Die Bahn, ein Zug – und ein Eklat
MÜNCHEN - Die Deutsche Bahn torpediert das Deportations-Gedenken am Hauptbahnhof. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden, ist empört: „Das Verhalten der Bahn ist ungeheuerlich“
Der „Zug der Erinnerung“ steht am Hauptbahnhof auf Gleis 35. Er will an die Schicksale der Kinder erinnern, die von den Nazis in Vernichtungslager deportiert wurden. Doch das passt der Bahn offensichtlich nicht. Es kam zum Eklat.
Gestern besuchte Charlotte Konbloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden, die Ausstellung. Sie ist empört: Das Verhalten der Bahn sei „ungeheuerlich. Das Vorgehen erinnert mich an Zeiten, an denen ich mich noch nicht so frei bewegen konnte wie heutzutage.“
Was passiert war? Am Montag hatte OB Christian Ude die Ausstellung eröffnet. Kaum war Ude verschwunden, kam’s zum Eklat: Vier Aufsteller, die für die Ausstellung warben, waren plötzlich verschwunden. Der Verein erstattete Anzeige. Später kam raus: Die Bahn hat die Ständer mitgenommen – aus „Brandschutzgründen“. Gestern brachten Bahnangestellte die Schilder zurück. Aufstellen darf Rüdiger Minow, Vorsitzender des Vereins „Zug der Erinnerung“, sie nicht mehr.
„Der einzige Zweck ist, den Zug und das Gedenken zu verhindern“
Dann beschwerten sich zwei Leute vom Katastrophenschutz, dass aus der alten Lok Öl tropfte: „Da haben sie einfach Sand ins Gestänge geworfen“, erzählt Minow. Drei Stunden musste der Lokleiter putzen, um den Zug wieder fahrtüchtig zu machen. „Der einzige Zweck ist, den Zug und das Gedenken zu verhindern“, mutmaßt Minow.
Später patroullierten Sicherheitskräfte mit Gummiknüppeln vor der Ausstellung. Für Minow „ein martialischer Auftritt“ Er glaubt, den Grund für die Schikanen zu kennen: Die Ausstellung gedenkt nicht nur der ermordeten Kinder. Sie fragt auch nach Tätern. „Die Reichsbahn – Vorläufer der DB – hat Beihilfe zum Massenmord geleistet“, sagt Minow.
150000 Euro hat der Verein bislang an die Bahn gezahlt – für die Nutzung der Schienen und Bahnhöfe. Dass der Zug in München hält, ist der Stadt zu verdanken. Mit 20000 Euro fördert sie das Projekt, 10000 Euro kommen durch Spenden dazu.
„Wir bedauern, dass es Probleme gegeben hat“, so ein Bahnsprecher. Und: „Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, diese Gebühren zu erheben“, 2008 forderte der Bundestag die Bahn auf, sämtliche Gebühren an den Verein zurück zu erstatten. Das ist bislang nicht geschehen. Bis 3. Mai steht der Zug in München. 2010 erreicht er als Endstation Auschwitz.
Christoph Landsgesell