"Deutschlands größte Anlage": Was die CSU am Flughafen München jetzt statt der Dritten Startbahn will

München/Erding/Freising - Nicht kleckern, sondern klotzen: Der Freisinger CSU-Politiker und Leiter der Staatskanzlei, Florian Herrmann, hat große Pläne. Nach jahrelangem, fast jahrzehntelangem Ringen um die Dritte Startbahn am Flughafen München, bringt er eine Photovoltaik-Anlage ins Spiel. Und was für eine: "Deutschlands größte Anlage – mit 380.000 Solarmodulen auf einer Fläche von rund 220 Hektar".
Mit dem Strom könnte man 50 Prozent des Energiebedarfs am Flughafen München decken oder aber 85.000 Haushalte mit Strom versorgen, heißt es auf Herrmanns Internetseite. Dumm nur, dass die Freien Wähler Herrmann vorwerfen, er hätte ihre Idee geklaut. Am 21. März 2022 hatten die Freien Wähler nämlich im Freisinger Kreistag bereits einen Antrag auf einen Solarpark gestellt. "Mit den Stimmen der CSU, der Grünen und der SPD ist dieser Antrag abgeschmettert worden", sagt Rainer Schneider, FW-Fraktionschef im Kreistag, der AZ.
Ausgerechnet vor der Landtagswahl: Auf einmal will die CSU einen Solarpark auf dem Flughafen München
Schon etwas seltsam, dass wenige Tage vor der Landtagswahl Herrmann nun mit dem Vorschlag eines Solarparks um die Ecke kommt, findet Schneider. Hintergedanke der Freien Wähler 2022 sei gewesen, dass das Landesentwicklungsprogramm (LEP) geändert werden soll. Denn dort sei die Dritte Start- und Landebahn festgeschrieben.
Sollte man dies ändern wollen, brauche es eine komplette Änderung des Landesentwicklungsprogramms. "Das wollte die CSU bisher nicht. Also bis vor acht Tagen", sagt Schneider süffisant. Auch Herrmann ist im Kreistag, laut Schneider sei er aber wegen seiner Ministertätigkeit nur selten anwesend.
Freie-Wähler-Fraktionschef Rainer Schneider rechnet so bald nicht mit der Dritten Startbahn
Schneider vermutet, dass auch in der CSU die Unterstützung für das Projekt bröckelt. Zumal es sich faktisch überholt habe: "Man braucht sich ja bloß mal die Flugbewegungen ansehen." Zudem sei das Projekt nicht binnen zehn Jahren umgesetzt worden. "Damit ist auch die Plangenehmigung mehr oder weniger hinfällig." Es bräuchte dadurch auch komplett neue Gutachten.
Er rechnet nicht damit, dass die dritte Bahn innerhalb der kommenden 20 Jahren komme. "Außer es ändert sich etwas Bahnbrechendes im Flugverkehr", sagt Schneider. Auch wenn sich die Freien Wähler "ein bissl geärgert" hätten, würden sie dem Antrag für einen Solarpark um des Projekts willens zustimmen.
Markus Söder verkündete, dass es in seiner Amtszeit keine Dritte Startbahn geben wird
Nachgefragt bei Florian Herrmann. Ist die Idee geklaut? "Mir geht es nicht darum, irgendeine Idee abstrakt in den Raum zu werfen, sondern einen fundierten, technisch realistischen Vorschlag zu unterbreiten", sagt der Freisinger der AZ. Er habe die Idee von Experten konkret prüfen lassen. Im Übrigen sagt Herrmann, er sei schon seit dem Beginn der Planungen gegen das Projekt gewesen und habe entsprechend abgestimmt.
Hat die CSU also ihr Prestige-Projekt endgültig abgeschrieben? Offenbar schon. "Wir brauchen eine sinnvolle Nutzung der Fläche am Flughafen München, auf der es keine Dritte Startbahn geben wird", heißt es bei Herrmann weiter. Das ohnehin umstrittene Projekt in Zeiten des Klimawandels beerdigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) höchstpersönlich in der Pandemie. 2020 verkündete Söder: "In meiner Amtszeit wird die Dritte Startbahn nicht mehr kommen."
Der Flughafen München möchte sich zu einem möglichen Solarpark nicht äußern
Schon 2018 hatte Söder Zugeständnisse machen müssen. Die Freien Wähler gingen die Koalition mit der CSU nur ein unter der Bedingung, dass das Projekt für fünf Jahre auf Eis gelegt wird. Dabei soll es bleiben: In der "Augsburger Allgemeinen" hatte Parteichef Hubert Aiwanger im Sommer die Beerdigung der Pläne als Bedingung für eine Koalition bestätigt.
Zu den Solarpark-Plänen möchte sich der Flughafen München nicht äußern, ebenso nicht zur Debatte um die Dritte Start- und Landebahn. "Generell sind wir an das Moratorium gebunden", so ein Sprecher. Verständlich, dass sich die Flughafengesellschaft zurückhält – schließlich ist der Freistaat größter Gesellschafter neben dem Bund und der Landeshauptstadt.
Solarpark auf dem Flughafen München? Kritiker sprechen von einer "reinen Nebelkerze"
Die Zahlen sprechen indes nicht für den Bahnen-Ausbau: Zwar steigen die Passagierzahlen am Münchner Flughafen, sind aber noch weit vom Vor-Corona-Niveau entfernt. Im ersten Halbjahr zählte der Betreiber 16,6 Millionen Fluggäste und somit 28 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019, also vor der Pandemie, sind das jedoch immer noch 6,1 Millionen Fluggäste weniger. Auch die Luftfracht bleibt unter dem Vor-Corona-Niveau.
Für Herrmann hat sich die Dritte Startbahn "faktisch endgültig erledigt". Etwas anders sieht das Johannes Becher, Landtagsabgeordneter der Grünen. "Man muss sich nur die Fakten anschauen: Bis heute gibt es Baurecht!" So gebe es immer ein "Hintertürl". Möglich, dass Herrmann anders als seine Partei entscheide.
Nur: "Das Problem ist doch die CSU!" Becher plädiert dafür, dass das Projekt aus dem LEP gestrichen wird. "Ansonsten ist das nicht sehr glaubwürdig – acht Tage vor der Wahl ein durchschaubares Manöver", findet er. Auch der Bund Naturschutz spricht von "einer reinen Nebelkerze". Herrmanns Einzug in den Landtag sei nicht gesichert, so gehe es um Stimmen auf den letzten Metern vor der Wahl.