Die AZ hinter den Tollwood-Kulissen: Einblicke, die kaum ein Besucher bekommt

München - Das Tollwood-Festival hat diesen unverwechselbaren Charme der Leichtigkeit. Die vielen bunten Zelte wirken jedes Jahr, als hätte sie jemand einfach mal so über den südlichen Olympiapark gewürfelt. Aber hinter der alternativen Fassade steckt eine ganz detaillierte Planung. Die AZ ist mit Tollwood-Urgestein Biwi Labermeier über das Gelände spaziert und war erstaunt, was sich hinter und unter den Kulissen so alles verbirgt.
Johann Labermeier, den alle nur Biwi nennen, weiß alles übers Tollwood. Er war schon beim allerersten Festival im Jahr 1988 im Team. Heute kann sich keiner der rund 100 Mitarbeiter ein Tollwood ohne Biwi vorstellen.
Er ist der Ansprechpartner für alle Fragen rund um Planung, Technik, Pannen und was sonst noch so anfällt. Und das während des gesamten Festivals 24 Stunden am Tag. Biwi übernachtet sogar in einem Bauwagen auf dem Gelände.
Manche Kunstwerke auf dem Münchner Tollwood müssen bei Sturm abgehängt werden
Jede Idee wird zuallererst an Biwi herangetragen. "Ein 'Geht nicht' gibt's bei Biwi nur äußerst selten", weiß Pressesprecherin Stefanie Kneer. Und das, obwohl den Künstlern und der Umwelt-Abteilung des Festivals jedes Jahr wieder neue Projekte einfallen.
Alle Stände und Zelte auf dem Tollwood aufzustellen, braucht sechs Wochen Zeit
Zum Beispiel der riesengroße Mond des Künstlers Luke Jerram: In diesem Jahr schwebt er ständig über dem Festivalgelände. Ähnlich wie eine Hüpfburg wird er permanent mit Luft befüllt und hängt an einer Art Kran. Zusätzlich ist er mit Seilen so fixiert, dass er auch ein bisserl Wind standhalten kann. Abgehängt werden muss er nur bei starkem Sturm oder Gewitter. Nicht nur deshalb hat keiner die Wettervorhersage so gut im Blick wie Biwi.
Das Müncher Tollwood installiert jedes Mal ein extra Abwassersystem
Für alle Gastrostände, Zelte und Verkaufsstände muss das Tollwood die Infrastruktur bereitstellen. Was für eine Arbeit dahintersteckt, sehen die Besucher nicht. Viele fragen sich auch, warum der Aufbau schon sechs Wochen vor dem Festivalstart beginnt. "Manche meinen, das dürfte doch in ein paar Tagen erledigt sein. Da stellt man ein paar Zelte auf und fertig", erzählt Biwi. Aber so einfach ist es nicht: "Zum Beispiel müssen wir ein Abwassersystem schaffen, das es hier eigentlich nicht gibt", erzählt der technische Leiter. "Das bauen wir jedes Jahr auf und dann wieder ab."
Unter dem Tollwood-Gelände befindet sich ein Regenrückhaltebecken. "Das ist eine Halle, so groß wie sieben Fußballfelder" erzählt Biwi. Wenn es stark regnet, kämpfen die Mitarbeiter mit den Wassermengen.
Auch mit den Behörden, mit Polizei und Feuerwehr ist Biwi permanent im Austausch. Die Vorschriften und Belange haben sich über die Jahre verändert. Biwi muss ein Sicherheitskonzept vorlegen, eine Risikoeinschätzung.
Die Wegführung auf dem Tollwood ist extra so, dass man sich schwer orientieren kann
Die Breite der Wege ist vorgegeben, Fluchtwege müssen geschaffen und die Hygienevorschriften eingehalten werden. Immerhin sind täglich rund 25.000 Besucher auf dem Gelände unterwegs.
Auch die Wegführung ist durchdacht und jedes Jahr ein kleines bisserl anders. Die großen Zelte stehen jedes Jahr am gleichen Punkt, aber zwischendrin wird immer wieder durchgewechselt.
Und für alle, die sich auf dem Tollwood nicht zurechtfinden, eine kleine Beruhigung: Es liegt nicht am mangelhaften Orientierungssinn, sondern ist so gewollt. Biwi will, dass die Menschen sich ein bisserl treiben lassen. "Sie sollen nicht ständig das Gefühl haben, hoppla, hier war ich doch schon fünf Mal." Und stolpern sollen sie auch nicht. Biwi geht immer mit wachsamem Blick übers Gelände und rückt schon mal den einen oder anderen Aufsteller zurecht, den die Standbetreiber zu weit in den Weg gestellt haben.
Am Rande des Tollwood-Festivals gibt es einen eigenen Wertstoffhof für den gesammelten Müll
Am Rand des Tollwoods befindet sich ein eigener Wertstoffhof. Dort bringen alle Standbetreiber ihren Müll sorgfältig getrennt nach Metall, Plastik, Papier und Sondermüll hin. Hier kann man überprüfen, ob das Tollwood auch wirklich biozertifiziert ist: So viele Bio-Tomatendosen auf einem Haufen hat die Reporterin noch nie in ihrem Leben gesehen.
Auch für die Besucher stehen Tonnen zum Mülltrennen bereit. Insgesamt wird aber versucht, die Müllmenge stetig zu reduzieren. Essen und Getränke gibt es nur in Mehrweggeschirr gegen Pfand, Strohhalme und Servietten werden nur auf Nachfrage gereicht. Im nächsten Jahr soll es ebenfalls gegen Pfand nur noch Stoffservietten geben.

Auch die Musik-Arena muss immer mal wieder umgebaut werden
Auch die Musik will geplant sein. Hinter den Konzerten in der großen Arena steckt viel Vorbereitung, die die Besucher gar nicht sehen. Das Tom-Jones-Konzert musste bestuhlt werden, Nico Santos nicht. Dafür hatte der jede Menge Konfetti im Gepäck.
Jede Band bringt unterschiedlich viele Tourbusse und LKW mit, jede hat ihr eigenes Bühnen-Equipment von der Pyroshow bis hin zum Steg. Das klingt alles ziemlich technisch und nach viel harter Arbeit. Aber das merkt man Biwi nicht an.
Er erzählt, was es einst für einen Spaß gemacht hat, das Marrakesch-Zelt einzurichten. "Dafür sind wir extra nach Marokko gefahren, haben uns angeschaut, wie es auf den Souks ausschaut". Ganz viele Dinge von den Lampen über die Vasen bis zu den Vorhängen wurden dort eigens angefertigt.