Der Nikolaus packt aus
MÜNCHEN - Die Geschenke werden immer größer, doch die Kinder haben immer noch Respekt. Münchner Nikoläuse und ihre Krampuse erzählen in der AZ, was sie in diesen Tagen erleben.
Der Krampus zieht zum letzten mal an seiner Zigarette und schließt seinen Wagen ab, während sich der Nikolaus seinen weißen Bart überstreift. Die beiden stapfen durch Ramersdorf, Autofahrer drehen sich verwundert nach dem seltsamen Duo um. Dann klingeln sie an der Haustür von Familie Müller. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, brummt der Krampus, der Türsummer ertönt und die beiden betreten den Hausflur. Ein ganz normaler Arbeitstag für den Nikolaus und seinen Gehilfen.
Hinter der aufwendigen Verkleidung als Nikolaus steckt Christian Maier (26), der „schreckliche“ Krampus ist Günter Tobsch (47). 362 Tage im Jahr ist Maier Journalist, sein Kollege Tobsch Angestellter einer Firm für Renovierungen. Drei Tage im Jahr werden sie zu Nikolaus und Krampus und besuchen Kinder, verteilen Lob, Tadel und Geschenke – wie in Ramersdorf bei der 10-jährigen Isabella Müller. „Ich habe gehört, du bist sehr freundlich und hilfst der Mama beim Aufräumen“, sagt der Nikolaus im Wohnzimmer. Isabella nickt. „Ich habe aber auch gehört, dass du manchmal frech bist!“ Isabella kichert, der Krampus droht mit der Rute.
Schläge mit der Rute? „Das ist tabu“, sagt der Krampus
Mehr als Drohen ist aber tabu – den Ausraster einer Krampus-Kollegin, die 2006 einen 12-Jährigen krankenhausreif prügelte, verurteilt Günter Tobsch: „So etwas darf nicht sein. Das geht zu weit.“ Er berichtet aber auch von einem Fall, in denen die Eltern per Telefon vorab baten, der Krampus solle ihre Schützlinge mit der Rute verhauen. Die Eltern reagierten enttäuscht, als Tobsch ablehnte – und sagten den Termin ab.
Angefangen hat Tobsch vor 17 Jahren als Nikolaus – bei seiner eigenen Familie aus einer Notsituation heraus. „In den Jahren zuvor war ich immer unzufrieden mit den Nikoläusen, die ich gebucht hatte“, sagt der 47-Jährige. Also besorgte er sich selbst ein Kostüm. Bald kam die Idee, auch andere Familien zu besuchen. Inzwischen bietet er über seine Internetseite www.weihnachtspostamt.de nicht nur Nikolaus- und Weihnachtsmann-Einsätze an, sondern beantwortet auch Briefe von Kindern an den „Santa Claus“.
Seit bald zwei Jahrzehnten ist er im Einsatz, und eines hat sich deutlich verändert: Die Menge der Geschenke. „Früher gab es eher Süßigkeiten, Obst und Nüsse. Heute denke ich mir manchmal, wenn man sieht, was die Kinder zu Nikolaus bekommen, dann müssten die zu Weihnachten einen Ferrari kriegen!“
Ähnliches berichtet Kollege Andi Werhan, der beim Nikolaus-Service von jobcafe.de arbeitet: „Manchmal bekomme ich gar nicht alle Geschenke im Sack unter. Da müssen dann Verwandte des Kindes beim Tragen helfen.“
Der 42-Jährige ist hauptberuflich bei einer Krankenkasse angestellt und verkleidet sich für drei Tage im Jahr. Auch Werhan ist eher zufällig zu dem Nikolaus-Job gekommen. Er sprang für den kranken Hausmeister eines Kindergartens ein, der die Jahre zuvor den Nikolaus gemimt hatte.
Ein Einsatz im Bordell ging schief – die Gäste wollten nur Sex
Er macht nicht nur Hausbesuche, sondern tritt auch auf Firmenevents auf. Ein Ereignis blieb ihm besonders in Erinnerung: Der Nikolaus-Besuch in einem Puff. „Es war seltsam. Die Gäste haben sehr verhalten reagiert – ist ja klar, die kommen in den Puff, um Sex zu haben, und nicht, um den Nikolaus zu sehen.“
Witzige Anekdoten kennen sie alle – auch Nikolaus Stefan Ruffert (37), der für die Jugend des Heimat- und Brauchtumsvereins München unterwegs ist. „Bei einem Einsatz war das Kind so verschüchtert, dass es sich unter der Couch versteckt hat. Ich habe mit dann mit meinen 1,96 Metern plus Kopfbedeckung ganz klein gemacht und habe dem Kind gut zugeredet, bis es sich wieder hervorgetraut hat.“
Ruffert reizt an dem Job besonders, dass er die Kinder heranwachsen sieht – er hat viele Stammkunden. „Bei einer Familie ist die Tochter schon 14. Die glaubt natürlich nicht mehr an den Nikolaus, da kommen wir nur noch aus Tradition.“ Bei dem Tadel gehe es dementsprechend um derbere Themen – wie „Knutschen mit dem Freund im Hausflur“.
In Ramersdorf zieht Nikolaus Christian einen großen Nikolaussocken voller Süßigkeiten aus seinem Sack und überreicht ihn Isabella mit der Drohung, bis zum nächsten Jahr brav zu bleiben. Dann müssen sie weiter zum nächsten Termin. Bis Sonntag sind sie fast ausgebucht. Ob sie 2010 wiederkommen, ist allerdings fraglich. Tobusch; „Die meisten Kinder glauben mit 11 nicht mehr an den Nikolaus“.
Kasanobu Serdarov
AZ-Info: Hier gibts noch Nikoläuse
- Das Jobcafé vermittelt Nikoläuse unter 33019006. In der Kernzeit von 17 bis 20 Uhr geht nichts mehr, davor und danach ist noch was frei.
- Das Weihnachtspostamt hat noch vereinzelt Nikolaus-Termine am Wochenende frei: 0163/6179827 oder www.weihnachtspostamt.com
Wer keinen Nikolaus mehr ergattern konnte, kann ihn auch hier sehen:
- Am Samstag am Viktualienmarkt (11 bis 16 Uhr), Elisabethmarkt (11 bis 13 Uhr) und auf den Wochenmärkten in Untersendling (10 bis 10.30 Uhr), Au (11 bis 11.30 Uhr) und Perlach (12 bis 13 Uhr).
- Am Samstag in der Christkindltram (13.30 bis 17.30 Uhr).
- Am Samstag und am Sonntag ist der Nikolaus mit Krampus im Tierpark Hellabrunn unterwegs.
- Am Sonntag kommt der Krampus zum Krampuslauf – von der Weinstraße bis zum Kripperlmarkt am Rindermarktbrunnen und wieder zurück (16.30 bis 17.30 Uhr).
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