Der Ofen ist aus

Nach 44 Jahren hängt der Bäckermeister Gerhard Angerbauer seinen Mehl verstaubten Kittel für immer an den Nagel. Niemand will die kleine Bäckerei in Giesing übernehmen
Ralph Hub |
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Macht zu: Der Giesinger Bäcker Gerhard Angerbauer.
Ralph Hub Macht zu: Der Giesinger Bäcker Gerhard Angerbauer.

MÜNCHEN Der Duft nach frisch gebackenem Brot und Brezen verfliegt langsam. Gerhard Angerbauer hat seine kleine Bäckerei in der Unteren Grasstraße in Giesing dicht gemacht. Er und seine Frau Gerda fanden keinen Nachfolger – das Aus für einen der letzten traditionellen Münchner Bäckereien.

„Da blutete einem das Herz, wenn sich treue Stammkunden mit Tränen in den Augen verabschieden“, sagt Gerhard Angerbauer. Kleine Präsente bringen sie vorbei, eine Flasche Cognac, Blumen, Pralinen. „Was machen wir nur ohne sie“, klagt eine ältere Dame. Kuchen aus der Bäckerei Angerbauer waren fester Bestandteil beim Kaffeekränzchen ihrer Freundinnen.
Eigentlich wollte Gerhard Angerbauer Konditor werden. Torten und Kuchen sind noch heute seine Leidenschaft.

Doch sein Vater schickte ihn in die Küche, er sollte Koch werden. „Da bin ich als Bub nicht lange gefragt worden“, erinnert sich Gerhard Angerbauer. Wenig später absolvierte er ein Schnupperlehre in einer Hotelküche. Hähnchenhälse musste er dort abfieseln. Noch heute denkt er mit Grausen daran.
Im Hotel gab es eine Konditorei. Dafür konnte sich der junge Gerhard mehr begeistern. Er wurde Bäcker: 1967 Geselle, drei Jahre später hatte er den Meisterbrief.
Jeden Morgen ist Gerhard Angerbauer seitdem um 3 Uhr aufgestanden. 15 Minuten später heizte er den Ofen an – 44 Jahre lang. Samstags stand er bereits um Mitternacht in die Backstube. „Jugendlichen wollten um diese Zeit Party machen und nicht am heißen Backofen stehen“, klagt Gerhard Angerbauer. „Deshalb haben wir auch keinen Nachfolger für unseren Betrieb gefunden.“ Selbst die eigene Tochter wollte nicht. Sie hat studiert, ist Patentanwältin.

„Wir hätten gerne noch ein paar Jahre weitergemacht“, betont Gerda Angerbauer. Doch nach einem Bandscheibenvorfall ist ihr Mann nicht mehr so fit wie früher. Außerdem hätten sie in die Bäckerei ein kleines Vermögen investieren müssen – neue Öfen und Geräte. „Das macht man nur, wenn man weiß, wer die Bäckerei später übernimmt“, sagt Gerhard Angerbauer.
Diese Woche wird der 59-Jährige damit beginnen, seine Bäckerei zu demontieren. Bis Ende August muss alles raus sein. Dann geht’s ab in den Urlaub. Zum Gardasee will das Ehepaar: „Da bleiben wir bis zum Ende der Olivenernte im November.“

Ihren Ruhestand haben sie genau geplant. Reisen wollen sie. Gerhard Angerbauer will musizieren, auf seiner Quetschen spielen. Nur eines haben sie sich noch nicht überlegt. Wo sie künftig ihre Semmeln kaufen werden. Einen dieser Backshops, die wie Pilze aus dem Boden schießen, will er nicht betreten. Was klassische Bäckereien betrifft, wird die Auswahl immer kleiner.

In der heutigen AZ-Ausgabe lesen Sie wo Münchens letzte Kleinbetriebe noch Brot backen.

 

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