Verständnis, Toleranz und Austausch zwischen den Generationen. Wie lange er den Job noch machen will, weiß er noch nicht. Mit Kindern und Enkelkindern steigt die Verantwortung für die Familie.
Doch nach der Russland-Reise, die der junggebliebene 71-Jährige mit seiner Frau bereits geplant hat, will er vor allem den Jungs und Mädels bei „buntkicktgut“ noch ein paar Jahre ein gutes Vorbild sein. Und vielleicht kann sich der Eine oder Andere etwas von dieser Lebenseinstellung abschauen. Denn „alle Menschen verdienen gleiche Voraussetzungen“, sagt Klaus Schiller, „völlig unabhängig von Alter oder Herkunft.“
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Das ist „Bunt kickt gut“
1997 gegründet, hat sich das Projekt zum Ziel gesetzt, Kindern und Jugendlichen, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft, über den organisierten Straßenfußball eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung abseits von Gewalt und Kriminalität zu bieten. Seit 2005 steht „buntkicktgut“ unter der Schirmherrschaft von Ex-Bayern-Torwart Oliver Kahn, seit 2013 unter der von Jerôme Boateng.
Unter der Leitung von Gründer Rüdiger Heid und Matthias Groeneveld organisiert das Team aus zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitern inzwischen weit über Münchens Stadtgrenzen hinaus Turniere, Trainingslager und andere Freizeitbeschäftigungen und gibt sogar ein eigenes Magazin, den „buntkicker“ heraus. Neben zahlreichen Promis ist auch Ex-OB Christian Ude, der für die „buntkicktgut“-Straßenfußball WM 2006 kurzerhand Marienplatz und Odeonsplatz sperren ließ, ist ein Fan des Projekts und sagt: „buntkicktgut“ setzt sich mit beispielhaftem Erfolg für Toleranz ein“.
Weitere Infos unter:
Internet: www.buntkicktgut.de
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