Interview

Dessous-Verkäuferin auf Auer Dult verrät: "Die meisten haben die verkehrte Größe an"

Elfriede Jelinek feiert ihr 50-jähriges Jubiläum auf der Auer Dult. Ein Gespräch über den perfekten BH, traurige Männer und Formwäsche in Größe XS
Ruth Frömmer
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Elfriede Jelinek freut sich auf jede einzelne Dult. Im Frühjahr und Sommer läuft das Geschäft zwar etwas besser. Aber auch im Herbst kommen viele Stammkundinnen an ihren Stand.
Elfriede Jelinek freut sich auf jede einzelne Dult. Im Frühjahr und Sommer läuft das Geschäft zwar etwas besser. Aber auch im Herbst kommen viele Stammkundinnen an ihren Stand. © Daniel von Loeper

München – Elfriede Jelinek fühlt sich wie der Fisch im Wasser zwischen ihren bunten BHs, Bustiers und Slips. Seit 50 Jahren verkauft die 70-Jährige Wäsche auf der Auer Dult.
Schon ihr Vater war hier Händler, dann hat sie selbst übernommen. Bis heute liebt sie es, ihre Kundinnen beim BH-Kauf zu beraten. Über sie reden mag sie hingegen nicht. „Zu persönlich“, findet Jelinek. Im AZ-Gespräch geht es trotzdem an die Wäsche.

AZ: Dessous sind etwas sehr Intimes. Wie kommt man auf die Idee, sie auf einem Jahrmarkt zu verkaufen?
ELFRIEDE JELINEK: Früher hat meine Familie sie noch in Heimarbeit nähen lassen. Triumph hat ja damals in Regen produziert. Als die Firma aufgehört hat, haben wir die Frauen übernommen. Die haben dann für uns diese Sachen genäht. Und die haben wir auf dem Markt verkauft. Wir haben auch vorher schon auf dem Markt verkauft, Pullover, Strümpfe, alles Mögliche. Das war damals ganz normal.

Aber einen BH muss man doch anprobieren.
Dafür habe ich hier eine Kabine. Ohne die geht nix.

Und das machen die Frauen, auch wenn’s 8 Grad hat?
Im Sommer und im Frühjahr ist es für mich besser. Aber wenn’s so kalt ist, kommen oft die Kundinnen und haben dann schon das Etiketterl dabei. Durch die vielen Jahre kommen ja viele Stammkunden und die sagen dann direkt, was sie möchten. Wenn’s wärmer ist und sie in die Kabine gehen, ist das besser für mich. Weil dann kaufen sie auch einen zweiten oder dritten BH.

"Nach 50 Jahren hat man schon einen Blick, was jemand braucht und was nicht"

Was für Frauen kauften anfangs bei ihnen ein?
Die Gleichen wie jetzt. Inzwischen sind einige alt geworden. Aber hier kauft praktisch jedes Alter ein. Früher hatten wir mehr Dessous für Ältere. Aber viele Stammkunden sterben einem ja auch weg. Heute habe ich auch viel für Jüngere: Strings und Bustiers und solche Sachen.

Waren die Frauen in den 70er Jahren eigentlich wirklich freizügiger als heute?
Nein, das kann man nicht sagen. Damals gab es ja auch die Mode, dass man keinen BH trägt. Aber da muss man halt auch die Figur dafür haben, und das haben die wenigsten. Wenn man eine größere Größe hat, ist es ja wichtig, dass man einen BH trägt.

Und wie verkaufen Sie einer verklemmten Frau einen BH?
Wenn sie kein Interesse hat, kommt sie ja gar nicht zu mir an den Stand. Im Endeffekt schauen die Leute, dann sehen sie etwas und es gefällt ihnen. Und dann fragen sie. Und wenn jemand nicht will, dann muss er ja nicht.

Vielleicht können sie bei manchen ja auch die Größe schätzen.
Nach 50 Jahren hat man schon einen Blick, was jemand braucht und was nicht. Lebenserfahrung ist ja schon auch dabei.

"Die meisten Frauen haben die verkehrte Größe an"

Welche Fehler machen Frauen denn beim BH-Kauf?
Die meisten haben die verkehrte Größe an. Sie bleiben bei der Größe, die sie einmal hatten, zum Beispiel 75 B. Sie brauchen aber meistens dann 85 B. Ihre alten BHs sind einfach ausgeleiert und passen noch. Aber die Neuen sind dann wieder enger. Im Laufe der Jahre verändert sich die Größe bei den meisten ein bisserl. Oft gibt es Zwischengrößen, die dann einfach besser sitzen. Deshalb kommen die Leute ja auf die Auer Dult, weil sie noch beraten werden. Dann gibt’s ein Gespräch dazu, sie erzählen mir auch von sich. Das ist einfach freundschaftlicher und netter.

Warum kennen Sie sich überhaupt so gut aus?
Es ist nicht so, dass ich nur auf dem Markt geblieben bin. Ich habe mich schon ein bisserl weitergebildet. Ich habe viele Schulungen gemacht, über die Produkte, wie sie passen sollen und so weiter.

Wie hat sich die BH-Mode denn mit den Jahren verändert?
Alles ist natürlicher geworden, die Formen sind runder. Als ich angefangen habe, waren die BHs mehr spitz und vorgeformt. Jetzt ist alles natürlich und rund und angenehmer. Die Materialien sind superbequem und auch atmungsaktiv. Das sind schon Unterschiede.

Spanx werden am meisten in Größe S und XS gekauft

Wie viele BHs sollte Frau im Schrank haben?
Man braucht schon mehrere. Meistens nimmt man zu jeder Kleidung die richtige Farbe. Man muss ja auch waschen. Einen BH sollte man nicht ewig tragen und immer wieder wechseln. Dann halten die BHs auch länger. Am besten hat man eine Schublade voll.

Und wer kauft heute noch ein Mieder?
Es gibt noch ältere Leute, die das tragen. Das sind ja auch Stützkorsette, die gut fürs Kreuz sind. Das wird alles unterschätzt. Heute werden auch noch viele Miederhosen oder was Festes fürs Kreuz gekauft. Zum Beispiel, wenn jemand arbeiten muss, damit er keinen Bruch kriegt. Es hat oft mit der Gesundheit zu tun, wenn jemand so etwas trägt.

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Aber man trägt das doch auch, um die Figur zu formen, oder?
Ja. Jetzt gibt es Spanx, die Wäsche der Stars. Das sind diese ganz teuren Sachen. Da verkaufe ich die Größe XS und S mehr als die großen Größen, die sie eigentlich bräuchten. Die Frauen, die das kaufen, achten sehr darauf, dass sie ja schlank ausschauen, wenn sie ein schönes Kleid anhaben oder ausgehen. Wenn sie was Festes drunter tragen, haben sie keinen Bauch.

Was ist denn ihr Bestseller?
Der Dirndl-BH. Denn unter jedes Dirndl braucht man den richtigen BH.

Hier liegen so viele BHs. Wie behalten sie da den Überblick?
Ich weiß ganz genau, wo was ist. Und es ist auch erlaubt, sich alles anzuschauen.

"Es ist von Vorteil, wenn die Männer mitkommen"

Sie haben gute Marken am Stand, die Preise kommen mir aber recht günstig vor.
Ja, die sind sehr günstig. Ich hatte 25 Jahre lang ein Ladengeschäft in Deggendorf. Das habe ich dann weitergegeben an meinen Sohn. Die Ware, die ich damals gekauft habe, habe ich mitgenommen. Deswegen habe ich immer noch Reste, nicht in allen Größen natürlich. Mein Sohn hat ein Online-Geschäft, da kommen manchmal Sachen zurück. Entweder sie sind zurückgeschickt worden oder sind aus älteren Kollektionen. Er braucht wieder Platz für die neuen Kollektionen und dann kaufe ich ihm die Sachen aus den älteren Kollektionen ab. Das liegt dann unter dem Einkaufspreis. Und darum habe ich diese Schnäppchen.

Bringen manche Frauen auch ihre Männer mit an Ihren Stand?
Freilich. Am Wochenende gehen sie mit ihren Männern. Und die sagen dann auch: Kauf dir was Schönes. Das ist sogar von Vorteil. Ich hab kein Problem mit den Männern, das ist oft nett. Es kommen auch immer wieder Männer zu mir, die sagen, jetzt kann ich nicht mehr kommen, weil meine Frau nicht mehr lebt. Man hat zu den Kunden eine besondere Beziehung. Das ist das Schöne an der Dult und macht sie auch aus.

Sie machen also auch in Zukunft weiter?
Ich habe mein Leben lang gearbeitet und würde gar nix anderes machen wollen. Wenn ich daheim wär’ auf der Couch, würde ich nur alt und fett werden.

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