Der neue Fahrplan ist da: Verstehen Sie MVV?
MÜNCHEN - Neue Linien, neue Haltestellen und ein völlig neu gestalteter Tarifplan: Die Abendzeitung hat den Test gemacht und befragte die Fahrgäste. Das Ergebnis: Noch tun sich die Münchner ganz schön schwer damit
Die Linien sind schlanker geworden, aus den kräftigen Farben wurden Pastelltöne: Passend zur Fahrplanumstellung des MVV hängen jetzt auch neue Tarifpläne an den Bahnsteigen (das sind die Pläne, auf denen man die einzelnen Ringe nachschauen kann). Schneller und übersichtlicher sollen die neuen Tarifpläne dem Fahrgast Auskunft geben. Die alten Tarifpläne haben damit nach sieben Jahren ausgedient.
300 Fahrgäste hatte der MVV zu den alten Tarifplänen befragen lassen – das Ergebnis war eindeutig: Nur schwer hat man sich bisher zurechtgefunden im Liniengewirr. Also musste dringend ein neues Design her.
Doch versteht man den neuen Plan jetzt besser? „Wir haben die Nasen im Süden und im Nordosten entfernt und die Ringe durchgezogen“, sagt Beate Brennauer vom MVV. Die Stellen, an denen in der dritten Außenzone keine Bahn- und Buslinien fahren, sind nun auch im apricot-farbenen Bereich erfasst. Außerdem ist der Gesamtnetzplan insgesamt größer dargestellt: Der Innenraum ist nur noch auf einer extra-Karte zu sehen. „Wir haben beim alten Plan versucht, den Verlauf der Linien möglichst naturgetreu wiederzugeben“, erklärt Beate Brennauer, „aber das war eben unübersichtlich. Das jetzige Bild ist stärker stilisiert und damit leichter zu erkennen.“ Soweit die guten Absichten. Wir haben die S-Bahnfahrgäste am Hauptbahnhof dazu mal gefragt.
Zu Fuß, wenn’s mit der Bahn nicht klappt
„Der Plan ist ja noch unübersichtlicher“, meint Christiane Kupferschmidt. Die Studentin aus Pfaffenhofen ist skeptisch: „Ich hab’ mich ja schon beim alten Plan nicht zurechtgefunden.“ Wir fragen sie, wie sie wohl von der Quiddestraße nach Moosach käme.
Ein hilfsbereiter älterer Herr hilft unserer Probandin, die Haltestelle Quiddestraße zu finden: „Man müsste erst mal zum Odeonsplatz und dann in die U3 nach Moosach“, entziffert die Studentin. Blöderweise endet die U3 noch am Olympia-Einkaufszentrum. „Da würde ich einfach von da aus hinlaufen“, grinst sie. Immerhin ein Fußmarsch von ein paar Kilometern. Doch wer viel Zeit mitbringt, kommt auch über Umwege ans Ziel.
Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?
Edwin Kastenberger ist Vermessungstechniker: „Ich hab’ natürlich viel mit Plänen zu tun in meinem Beruf, aber mit so einem Verhau ned“, meint der Niederbayer. Und auch Kastenhuber muss durch unseren MVV-Test. Für den Altdorfer, der nicht so oft mit dem MVV unterwegs ist, wählen wir eine verhältnismäßig einfache Route: Von der Richard-Strauss-Straße soll die imaginäre Reise nach Obersendling gehen.
„Also in die U4 und dann irgendwann umsteigen“. Edwin Kastenhuber stutzt, mit dem Finger versucht er die Linien hinter Glas nachzuvollziehen, gelangt irgendwann nach Mittersendling. „Und brauch’ ich dann noch die S-Bahn, die S7?“ Nein, die bräuchte man nicht mehr. In Obersendling kreuzen sich zwar die grüne S-Bahnlinie mit der dunkelblauen U-Bahn, aber mit der U3 wird das Ziel bereits erreicht. Der Plan macht’s vor: Wieso einfach, wenn’s auch kompliziert geht?
Der Profi im Netz
"Auf den ersten Blick relativ unübersichtlich, aber dann sieht man, dass der Plan genial ist“, meint Anja Hartmann, „München ist wunderbar ausgeschildert – viel besser als Berlin oder Hamburg.“
Wir machen unseren Test: Es soll vom Goetheplatz bis nach Neubiberg gehen: Zunächst fällt es der Doktorandin schwer, den Zielort zu finden. Doch dann zeigt sich der Profi: „Also erst mal zum Sendlinger Tor, von da mit der Tram oder U1, U2 zum Hauptbahnhof und von da fährt die S7 nach Neubiberg.“ Test bestanden.
„Da kann man nichts unterscheiden“
Cornelia Pfeil (61), Tierärztin aus Gilching: „Mein großes Glück ist, dass ich grad mit dem Bayernticket unterwegs bin“, lacht die Gilchingerin, „die Tarifpläne haben jetzt eine maximale Unübersichtlichkeit erreicht – genial.
Das kann man ja farbig gar nicht unterscheiden, ob ich jetzt mit S-Bahn, U-Bahn, Tram oder Bus fahren muss. Aber um ehrlich zu sein, als alte MVV-Fahrerin komm’ ich schon irgendwie zurecht.“ Aber: „München ist ja eine Touristenstadt. Bei den Tarifplänen wundert’s mich nicht, dass so viele schwarz fahren. Da wirft man halt irgendwas ein und hofft, dass man nicht kontrolliert wird.“
Und wo endet das Grün?
Der Grafiker Jens Corvin (40) wirft einen Blick auf das neue Design des Gesamtnetz-Tarifplans: „Die einzelnen Zonen sind geometrisch und klar, weil es diese Ausfransungen nicht mehr gibt.“ Soviel zu den Äußerlichkeiten.
„Aber den Innenraum kann man in die Tonne treten – das versteht doch niemand.“ Da meldet sich eine Kundin, die schon länger stirnrunzelnd vor dem Plan steht: „Was bedeutet eigentlich Innenraum?“ Sie muss nach Gilching, das am äußeren Rande der grünen Zone liegt. „Ich würde einfach grün fahren und hoffen, dass niemand kontrolliert“, grinst der Grafiker und steigt in die Bahn. Ein Überlebenskünstler im Tarif-Dschungel.
Johanna Jauernig
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