Der Zamperl-Boom: Warum sich so viele Münchner Hunde zulegen

Im Corona-Jahr 2020 sind so viele Münchner auf den Hund gekommen wie nie zuvor: Die Zahl der neu gemeldeten Vierbeiner hat sich verdreifacht! Diesen Ansturm sehen Experten auch mit Sorge.
von  Nina Job
Genießen den Englischen Garten: Pamela Sch. (l.) mit Dackel Max und Borderterrier Paula und Christine Meister mit Beagle Frida.
Genießen den Englischen Garten: Pamela Sch. (l.) mit Dackel Max und Borderterrier Paula und Christine Meister mit Beagle Frida. © Daniel von Loeper

München - Wohin man auch schaut: Es wuselt und wufft in der Stadt. Egal, ob Schoß- oder Jagdhund - Zamperl begleiten ihre Herrchen und Frauchen beim Joggen an der Isar, tollen mit Artgenossen im Englischen Garten herum oder jagen Bällen und Stöckchen hinterher. Die Münchner sind hundenarrisch wie nie zuvor.

Wegen Corona haben sich Hundeanmeldungen verdreifacht

Ende 2020 waren in der Stadt 40.543 Hunde gemeldet – ein enormer Anstieg. Dass jedes Jahr mehr Vierbeiner dazukommen, ist zunächst nicht verwunderlich. Denn die Zahl der neuen Anmeldungen steigt seit vielen Jahren kontinuierlich – wie auch die Einwohnerzahl. Doch im vorigen Jahr haben sich die Hunde-Neuanmeldungen verdreifacht! Laut Stadtkämmerei, die die Hundesteuer eintreibt, wurden 2020 exakt 3.100 Hunde neu gemeldet. In den Jahren zuvor waren es "nur" rund 1.000 jährlich. Und das liegt – da sind sich alle einig: an Corona.

Viele Münchner sind vom Büro ins Homeoffice gewechselt und fast immer zu Hause. Sie haben mehr Zeit, weil der Weg in die Arbeit und nach Hause entfällt und im Lockdown unzählige Freizeitmöglichkeiten gestrichen sind. Kino, Konzerte, Clubs, gemeinsam Essen oder auf ein Bier gehen, sich mit mehreren Freunden treffen – alles verboten. Was kann man also tun, um der Trübsal entgegenzuwirken und die freie Zeit sinnvoll zu nutzen? Einen Hund anschaffen!

"Die Welpen werden uns quasi aus den Händen gerissen"

Das Leben mit einem Vierbeiner kann viele positive Effekte haben: Hunde müssen mindestens drei Mal täglich raus, das strukturiert den Tag. Bewegung an der frischen Luft ist gesund für die Halter. Und nicht zuletzt sind Hunde gerade für Ältere und Singles treue Gefährten und helfen gegen Einsamkeit.

Doch die Entscheidung für einen Hund sollte sehr gut und nie spontan getroffen werden, warnen Tierschützer. Besonders groß ist der Run derzeit auf Welpen und junge Hunde. "Die Welpen werden uns quasi aus den Händen gerissen", bestätigt Brigitte Schramm von der Tierschutzbrücke der AZ. Ihr Verein vermittelt Straßenhunde aus Rumänien. Aber auch bei Züchtern von Rassehunden ist die Nachfrage riesig, viele haben lange Wartelisten, einige haben die Preise enorm angezogen – so verlangt einer beispielsweise 5.000 Euro für einen Welpen.

Eine weitere Folge der hohen Nachfrage: "Heute züchtet Hinz und Kunz. Viele lassen einfach ihren Hund decken", warnt Marianne Ruß vom Landesverband Bayern für das Hundewesen (VDH). "Da gibt es keine Kontrollen der Zuchtstätten, keine Überprüfung, ob die Elterntiere gesund sind." Auch vollkommen neue - nicht anerkannte - Rassen würden plötzlich angeboten.

Tierheime befürchten, dass viele Hunde wieder abgegeben werden

Ist der neue Hund eingezogen, beginnt die Arbeit. Nur Zeit zu haben und gern spazieren zu gehen, reicht nicht. "Viele unterschätzen, dass Hunde wahnsinnig komplexe Lebewesen sind. Man muss sie verstehen", sagt Anja Mack, Chefin der Hundeschule Lucky Dogs. "Wenn ein Hund nicht sozialisiert und gut erzogen ist, geht eine gewisse Gefährlichkeit von ihm aus."

Doch auch die Hundeschulen, die wichtige Erziehungshilfe leisten, mussten im Lockdown schließen. Sogar Einzeltraining ist verboten – es fällt unter Erwachsenenbildung. Und was, wenn die Pandemie vorbei ist und Herrchen und Frauchen wieder ins Büro müssen? In den Tierheimen wird befürchtet, dass dann viele Hunde wieder abgegeben werden.

Hier lesen Sie, warum Münchner und Münchnerinnen nicht auf ihre Hunde verzichten wollen.

"Mit Hund lache ich"

Genießen den Englischen Garten: Pamela Sch. (l.) mit Dackel Max und Borderterrier Paula und Christine Meister mit Beagle Frida.
Genießen den Englischen Garten: Pamela Sch. (l.) mit Dackel Max und Borderterrier Paula und Christine Meister mit Beagle Frida. © Daniel von Loeper

Zahnarzthelferin Christine Meister: "Einen Hund zu haben entschleunigt. Meine Beaglehündin Frida hat ihren ganz eigenen Charakter und eigenen Kopf. Sie ist eher ruhig. Ich kann verstehen, dass viele in den Corona-Zeiten einen Hund haben möchten. Einen Hund zu haben hilft gegen Einsamkeit."

Technische Beraterin Pamela Sch.: "Mit einem Hund lache ich jeden Tag. Ich bin zwei bis drei Mal am Tag zum Spazierengehen mit meinen beiden Hunden unterwegs. Vorteil in diesen Zeiten ist, dass man auch nach 21 Uhr noch raus darf. Mein Dackel heißt Max, eigentlich hatte er vorher den Namen Rasputin. Ich habe ihn vor drei Jahren bei mir aufgenommen. Ich mag diese spezielle Dackelart. Allerdings lässt sie sich nicht so gut erziehen. Max ist acht Jahre alt und sehr verschmust. Meine Hündin Paula ist fünf Jahre alt und ein Borderterrier. Sie ist durchaus gelehrig. Sie gibt sich als großer Aufpasser von meinem Dackel Max. Wenn er den Weg zurück nicht findet, dann hilft sie ihm. Sie ist sehr verantwortungsbewusst."

"Die Rasse muss zu einem passen"

Isabelle Gehe mit Capone.
Isabelle Gehe mit Capone. © Daniel von Loeper

Immobilienkauffrau Isabelle Gehe (28): "Capone ist ein Wirbelwind und manchmal ein Dickkopf. Ich habe ihn seit zwei Jahren. Die Erziehung fordert mich ganz gut. Man muss schauen, welche Rasse zu einem passt. Am besten, man lässt sich beraten."

"Ohne sie würde ich weniger rausgehen"

Michael Betz mit Rosi.
Michael Betz mit Rosi. © ho

Michael Betz (31), Berater: "Wir hatten einen Schäferhund zu Hause. Vor drei Monaten habe ich mir den Wunsch vom eigenen Hund erfüllt: Rosi ist ein Shih Tzu. Ich arbeite schon seit März im Homeoffice, ich habe aber vorab geklärt, dass ich sie später auch mit ins Büro nehmen darf. Deshalb habe ich eine Rasse ausgesucht, die nicht so haart und allergikerfreundlich ist.

Rosi ist zuckersüß. Sie stammt aus einer Hobbyzucht. Anfangs war's anstrengend: Wir mussten alle zwei Stunden raus. Ein Hund ist mehr als einfach ein Haustier. Du bekommst viel zurück. Man hat eine Aufgabe. Man lernt, die Dinge ruhiger anzugehen. Und ohne sie würde ich nicht so viel rausgehen. Blöd ist, dass die Hundeschulen geschlossen sind. Jetzt bist du mit der Hundeerziehung komplett allein. Ich hole mir Rat bei anderen Hundebesitzern."

"Ein Hund verändert alles"

Lisa-Marie Prankl hat ihre Aussiehündin von einer Züchterin.
Lisa-Marie Prankl hat ihre Aussiehündin von einer Züchterin. © ho

Lisa-Marie Prankl (26) arbeitet im Marketing und studiert berufsbegleitend: "Ich habe mir schon ewig einen Hund gewünscht. Aber es hat irgendwie nie gepasst. Ich hab' mich immer gefragt, wie andere Berufstätige das machen. Seit dreieinhalb Jahren wohne ich mit meinem Freund zusammen. Jetzt während der Pandemie war der richtige Zeitpunkt für einen Hund gekommen: Wir sind zu Hause, haben Zeit. Mit der ersten Züchterin hatten wir kein gutes Gefühl, wir haben weitergesucht. Im September ist dann Laika bei uns eingezogen.

Die erste Zeit war anstrengend: Wir mussten 16 Mal am Tag mit ihr gehen. Es hat fast zwei Monate gedauert, bis sie nachts nicht mehr raus musste. Anfangs mussten wir auch jede Woche zum Tierarzt. Viele unterschätzen bestimmt, wie teuer ein Hund werden kann. Wir haben in diesen Wochen mehrere Hundert Euro für den Tierarzt ausgegeben. Zum Glück konnten wir anfangs noch lange in die Hundeschule gehen. Jetzt machen wir Online-Einzeltraining. Ich schicke immer Videos und bekomme dann Erziehungshilfe von der Trainerin.

Zur Zeit bellt Laika viel, wenn sie andere Hunde sieht. Und sie will zu jedem hin. Aber mir war klar, dass das viel Arbeit wird. Es ist mir sehr wichtig, Laika gut zu erziehen. Ein Hund verändert alles. Er will immer dabei sein. Obwohl wir jetzt fast immer zu Hause sind, üben wir zum Beispiel auch, dass sie eine Zeit lang alleine bleibt. Mit unseren Arbeitgebern hatten wir schon vor Corona Homeoffice-Tage verhandelt. Außerdem haben wir unsere Familien und Hunde-erfahrene Freunde, die aushelfen können."


Steuer, Futter, Kauf: Tipps für Hundeinteressierte

Die Anschaffung eines Hundes sollte man sich sehr gut und länger überlegen. Wenn er erst mal eingezogen ist, bestimmt er für viele Jahre Ihr Leben. Das raten Experten: Fragen Sie sich: Haben sie genug Zeit für die Erziehung, passt der Hund in Ihr Lebensumfeld? Wer geht wann Gassi? Ein Hund sollte nicht länger als vier Stunden am Tag alleine sein. Nicht nur Futter kostet Geld. In München kostet ein Hund 100 Euro Steuer pro Jahr. Auch Tierarztkosten können sehr ins Geld gehen.

Wenn es ein Rassehund sein soll: Gehen Sie nicht nur nach dem Aussehen. Lassen Sie sich gut beraten! Seien Sie skeptisch, wenn Verkäufer Sie an Raststätten o.ä. treffen wollen. Vergewissern Sie sich, dass die Geburtsstätte seriös und sauber ist bzw. von einem seriösen Verein vermittelt wird. Lernen Sie (sofern möglich) die Hundeeltern kennen und überzeugen Sie sich davon, dass Ihr Welpe alle notwendigen Untersuchungen und Impfungen hat. Bei Rassehunden: Die Züchter in den Dachverbänden garantieren Kontrollen und Mindestanforderungen.

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