Der Münchner Ausländer-Report
Jeder vierte Münchner ist inzwischen Ausländer. Deren Chancen auf eine gute Bildung und Arbeit werden besser, zeigt der neue Integrationsbericht. Trotzdem gibt es noch reichlich zu korrigieren
München - Ohne Zuwanderung, würde diese Stadt gar nicht funktionieren. Ob in Kliniken oder in der Pflege, im Handel oder im Handwerk – in vielen Branchen ließe sich der Betrieb ohne Ausländer und Migranten gar nicht aufrecht erhalten. „Wir brauchen Zuwanderung“, sagt Bürgermeisterin Christine Strobl (SDP).
Aber nicht nur wegen der Arbeitskräfte, sondern auch weil München als Weltstadt „eine kulturelle Vielfalt lebt“. Und das gerne: Fast 90 Prozent der Münchner fühlen sich im interkulturellen Zusammenleben der Stadt wohl. Das ist eines der Ergebnisses des zweiten Interkulturellen Integrationsberichts der Landeshauptstadt, der am Freitag im Rathaus vorgestellt wurde.
Der Bericht zeigt, dass in München viel erreicht wurde, um Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund ins Stadtleben zu integrieren. Doch es gibt auch noch große Baustellen. Die AZ zeigt die Erfolge der Politik – und wo es noch hapert:
Die Zuwanderung steigt. Dass immer mehr Menschen in München leben, liegt vor allem an Zugezogenen aus dem Ausland. Lag der Anteil der Ausländer in München im Jahr 2009 noch bei 22 Prozent, sind es 2012 schon 25 Prozent. Insgesamt 354.000 Ausländer leben hier. Weitere 14 Prozent der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund. In den letzten fünf Jahren stieg der Zuzug aus dem Ausland um 72 Prozent. Der größte Teil der Zuwanderer stammt aus der Türkei, insgesamt leben aber Menschen aus 182 Nationen in München. Die meisten Ausländer leben in den Vierteln Milbertshofen-Am Hart und Schwanthalerhöhe.
München braucht Zuwanderer. Denn es mangelt an Fachkräften. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat für die Region München eine Lücke von 100.000 Stellen ausgerechnet, die nicht besetzt werden können. Gerade in den Bereichen Erziehung, Medizin, Pflege, Handel und Handwerk sowie in vielen anderen Dienstleistungsbranchen werden Arbeitskräfte aus dem Ausland dringend gebraucht.
Arbeitslosigkeit ist ein Problem. Obwohl viele Stellen offen sind, bekommen viele Zuwanderer sie oft nicht. Das liegt häufig an mangelnden Deutschkenntnissen, fehlenden Abschlüssen oder daran, dass ausländische Abschlüsse und Ausbildungen nicht anerkannt werden. Deshalb bleibt vielen nur ein schlecht bezahlter Hilfsjob. Wenn überhaupt. Ausländer sind in München doppelt so häufig arbeitslos wie Deutsche. Sie landen sogar dreimal so oft in der Armut. Um das zu verhindern, gibt es im Kreisverwaltungsreferat und im Sozialreferat verschiedene Service-Stellen, die etwa zu Weiterbildungen oder Unternehmensgründungen beraten.
Förderung muss früh beginnen. Schon bei der Kinderbetreuung gibt es Defizite. Zwar besucht fast die Hälfte der Drei- bis Sechsjährigen mit Migrationshintergrund einen Kindergarten. Doch bei den Null- bis Dreijährigen sieht es anders aus: Nur knapp ein Drittel hat einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte. Dabei wäre gerade die frühe Integration wichtig.
An den Schulen tut sich was. Konnten 2007 nur 26 Prozent der ausländischen Kinder auf ein Gymnasium wechseln, schafften es 2011 bereits 32 Prozent. Bei deutschen Kindern ist die Quote allerdings fast doppelt so hoch (60 Prozent). Außerdem werden ausländische Kinder häufig später eingeschult. Ein weiterer Erfolg ist aber, dass es weniger ausländische Schulabbrecher gibt: Waren es 2003 noch fast 20 Prozent, sank die Quote bis 2010 auf 12,6 Prozent.
Es hakt oft in der Ausbildung. Zwar gab es 2012 statistisch für jeden suchenden Jugendlichen zwei mögliche Ausbildungsplätze. Trotzdem kriegen viele Jugendliche mit Migrationshintergrund keinen. Sie landen häufig im „Übergangssystem“ und machen Berufsvorbereitungsjahre, Lehrgänge oder Praktika. 16,8 Prozent der ausländischen Jugendlichen kommen nur über diesen Umweg in einen Beruf. Bei deutschen Jugendlichen sind es bloß 3,7 Prozent.
Auch Flüchtlinge wollen arbeiten. Derzeit leben etwa 16.500 Flüchtlinge in München, in diesem Jahr werden rund 2500 weitere erwartet. Die Stadt will ihnen nicht nur eine Unterkunft bieten, sondern auch eine Perspektive geben, heißt es im Integrationsbericht. Bürgermeisterin Christine Strobl wünscht sich, dass „das Potenzial der Flüchtlinge erkannt und gefördert wird“.
Die Stadt will ein Vorbild sein. 2013 hatten bereits 19,3 Prozent der städtischen Azubis einen Migrationshintergrund. Der Anteil der Migranten in städtischen Gesellschaften ist in den letzten drei Jahren von 26,9 auf 32,8 Prozent gestiegen. In den letzten drei Jahren haben 5700 Beschäftige der Stadt interkulturelle Fortbildungen gemacht.
Vielfalt ist erwünscht. Für die Studie hat die Stadt sowohl Deutsche als auch Ausländer in München gefragt, wie sie das interkulturelle Zusammenleben in der Stadt bewerten. Knapp 90 Prozent fühlen sich darin wohl. Allerdings wurde auch danach gefragt, ob Bürger Erfahrungen mit Benachteiligungen gemacht haben. Hier fühlen sich Ausländer in allen Bereichen stärker benachteiligt, nicht nur in der Schule und am Arbeitsmarkt, sondern etwa auch bei der Wohnungssuche. Allerdings sind – je nach Bereich – 85 bis 94 Prozent der Migranten in München der Meinung, gar nicht benachteiligt zu sein. Deutschlandweit sind das nur 76 bis 90 Prozent.