Die Angst vor Terror wächst: Die Wiesn wird zur Festung
MÜNCHEN - Das Oktoberfest steht unter Polizeischutz. Die Straßen zur Theresienwiese sind abgeriegelt. Wiesnbesucher werden kontrolliert, Autos überprüft. Trotzdem bestehe „kein Grund zur Panik“, versuchen Innenminister Joachim Herrmann und OB Christian Ude zu beruhigen.
Nach den jüngsten Drohungen des Terror-Netzwerks El Kaida sind die Sicherheitsmaßnahmen in München und besonders rund um die Wiesn massiv verschärft worden. Erstmals in der knapp 200-jährigen Geschichte des Volksfestes wurde ein mehrfach gesicherter Sperrgürtel errichtet, in dem schwer bewaffnete Polizisten patrouillieren. Zwei Terrorverdächtige, die in München leben, wurden am Sonntag verhaftet.
Die beiden Videos von El Kaida haben die Sicherheitsbehörden alarmiert: In einem warnt ein Islamist namens „Ajjub“ vor einem Angriff auf Deutschland. Auf dem zweiten spricht der Islamist Bekky Harrach von einem „bösen Erwachen“. Harrach droht mit Anschlägen in den zwei Wochen nach der Bundestagswahl. In einem Satz erwähnt er das Oktoberfest. In dem Video sind zudem Fotos von der Wiesn zu sehen.
Zwei von Harrachs Kontaktleuten leben in München: Hatem M. soll in einer Moschee eine Gruppe junger Islamisten anführen. 2003 traf er sich nach Informationen der Sicherheitsbehörden mit Harrach, der damals noch in Deutschland lebte.
Marouane S. (26) soll ebenfalls in der fraglichen Moschee verkehrt haben. Der Marrokaner habe, so glauben die Ermittler, über seinen Bruder Kontakt zu Harrach gehabt. Der 26-Jährige soll außerdem mit Adem Yilmaz, einem der Angeklagten der Sauerland-Gruppe, in Verbindung gestanden haben. Die Gruppe soll Anschläge auf US-Einrichtungen geplant haben und steht deshalb vor Gericht.
Hatem M. und Marouane S. wurden in den vergangenen Wochen beschattet. Beide verhielten sich nach Polizeiangaben konspirativ, versuchten, ihre Verfolger abzuschütteln. „Den Männern werden keine Straftaten vorgeworfen“, betont Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. Die Ermittler fürchten aber, dass sie, angestachelt von den jüngsten Drohbotschaften, einen Anschlag verüben könnten. Die Sicherheitsbehörden entschieden deshalb, Hatem M. und Marouane S. präventiv festzusetzen. In beiden Fällen stimmten Ermittlungsrichter zu. Die Verdächtigen bleiben bis zum 5. Oktober in Haft. Grundlage ist das Polizeiaufgabengesetz. Es sieht eine vorbeugende Haft von bis zu zwei Wochen vor.
Die Münchner Anwältin Ricarda Lang, die Marouane S. vertritt, hat Anzeige wegen Freiheitsberaubung erstattet. Für sie ist die Ingewahrsamnahme ein Skandal: „Aus Angst werden sämtliche rechtsstaatliche Kriterien über Bord geworfen.“ In der Wohnung ihres Mandanten sei nichts Belastendes gefunden worden. Marouane S. hätte gestern an der TU München seine zweite Diplomprüfung als Informatiker ablegen sollen, stattdessen sitzt er in einer Gefängniszelle.
Aus Angst vor einem Terrorschlag wurde die Wiesn in eine Hochsicherheitszone verwandelt. Es wurden drei Sperrgürtel eingerichtet, in denen scharf kontrolliert wird. Polizeilaster blockieren sämtliche Zufahrtstraßen. Sogar Panzerwagen stehen bereit.
Rund um die Theresienwiese gilt seit Sonntagnacht ein striktes Halteverbot. Alle Taxistände wurden aufgelöst. Polizisten bewachen sämtliche Zugänge zur Festwiese. Die Zahl der Beamte wurde von 400 auf 700 erhöht.
In allen U- und S-Bahnen sowie in den Bahnhöfen der Stadt kontrollieren verstärkt Sicherheitsbeamte. Vor allem am Hauptbahnhof und am Flughafen wurde das Sicherheitspersonal verstärkt. Potenzielle Anschlagsziele werden rund um die Uhr bewacht: wie das Innenministerium, vor dem nun ebenfalls ein Halteverbot gilt. „Es gibt keinen Grund zur Panik“, beruhigt Innenminister Joachim Herrmann. Auch OB Christian Ude versicherte auf einer am Montagmorgen eilig einberufenen Pressekonferenz im Polizeipräsidium, dass es keine konkrete Hinweise auf einen Anschlag gibt. Am Morgen hatte ihn seine jüngste Tochter angerufen und sich besorgt erkundigt, ob sie ihr Kind zum Klassenausflug mit auf die Wiesn schicken könne.
Ralph Hub
Für besorgte Festbesucher richtete das Polizeipräsidium München in der Zwischenzeit ein Bürgertelefon für alle Anfragen rund um die verschärften Sicherheitskontrollen ein. Anrufer können sich rund um die Uhr unter der Nummer 089-29101910 mit ihren Fragen an die Polizei wenden.