Der "Mythos Schwabing" ist in Gefahr

Am zweiten Tag des AZ-Cafés ging’s um die Wohnsituation im Viertel. Um den Mythos Schwabing in Zeiten der Gentrifizierung - was passiert mit Schwabing?
Anette Zoch |
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Wolfgang Roucka: In der Feilitzschstraße gibt es jetzt viele Eigentumswohnungen, die von gut Betuchten als Zweitwohnung genutzt werden. Die wollen das Flair von Schwabing genießen – aber nach 22 Uhr bitte auch ihre heilige Ruhe genießen. Da läuft doch was schief.
az Wolfgang Roucka: In der Feilitzschstraße gibt es jetzt viele Eigentumswohnungen, die von gut Betuchten als Zweitwohnung genutzt werden. Die wollen das Flair von Schwabing genießen – aber nach 22 Uhr bitte auch ihre heilige Ruhe genießen. Da läuft doch was schief.

„Dass die Lage in Schwabing explosiv ist, wissen wir ja“, sagt Galerie-Besitzer Wolfgang Roucka. Er meint aber diesmal nicht die Schwabinger Bombe, sondern die Wohnsituation im Viertel. Am zweiten Tag des AZ-Cafés ging’s um das Thema „Gentrifizierung“ – was passiert mit Schwabing?

Roucka, der wegen Luxussanierungen auch aus seiner Wohnung in der Kaiserstraße rausmuss, sieht ganz klar den „Mythos Schwabing“ in Gefahr: „In der Feilitzschstraße gibt es jetzt viele Eigentumswohnungen, die von gut Betuchten als Zweitwohnung genutzt werden. Die wollen das Flair von Schwabing genießen – aber nach 22 Uhr bitte auch ihre heilige Ruhe genießen. Da läuft doch was schief.“

Bevor Luxus-Eigentumswohnungen entstehen können, wird häufig entmietet – auch ein großes Problem. „Wenn Mieter zarter besaitet sind, gehen die freiwillig“, sagt Monika Schmid-Balzert, Geschäftsführerin vom Bayerischen Mieterbund. Den krassesten Fall, den sie mal erlebt hat: „Die Mieter kamen aus dem Urlaub und die Wohnungstür war zugemauert.“

„Gilt der Satz ,Eigentum verpflichtet’ eigentlich noch?", will AZ-Chefredakteur Arno Makowsky von Rudolf Stürzer wissen, dem Vorsitzenden des Hausbesitzervereins. „Ja“, sagt der. „Unser Verband distanziert sich mit Nachdruck von solchen Entmietungs-Aktionen, was da teilweise passiert ist eine Sauerei.“

Dass luxussaniert wird, sei aber teilweise auch „der Wunsch des Marktes“, sagt Stürzer: München ziehe nun mal sehr viele Gutverdiener an, und die wollen halt kein Badezimmer mit braunen Fliesen aus den 80ern, sondern das edle Modell und Vollholz-Parkett. Sein Verband sehe den Wohnungsmarkt in München durchaus auch „mit einem weinenden Auge“. Denn: „Wir wollen auch die Interessen derjenigen vertreten, die Wohnungseigentum erwerben wollen. Das ist die beste Altersvorsorge.“ Das werde aber angesichts der Preisentwicklung immer schwieriger. Die Eigentumsquote in München sei mit 20 Prozent dramatisch niedrig. Bundesweit sind es im Schnitt 40 Prozent, in Europa sogar 70 Prozent.

„Schwabing hat ja das schlimmste eigentlich schon hinter sich“, sagt SPD-Stadtrat Andreas Lotte, der selbst auf der Schwanthaler Höhe wohnt. Gerade sei die Gentrifizierungs-Karawane bei ihm im Viertel zu Gange, auch in Sendling, Ramersdorf und Neuperlach sei das ein „Riesenthema“.

Der Freistaat Bayern tue Bei der Wohnungsbauförderung zu wenig, sagt Lotte. Die Stadt München tue schon viel, sie investiere jährlich 160 Millionen Euro in die Wohnungsbauförderung. Zum Vergleich: Das komplette Land Baden-Württemberg gibt dafür nur 72 Millionen Euro aus.

Dann muss sich Lotte aber auch die Frage aus dem Publikum gefallen lassen, warum die Stadt es zugelassen hat, dass das ehemalige Heizkraftwerk in einen Luxus-Turm für Schwerreiche gemacht wurde, das „The Seven“. Lotte räumt ein: Das sei vielleicht ein Fehler gewesen. „Heute würde diese Entscheidung wohl nicht mehr so fallen“, sagte er.

Besonders heftig diskutiert wird auch über das Thema energetische Gebäudesanierung: Die Mieterhöhungen, die dadurch auf die Mieter zukämen, seien eine „Riesengeschichte“, warnt Monika Schmid-Balzert. Thomas Hettich vom Bündnis BEzahlbares Wohnen meldet sich aus dem Publikum: „Stellen Sie sich vor, eine Rentnerin mit einer Rente von 950 Euro im Monat, die kann sich doch so eine energetische Sanierung gar nicht leisten. Das ist auch ein willkommenes Instrument von Investoren, Altmieter rauszukriegen aus den Gebäuden.“

Wolfgang Roucka hat auch noch keine neue Wohnung gefunden. „Pro Wohnung gibt es ungefähr 300 Interessenten“, berichtet er. „Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.“


 

 

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