Die älteste Metzgerei der Stadt

Familie Pichler führt die älteste Metzgerei der Stadt – die Frage ist nur: Wie lange noch?
München - Hier riecht es scharf nach Geräuchertem und Würstl, meterlange Ketten Kaminwurzn hängen wie Girlanden an der Wand hinter dem Verkauftresen. Fleisch liegt in der Luft – buchstäblich. Seit 130 Jahren.
So lange gibt es sie schon, die Metzgerei Wittmann in Haidhausen. Damit ist sie Münchens älteste Metzgerei. Seit über 20 Jahren führt Gabi Pichler den Betrieb mit ihrem Mann Franz – in mittlerweile vierter Generation. 1981, zum 100-jährigen Jubiläum, übergab Pichlers Vater, Josef Wittmann jun., das Geschäft. Seitdem steht Gabi Pichler da, fast täglich, von früh bis spät, und führt eine Tradition fort.
Es ist eine harte Arbeit – und vielleicht auch ein Grund, warum diese Tradition wohl bald zu Ende geht.
1881 kaufte Pichlers Urgroßvater Karl Wittmann das 1863 gegründete Geschäft von seinem Onkel – da war Otto von Bismarck noch Reichskanzler, Bayern ein Königreich, Tram und Telefon noch eine Sensation. Weil 1889 die Straßen verlegt wurden, riss die Stadt das Haus an der Ecke Innere Wiener/Kirchenstraße ab. Die Wittmanns zogen in die „Scharnaglhäuser“ in der Innere Wiener Straße 54. Dort ist ihr Geschäft bis heute.
Innen aber hat sich viel verändert. Ganze Ordner voll mit Kühl- und Hygieneprotokollen hat Gabi Pichler im Laden. An der Wand hängen, für jeden Kunden sichtbar, Herkunftsnachweise der Rinder, die hier als Steaks, Schulterstücke, Filets oder Tafelspitz in der Auslage liegen. Vorschriften der modernen Zeit.
Die Tradition zeigt sich, wenn Gabi Pichler mit ihren Kunden spricht. „Das Besondere bei uns ist das Eigene, das Hausgemachte“, sagt sie. Kunden schätzen, dass sie hier Rezepttipps bekommen. „Trotzdem muss man den Leuten immer etwas Neues bieten“, sagt Pichler. Ein Imbiss gehöre dazu. Und weil viele nicht mehr soviel Zeit zum Kochen haben, verkauft sie vieles küchenfertig – etwa Rouladen oder Suppeneinlagen.
Gabi Pichler führt den Laden mit sechs Mitarbeiterinnen. Sie arbeiten schon an die 20 Jahre hier, die Atmosphäre ist familiär. Franz Pichler, der Metzgermeister, werkelt mit zwei Mitarbeitern in der Wurstküche, die wenige Meter entfernt in der Preysingstraße liegt. Einige Rezepte stammen vom Urgroßvater, einige hat Pichler aus seiner Heimat Kärnten mitgebracht.
Fast jeden Morgen fährt Franz in aller Herrgottsfrüh zum Schlachthof. Mal kauft er Rind ein, mal Schwein, mal Lamm – aber immer nur beim Fleischhändler seines Vertrauens. Deshalb kenne er auch die Bauern, deren Fleisch er bezieht. Die kommen allesamt aus Niederbayern und dem Raum Traunstein.
Auch Gabi Pichlers Arbeitstag ist lang. Von 6.30 Uhr bis 19.30 Uhr steht sie im Laden, manchmal länger. Wenn die Metzgerei schließt, räumt sie noch auf und reinigt den Laden penibel. Schon als Kind half sie nach der Schule ihrer Mutter und Großmutter, richtete etwa die Packerl für Bestellungen her. Deshalb war Gabi Pichler immer klar, dass sie den elterlichen Betrieb irgendwann übernehmen würde. „Eine große Wahl hatte ich aber auch nicht“, sagt sie. Als Jugendliche machte sie eine Ausbildung zur Fleischfachverkäuferin und später heiratete sie einen Metzgermeister – das aber sei ein glücklicher Zufall gewesen, sagt sie. Franz Pichler hatte in Kärnten zwar schon feste Pläne. „Aber wegen mir ist er dann hier geblieben, sagt sie und lächelt.
Treu sind auch viele Kunden der Metzgerei Wittmann. „Viele kommen seit Generationen. Von manchen haben schon die Großeltern hier eingekauft“, sagt Gabi Pichler Nur in Zeiten von Fleischkrisen, wie bei BSE, sei es sehr hart. „Damals haben wir fast draufzahlen müssen.“
Bis zum Jahr 2005 hatten die Pichlers auch einen Stand auf dem Viktualienmarkt. Das altbekannte Bratwurstglöckerl hatte Pichlers Vater, Josef Wittmann junior, 1978 übernommen. Die Familie gab das Standl aber nach fast 30 Jahren schweren Herzens auf, um sich auf das Geschäft in Haidhausen zu konzentrieren. Die Kunden sind ihnen gefolgt.
„So lang wir noch rüstig und gesund sind, machen wir den Laden weiter“ sagen die Pichlers. Vielleicht sind sie die letzten der Familie. Die Töchter wollen das Geschäft nicht übernehmen. Eine ist Lehrerin, die andere studiert Volkswirtschaftslehre. Für Gabi Pichler ist das in Ordnung. Alles hat mal ein Ende. Auch die Wurst.