Dicke Patienten wie Vieh transportiert
MÜNCHEN - Weil sich Bürokraten seit Monaten über Geld für ein neues Krankentransport- system streiten, müssen adipöse Patienten im Lastwagen in die Klinik gebracht werden. Ein Spezialcontainer der Feuerwehr darf aus Sicherheitsgründen nicht mehr benützt werden.
Eine rund 300 Pfund schwere Patientin wird von Feuerwehrleuten und Sanitätern von einem Lkw gewuchtet. Die Münchnerin ist gerade erst aus einer Klinik entlassen worden – in einem planenbespannten Laster wurde sie nachhause gebracht, weil kein anderes Transportmittel zur Verfügung steht. Ein Spezialcontainer, den die Berufsfeuerwehr bisher verwendet hat, ist so marode, dass er aus Sicherheitsgründen nicht mehr eingesetzt werden darf. Innenministerium und Krankenkassen streiten seit Monaten über die Finanzierung eines neuen Systems.
SPD-Politiker Ludwig Wörner ist entsetzt
„Patienten werden wie Vieh auf einem Lastwagen mit Plane transportiert, das ist menschenunwürdig“, sagt Ludwig Wörner, Landtagsabgeordneter der SPD. Wörner wurde zufällig Zeuge des Krankentransports in der Gollier-straße. „Selbst Tiere darf man bei uns nicht so behandeln“, empört sich der SPD-Politiker.
Immer mehr extrem übergewichtige Patienten
Früher hatte die Feuerwehr einen Spezialcontainer. 180 Mal war er 2006 im Einsatz, letztes Jahr waren es 200 Einsätze, Tendenz steigend. „Er wurde aus ganz Bayern und sogar aus Baden-Württemberg angefordert“, betont Karl Pieterek, Sprecher der Berufsfeuerwehr.
TÜV zog Container aus dem Verkehr
Nach über 25 Jahren war der Container verrostet und der TÜV spielte nicht mehr mit: Im Mai wurde er ausrangiert. Ersatz gab’s keinen, obwohl die Feuerwehr bereits 2007 auf die dringend notwendige Neuanschaffung hingewiesen hatte. Da der Transport von Patienten aber nicht zu den primären Aufgaben der Feuerwehr zählt, blieb das Projekt im Dschungel der Bürokratie hängen. Krankenkassen, Rettungszweckverband und Innenministerium stritten sich monatelang über die Kosten. „Ein unhaltbarer Zustand, dass auf dem Rücken von Patienten Verhandlungen ohne Ergebnis geführt werden“, schrieb Ludwig Wörner in einem Brandbrief an Innenminister Joachim Herrmann.
Die Feuerwehr nutzt inzwischen ihren notdürftig umgerüsteten LKW. „Wir sind über diese Provisorium nicht glücklich“, betont Pieterek.
Neues Transportsystem erst in sechs Monaten bereit
Die Verhandlungen stünden jetzt vor einer Einigung, heißt es. Das neue System kostet rund 180000 Euro. Sobald ein Vertrag vorliegt, muss das Projekt ausgeschrieben werden, Firmen können dann ein Angebot abgeben, erst danach darf der Auftrag vergeben werden. Das neue Transportsystem dürfte deshalb frühestens in einem halben Jahr zur Verfügung stehen. Und solange bleibt der Pritschenwagen noch im Einsatz.
Ralph Hub
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