Der tolle Hecht vom Dreier-Turm

Hochsommer-Saison: Urlaub in München und ein Kopfsprungins kühle Nass: Die AZ testet die Münchner Freibäder. Heute: das Westbad
von  Abendzeitung
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Illustration © Petra Schramek

Hochsommer-Saison: Urlaub in München und ein Kopfsprungins kühle Nass: Die AZ testet die Münchner Freibäder. Heute: das Westbad

Das Westbad stand früher in einem schlechten Ruf. Schuld daran waren die „Halbstarken“, die Typen in Lederjacken und Cowboystiefeln, die auf ihren 50er-Zündapps angeknattert kamen und im John-Wayne-Schritt über die Wiese stapften.

Die Halbstarken stammten aus der Blumenau und der verrufenen Ludlstraße im südöstlichen Laim. Im Bad trugen die „Ludlstraßler“ Bermudas, sie federten breitbeinig auf dem 3er-Sprungbrett, ließen sich noch einen guten Meter hochschnellen, um dann im so genannten Angeberhecht ins Wasser zu wuchten – und die Angeber der Angeber machten noch den Salto dazu.

Den Salto kann man im Westbad auch heute noch bewundern – heute aber, an diesem sonnigen Hochsommertag, sind es 10-jährige Knirpse, die von Starblock sieben, acht und neun im Salto ins Becken platschen und dabei vor Vergnügen kreischen.

Leben im Erlebnisbad

Überhaupt schwirrt Geschrei in der Luft, es platscht, lacht, jubelt und quiekt ausgelassen. Manches hat sich geändert seit dem umfassenden Umbau vor zehn Jahren, als aus dem alten Westbad ein Erlebnisbad wurde.

„Grad für die Kinder ist es toll hier“, sagt Miriam Blaha und strahlt ihr achtjähriges Töchterchen Emma an. „Es ist schattig und übersichtlich, man kann die Kleinen laufen lassen und selbst entspannen“, fügt die Choreographin hinzu, derweil Emma mit Cousine Rebekka (9) und Bruder Dylan (6) durch’s Plantschbecken hüpft und um den Steinkopf herumturnt, der – wie einst sein gotisches Vorbild – Wasser speit.

„Wir haben wirklich ein gutes Publikum hier“, versichert auch Susan Arbinger und zeigt wie zum Beweis über die weite, von sanften Wellen belebte und mit alten Bäumen bestandene Liegewiese, auf der sich etliche tausend Väter, Mütter, Mädchen, Buben, Kinder und Rentner tummeln.

Die alten Westbadzeiten kennt Arbinger nicht mehr – die gebürtige Vogtländerin ist vor zehn Jahren zu den Münchner Bäderbetrieben gekommen und seit April im Westbad als „Fachmeisterin für Bäderbetriebe“ tätig. Nein, nein, stellt sie richtig, während sie auf das sonnenglitzernde Freizeitbecken zugeht, das sei nicht dasselbe wie der Bademeister, der jetzt übrigens Schwimmeisterhelfer heiße – der Bäderfachmeister muss drei Jahre in die Lehre gehen, bevor er sich dann als „Mädchen für alles“ von der Aufsicht über den Kassendienst bis zur Ersten Hilfe um ein Schwimmbad kümmern kann.

Eine ältere Dame kommt auf Arbinger zu. „Da an der Dusche“, sagt die Dame, „stört ein Ast von diesem Busch da“. Ob man den nicht abschneiden könne? Arbinger beschwichtigt. „Geduld braucht man schon auch“, sagt Arbinger und lächelt.

Über dem Freizeitbecken erhebt sich die 64 Meter lange Rutsche – in drei Spiralwindungen rauschen die Erlebniswilligen ins 24 Grad warme Nass. Die ganz Sportlichen aber zieht es hundert Meter weiter zum Sportbecken, mit der 50-Meter-Bahn und der „Sprunggrube“ mit Drei-Meter-Turm. Dort taucht eben Linda, 19 Jahre, blond und angehende Friseurin, aus dem Wasser. Linda wohnt in Sendling und ist mit ihrem Bruder hier. Der ist zum dritten Mal im Westbad: „Ich find’s richtig gut“, meint Kenneth.

Hitze, Beachvolleyball und Wolkenbruch

Wenige Schritte abseits vom Sportbecken, am Wiesenrand, erstreckt sich das Beach-Volleyball-Feld. Das Gekreische der Badenden verebbt hier, sechs junge Burschen liefern sich ein Match. Das Knallen des Balls erfüllt die Luft, die Burschen baggern gekonnt, der Schweiß glänzt. Da tut es gut, wenn die Sonne hinter einer dunklen Wolkenbank verschwindet und ein wenig Wind aufkommt. Von fern hört man es Klatschen, wenn einer vom Drei-Meter-Turm hechtet. Plötzlich ein Blitz, ein Krachen – und auf das Westbad prasselt ein Wolkenbruch nieder.

Bernhard Viel

Freizeitmöglichkeiten:

50-Meter-Sportbecken, leider ohne abgetrennte Krauler-Bahn – wer zügig schwimmen will, muß Badenden ausweichen. Sprunggrube mit zwei 1-Meter-Sprungbrettern und einem 3-Meter-Sprungturm. Freizeitbecken mit Strömungskanal, Sprudelgrotte und 64-Meter-Wasserrutsche. Nichtschwimmerbecken mit Wasserpilz und kleiner Rutsche. Babyplantschbecken mit Spielplatz, Kletter- und Sprossenwand. Trampolin, Fussballfeld, Basketball, Tischtennis, Bodenschach. Note: 1-

Liegewiese:

Sehr weiträumig (85 000 Quadratmeter), mit alten Bäumen und Platz für gut 7000 Besucher. Note: 1

Sauberkeit:

Umkleiden, Duschen und WC sauber. Ein Pissoire war verstopft. Behindertengerechte Dusche. Note: 2

Gastronomie:

Kiosk mit Biergarten und einfacher Kost: Bockwurst 2,80 Euro, Gulaschsuppe 3,80 Euro, Rigatoni 5,00 Euro, Fleischpflanzerl mit Kartoffelsalat 6,00 Euro, 0,5 Apfelschorle 3,00 Euro, Kaffee 2,00 Euro, Helles 2,90 Euro, Note: 2

Publikum:

Alle Schichten, alle Altersklassen aus Laim, Pasing, Germering. Note: 2 Besonderheiten: FKK-Bereich für Familien und Frauen. 2 Beach-Volleyball-Felder.

Flirtfaktor:

Der Rand des Sportbeckens bietet für Beherzte Gelegenheit zum Anbandeln. Sonst Familienatmosphäre. Note: 2

Besonderheiten

FKK-Bereich für Familien und Frauen, Zwei Beachvolleyball Felder

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