Die Bavaria sagt: „Derblecken ist Gefühlssache“

Luise Kinseher wird beim Salvator-Anstich als Landesmutter Bavaria den Politikern die Leviten lesen. Die 41-Jährige will kräftig hinlangen, aber trotzdem „eine Mama“ sein.
von  Abendzeitung
Luise Kinseher wird als "Bavaria" den Politikern die Leviten lesen
Luise Kinseher wird als "Bavaria" den Politikern die Leviten lesen © dpa

MÜNCHEN - Luise Kinseher wird beim Salvator-Anstich als Landesmutter Bavaria den Politikern die Leviten lesen. Die 41-Jährige will kräftig hinlangen, aber trotzdem „eine Mama“ sein.

Es ist eine Bavaria: Luise Kinseher wird im Gwand der Landesmutter am 23. März 2011 die Politiker am Nockherberg derblecken. „I gfrei mi drauf“, sagte eine entspannte Kinseher gestern.

Mit Kinseher zieht erstmals eine Frau auf die Kanzel des Bußpredigers. Die langjährige Tradition des Mönchs wird damit abgelöst. Stattdessen erhebt Bavaria ihre Stimme. „Bavaria ist an ihrer Heimatliebe erkrankt und braucht Antidepressiva, wenn sie auf ihr Land schaut“, fasst die Kabarettistin die Figur zusammen. Ihr Humor sei weniger aggressiv – und durch und durch Kinseher. „Ich werde mir selbst treu bleiben.“

Dass sie als Frau eine Revolution am Nockherberg sei, sieht die 41-jährige Niederbayerin nicht. „Ja mei, ich steh’ nicht morgens auf und denk darüber nach, dass ich eine Frau bin. Das ist halt so.“ Sie habe keine Probleme mit einer Männerdomäne wie dem Nockherberg. „Ich fühl mich nicht schwach und die Fußstapfen sind mir auch nicht zu groß“, sagt Kinseher selbstbewusst.

Hat sie Bammel? „Eigentlich ned, nein. Angst wäre auch schlecht.“ Dennoch ist sie sich der Brisanz ihrer Rolle bewusst. „Der Nockherberg hat eine Alleinstellung. Es ist eine schmale Gratwanderung, aber es ist machbar.“ Kabarett sei nicht gleichzusetzen mit dem Derblecken. „Es ist etwas anderes, ob man über jemanden spricht oder zu jemandem, der direkt vor einem sitzt.“

Für eine Generalabrechnung mit der Politik ist der Nockherberg ihrer Meinung nach nicht geeignet. „Es gibt keine Regeln, es ist eine Gefühlssache. Das Derblecken hat was mit Fingerspitzengefühl zu tun.“ Und das hat sie, wie sie sagt, von klein auf im niederbayerischen Geiselhöring gelernt: Als Kind ist sie oft selbst derbleckt worden, erzählt Kinseher, hat gelernt einzustecken – aber auch auszuteilen. Dass man danach sich noch auf Augenhöhe begegnen kann, das sei typisch bayerisch.

Schonen will sie niemanden. Nur müsse man danach alles mit einer Maß runterspülen können. Und sie vertraut auf die Figur der Landesmutter. „Eine Mama schimpft anders, sie ist ehrlich und langt schon ganz schön hin, aber am Ende ist sie eben wieder die Mama.“

Nach einem KZ-Vergleich (siehe rechts) war Michael Lerchenberg als Barnabas zurückgetreten. Kinseher, die heuer schon im Singspiel als Bavaria gelobt wurde, hält aber zu Lerchenberg. „Ich sehe mich solidarisch zu Lerchenberg, aber eben auch zum Nockherberg.“ Gezögert hat sie nach dem Angebot nicht. „Da bin ich intuitiv. Sonst wäre es auch das Falsche für mich gewesen.“

Im Vorfeld waren bereits kritische Stimmen laut geworden, dass Kinseher keine Erfahrung als politische Kabarettistin hätte. Diese Stimmen wischte sie gestern weg. „Auf der Brennsuppn bin i aa ned dahergschwommen“, sagt sie. „Ich weiß, worauf ich mich einlasse.“ Sie habe politische Insider, die sich über Eigenarten und unerfüllte Träume der Politiker informieren würden – wer ihre Co-Autoren sind, wollte Kinseher nicht verraten. Nur so viel: „Der Schwerpunkt der Rede ist Bayern.“

Ein Lieblingskind der Politik habe sie nicht. „Wenn man gut erzogen hat, dann sollte es keine Wertigkeit geben.“ Aber das Verhältnis zu Horst Seehofer ist doch besonders. „Der ist schon fast süß, der Horsti.“

Anders sieht es da mit Guido Westerwelle aus: Der hatte nach dem Eklat mit Lerchenberg, gebeten, nicht mehr eingeladen zu werden. „Diesem Wunsch des Außenministers kommen wir gerne nach“, sagt Paulaner-Chef Andreas Steinfatt. „Wir bleiben über der Gürtellinie, der Nockherberg muss politisch korrekt sein.“ „Schau ma mal“, sagt Kinseher nur und lächelt.

Der Nockherberg hat turbulente Jahre hinter sich: Erst die Zensurvorwürfe vom Singspielteam, dann der KZ-Vergleich. „Es wär mir schon recht, wenn es jetzt ein bissl ruhiger wird“, sagt Steinfatt der AZ. Mit Alfons Biedermann als Singspiel-Autor und Kinseher als Predigerin könnte das gelingen. Kinseher will auf jeden Fall durchhalten: „Ich hab’ vor, das bis zur Rente zu machen.“

Anne Kathrin Koophamel

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