Der Münchner Stadtlauf steht an: Endlich läuft’s wieder

Von Endorphinen und Biergartenphantasien: Wie sich ein Couchpotato auf den Stadtlauf vorbereitet - und welche Hürden er dabei meistern muss.
von  Abendzeitung

Von Endorphinen und Biergartenphantasien: Wie sich ein Couchpotato auf den Stadtlauf vorbereitet - und welche Hürden er dabei meistern muss.

Richtig fit ist eigentlich nur einer – mein innerer Schweinehund. Dank ihm bin ich von einem systematischen Training ungefähr genauso weit entfernt wie die bayerische SPD von der absoluten Mehrheit im Landtag. Nur dass die Genossen noch ein paar Jährchen Zeit haben für den nächsten Versuch und ich schon in knapp vier Wochen fit sein muss.

Schwer wird er, der Halbmarathon beim Münchner Stadtlauf. Ein einziger Blick auf meine Waage genügt, um das zu erkennen. Als Schwergewichtsboxer würde ich mühelos durchgehen aber nicht als wieselflinker Läufer. Keine Frage, von dem Hüftgold, das ich herumschleppe, muss unbedingt etwas weg. Weißbier und Schweinshaxen sind gestrichen. „Und das nennst du Leben, das macht doch keinen Spaß“, ätzt mein innerer Schweinehund. „90 Kilo Lebendgewicht durch den Englischen Garten zu wuchten, macht garantiert auch keinen Spaß“, kontere ich und kämpfe gegen alle Anfälle von Fleischeslust.

Gemüse und Obst lösen die obligatorische Leberkäs-Semmel ab. Auch mein exzessiver Milchkonsum ist gesunken – Bayerns Milchbauern mögen mir verzeihen. Wer sich wie ich regelmäßig mit Genuss einen Liter Frischmilch rein pfeift, nimmt trotz der Rennerei kein Gramm ab.

Was mir am meisten fehlt, ist moralische Unterstützung. „Geht jemand mit mir Laufen“ – ein kühne Frage, die in meiner Familie so endet: die Zimmertüren der Kinder schließen sich und selbst der Hund sucht Schutz unterm Tisch.

"Sorry, aber meine Schulter zwickt", reden sich die Freunde raus

Bleiben noch die Freunde. Die helfen einem immer – nur nicht unbedingt beim Lauftraining: „Sorry, aber meine Schulter zwickt“, sagt der eine. „Unmöglich, zu viele Termine“, wiegelt ein anderer ab. Nur einer ist zur Stelle: Carsten, wie ich ein Mitvierziger, kämpft er verbissen gegen das Gesetz der Schwerkraft; dagegen, dass das Gesäß eines Tages auf Höhe der Kniekehle baumelt. Familie hin, Job her - seit ein paar Wochen treffen wir uns regelmäßig im Englischen Garten und drehen unsere Runden: ganz gemütlich, eine Stunde traben. Zehn Kilometer, nicht mehr.

Nach ein paar Trainingsrunden überkommt mich der Verdacht, dass mein innerer Schweinehund und Petrus unter einer Decke stecken: Mal ist es mit fast 30 Grad heiß wie in der Sahara, dann wieder schwül wie im Dschungel von Borneo und am nächsten Tag so kalt, dass die Zähne klappern und das sogar im Takt der pfeifenden Lunge. Die Beine sind bleischwer. Das einzige, was fliegt, ist der Puls. Ich keuche bei der kleinsten Steigung, als gelte es, die Zugspitze hochzulaufen. Keine Spur von diesem sagenhaften Glücksgefühl, der Woge aus Endorphinen, die einen über jedes Tief hinwegträgt.

Höchste Zeit, das Pensum zu steigern und sich an die 21 Kilometer heranzutasten. Die Test-Strecke ähnelt allerdings mehr einem Martyrium als einem Halbmarathon: drei wunderbare Biergärten, der Chinaturm, der Aumeister und der Hirschgarten liegen am Weg – das ist mehr, als ein willensschwacher Couchpotato wie ich alleine zu schultern vermag.

Harmlos beginnen wir am Haus der Kunst, traben am Monopteros vorbei, biegen ab in Richtung Chinaturm – die erste große Herausforderung. Mit vereinten Kräften gelingt es tatsächlich, allen Versuchungen zu widerstehen. Statt einem kühlen Weißbier gibt’s nur einen Schluck lauwarmes Wasser aus einer Plastikpulle. „Dann lieber tot umfallen“, flüstert mir jemand ins Ohr. Ich bin ich mir nicht sicher, ob mein Kumpel laut gedacht hat, oder ob es der innere Schweinehund war, der sich zu Wort gemeldet hat.

Aufgeben? Zu zweit nicht so einfach

Im rechten Knie zwickt es plötzlich. Normalerweise der ideale Vorwand, die Trainingsrunde vorzeitig abzubrechen. Doch wenn man zu zweit läuft, ist das nicht so einfach. Wer gibt sich schon gerne die Blöße und macht als erster schlapp?

Am Eisbach liegen ein paar Nackerte in der Sonne. „Nur schnell a bisserl Farbe tanken“, lockt mein innerer Schweinehund. Doch so leicht ist ein Jogger nicht vom Pfad der Tugend abzubringen. Wir laufen stur weiter, über die Isar in Richtung Aumeister.

So langsam beschleichen mich leise Zweifel, ob es sinnvoll war, meinem Kumpel die Wahl der Strecke zu überlassen: Das Klirren von Maßkrügen und der Duft von frisch gebratenem Händl zieht mir in die Nase. Mein Magen knurrt wie ein Kettenhund. „Sixt, des kommt von dem Hasenfutter“, höhnt mein innerer Schweinehund.

Als Odysseus damals bei den Sirenen vorbeisegelte, ließ er sich am Mast festbinden. Mir hilft das nix. Mit so einem Trumm wäre die Lauferei eine noch größere Schinderei.

Schnell raus aus dem Biergarten

Der Gedanken an die Hirschau verleiht meinen Füßen Flügel. Dort, haben wir ausgemacht, gibt’s für jeden eine Halbe – Wasser selbstverständlich. Noch bevor uns Bratwürstl und Kartoffelsalat gefährlich werden können, verlassen wir den Biergarten.

Es geht zurück zum Chinaturm. Mit schlafwandlerischer Sicherheit finden die Beine wie von selbst den Weg. Sogar das Tempo lässt sich noch ein bisserl steigern. Plötzlich sind sie da, die Glücksgefühle. Ich weiß nicht, ob’s an den Endorphinen liegt oder schlicht an der Vorfreude auf ein Weißbier – egal. Die Generalprobe ist geschafft. Stadtlauf, ich komme.

Ralph Hub

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