Die Arena schläft nie

MÜNCHEN - Während Fußball-Europa nach Österreich und in die Schweiz blickt, findet in Münchens Kicker-Tempel der bislang größte Umbau statt. Für eine Investitionssumme von etwa einer halben Million Euro wird rund um die Arena kein Stein mehr auf dem anderen gelassen.
Scheiß BVB! Ashoor würde das nie sagen. Aber denken tut es der Iraker in diesem Moment wahrscheinlich schon. Zum zigsten Mal kratzt der Reinigungsmann mit seinem Schaber über den Aufkleber, den die Fans von Borussia Dortmund nach ihrem letzten Gastspiel in der Allianz Arena auf der Metallstange zurückgelassen haben. Er setzt wieder ab. Streift noch einmal darüber. Hilft mit Wasser nach. Fitzelt die Reste mit dem Handschuh herunter. „Keine leichte Arbeit ist das“, sagt Ashoor. Eben eine, die ihre Zeit dauert.
Mindestens eine Stunde brauchen die fünf Arbeiter bis ein Block gesäubert ist. 120 Blöcke sind es insgesamt. Ganz Fußball-Europa blickt in nächster Zeit zur Europameisterschaft nach Österreich und in die Schweiz. Und nach München in die Allianz Arena? Schauen 12 000 pro Woche.
Ein Abstecher dorthin lohnt sich
Abseits des ganz großen Trubels findet in Fröttmaning gerade der größte Umbau statt seit das Stadion vor drei Jahren eröffnet wurde. Für eine Investitionssumme von etwa einer halben Million Euro wird rund um die Arena kein Stein mehr auf dem anderen gelassen. Das Münchner Ufo bekommt eine neue Landeplattform. „Der Mensch sucht sich immer den kürzesten Weg“, sagt Jürgen Muth und zeigt auf ein letztes Büschel Gras, das vor seinen Füßen wächst. Der Geschäftsführer der Allianz Arena steht auf der Esplanade, dem Hauptzugangsweg zur Allianz Arena – oder das, was früher mal so hieß. „Bis zum Saisonbeginn ist das unsere größte Baustelle.“
40 Prozent des Fußwegs zwischen Bahnhof und Stadion waren zur Eröffnung einst mit einer Heidelandschaft bedeckt. „Da aber die Fans nicht nur auf den Wegen geblieben sind, sind die Beschädigungen beträchtlich“, sagt Muth. Der neue Plan des Arena-Chefs: Ab der kommenden Saison werden die Fußball- Anhänger trichterförmig auf das Stadion zulaufen. Je näher sie der Arena kommen, desto enger werden dieWege. Außerdem wird die Esplanade für einen festen Biergarten mit rund 400 Sitzplätzen hergerichtet, der bei Bayern-Spielen auch weiterhin von der Paulaner-Brauerei betrieben wird.
Bereits am 19. Mai, zwei Tage nach dem letzten Bundesligaspiel, rollten die ersten Bagger an. Die Zeit wird für die fleißigen Arbeiter trotzdem knapp. Mindestens sechs, besser acht Wochen muss die Bepflanzung anwachsen, damit sie von den Fans nicht gleich wieder zertreten wird: „Wir müssen uns ganz schön beeilen“, mahnt der Geschäftsführer. Es ist schon kurios: Da macht die Bundesliga Pause, doch vor und in der Arena ist das Gewusel groß wie eh und je. Bauarbeiter schaffen Kies heran. Kletterkünstler säubern die Außenhülle. Putzdienste schwirren durch Logen und Umkleidekabinen.
Und dann sind da natürlich noch die vielen Besucher
Jede Woche strömen zurzeit rund 12 000 Menschen ins Stadion – Zahlen, von denen so mancher Zweitliga-Verein selbst an Spieltagen zumeist nur träumen kann. Was sie hier machen? Trikots kaufen, Konferenzen und Meetings abhalten, Pasta im Restaurant „Arena a la Carte“ essen oder an den Lippen von Bernd Wagner hängen. Auch heute lotst der Stadionführer wieder eine Reisegruppe durch die Arena: „Was, ihr seid Schalke-Fans? Dann müsst Ihr das Stadion leider sofort wieder verlassen“, feixt er zu seinen Zuhörern, die aus Thüringen nach München gekommen sind, und später nach Österreich weiterreisen wollen. „Man wird ja noch scherzen dürfen.“
Ein paar Meter weiter unten merkt man vom lauten Gelächter der Reisegruppe wenig. Zehn Schiebekarren Substrat haben die drei fleißigen Rasenpfleger, die dort werkeln, bereits am Morgen auf die Außenbahn – den Arbeitsplatz von Philipp Lahm und Basti Schweinsteiger – aufgetragen: „Vier bis fünf müssen noch hingeschüttet werden, damit alle Löcher gestopft sind“, erzählt einer der Greenkeeper. Reine Routinearbeit. Etwas mehr Eile ist im Ehrengast- Bereich des Stadions geboten. Dort, wo sonst Edmund Stoiber und Franz Beckenbauer Platz nehmen, ist während der spielfreien Zeit Großreinemachen angesagt. Reihe für Reihe werden derzeit die Bezüge der Business- Sitze abgezogen. „Zwölf schaffen unsere Waschmaschinen pro Stunde“, berichtet Muth. Insgesamt werden 3500 Bezüge gereinigt.
Und wenn endlich alles fertig ist? Dann würde sich der Geschäftsführer gerne mal am Abend auf die Tribüne setzen und dort einen Schoppen guten Rotwein trinken: „Wenn die Allianz Arena bei Sonnenuntergang leer ist, dann habe ich sie nämlich am liebsten“, sagt Jürgen Muth. „Diese Ruhe hat man in München sonst nirgendwo.“
Daniel Aschoff