Die Angst vor der Todes-Grippe
MEXIKO-STADT, MÜNCHEN - Die Schweinegrippe-Epidemie hat in Mexiko schon mehr als 85 Menschen getötet und das öffentliche Leben nahezu lahmgelegt. Auch in den USA gibt es erste Fälle, das Land hat den Alarmzustand ausgerufen. In Europa gibt es erste Verdachtsfälle. Alarmplan am Münchner Flughafen.
"Wir haben keine Masken mehr“ steht in großen Buchstaben auf dem Schaufenster der Apotheke in Mexiko-Stadt. Rund 150 Schutzmasken hatte das kleine Geschäft vorrätig. Sie sind alle weg. Wer in der 20-Millionen- Metropole unterwegs ist, versucht sich zu schützen. Gegen die neue, aggressive Form der Schweinegrippe, die auch Menschen befällt. Mehr als 85 Tote hat das mutierte Virus in Mexiko bereits gefordert. Mehr als 1300 Menschen sind infiziert. Die tödliche Grippewelle lähmt das ganze Land.
Fußballspiele sind abgesagt, Schulen, Museen und Bibliotheken geschlossen. Die Regierung warnte die Bürger: Sie sollten am Wochenende zu Hause bleiben, keine Hände schütteln und sich nicht zur Begrüßung auf dieWange küssen. Staatspräsident Felipe Calderon leitete drastische Maßnahmen gegen die rasante Verbreitung des Virus ein: Soldaten suchten auf Bahnhöfen nach Infizierten. Die Gesundheitsbehörden wurden per Erlass ermächtigt, Grippekranke zu isolieren. Ihre Wohnungen werden inspiziert.
Gesundheits- Alarmzustand in den USA
Die Angst, dass sich weitere Menschen mit der tödlichen Krankheit anstecken könnten, ist riesig. Und sie breitet sich so schnell aus wie das Virus selbst: Der Erreger ist schon auf andere Länder übergesprungen. Die USA bestätigten insgesamt 20 Erkrankungsfälle, darunter acht Schüler in New York. Es wurde der Gesundheits- Alarmzustand ausgerufen. Dazu gehört auch die Gesundheitskontrolle aller derer, die aus Ländern mit bestätigten Fällen von Schweinepest einreisen. Verdachtsfälle gibt es in Kanada, Neuseeland und Israel.
Ein Grippe-Verdacht bei einem Flugbegleiter von British Airways bestätigte sich nicht. In Spanien und Frankreich gibt es jedoch sieben Verdachtsfälle. In Deutschland reagierten die Gesundheitsbehörden zurückhaltend. „Man kann schlicht noch nicht sagen, ob es begrenzt bleibt oder sich ausbreitet“, sagte eine Sprecherin des Berliner Robert- Koch-Instituts. Da sich der Virus aber offenbar von Mensch zu Mensch übertrage, liege es im Bereich des Möglichen, dass die Krankheit auch nach Deutschland eingeschleppt werde.
Die deutschen Flughäfen bereiten sich auf Verdachtsfälle vor – auch der Münchner Airport. Die dortigen Behörden seien „sensibilisiert und vorbereitet", sagt Sprecher Florian Steuer der AZ. Der Flughafen habe mit den Gesundheitsbehörden einen Plan erstellt, sollte ein infizierter Fluggast in München landen. Entdeckt die Bordbesatzung einen Passagier mit Grippe-Symptomen, meldet sie das dem Flughafen. „Das geschieht jetzt schon bei allen medizinischen Problemen", sagt Steuer. Der Medizinische Dienst holt den Fluggast am Terminal ab und bringt ihn direkt ins Krankenhaus. Da der neuartige Erreger von Mensch zu Mensch überspringen kann, wären in einem solchen Fall andere Passagiere gefährdet. Sie würden „auf jeden Fall aufgeklärt", sagt Steuer – und zwar schon bei der Ankunft. Das nächste Flugzeug aus Mexiko landet am Mittwoch in München.
"Potenzial für eine Pandemie“
Das Auswärtige Amt gab zunächst keine Reisewarnung für Mexiko aus. Die Grippe berge das „Potenzial für eine Pandemie“, heißt es bei derWeltgesundheitsorganisation WHO. Pandemie, das heißt: weltweite Ausbreitung. Die Behörde rief einen „Notfall von internationalen Ausmaß aus“. Sie beschloss aber keine weiteren Maßnahmen. Nach einer Sondersitzung empfahl sie: Alle Staaten sollten ungewöhnliche Grippefälle und schwere Lungenentzündungen untersuchen.
Was der WHO vor allem Sorge bereitet: Der Erreger treffe besonders stark „junge, gesunde Erwachsene“ – also nicht wie bei anderen Epidemien vor allem Kleinkinder und ältere Menschen. „Wir sind sehr, sehr besorgt“, sagte ein WHO-Sprecher. Man habe es mit einem neuen Virus zu tun: „Und er verbreitet sich von Mensch zu Mensch.“
Keine Gottesdienste im katholischen Mexiko
Das macht selbst der katholischen Kirche in Mexiko Angst. Die Kirchenleitung empfahl ihren Priestern, die Messen ausfallen zu lassen oder zu verkürzen. Die Hostie werde den Gläubigen nur in die Hand gegeben, nicht auf die Zunge gelegt. Die Erzdiözese Mexiko-Stadt riet sogar vom Kirchenbesuch ab: Man könne der Gottesdienst- Pflicht nachkommen, wenn man die Messe im Radio höre.
Andreas Jalsovec, Thomas Gautier