Der Liebe wegen: Münchner Dult-Legende gibt Museumsstand auf

München - Gastronom, Bankkaufmann, Händler, Landwirt. Paul Eichinger ist ein Mann mit vielen Talenten. Mit der AZ blickt er im Biergarten hinterm Stadtmuseum in die Vergangenheit – und in die Zukunft.
AZ: Herr Eichinger, wie lange handeln Sie eigentlich schon mit Gegenständen?
PAUL EICHINGER: Sehr schön gesagt, mit Gegenständen!
Warum?
Das trifft es gut. Weil eben jedes Objekt eine Geschichte zu erzählen hat. Unabhängig vom Wert.
Und die Antwort?
Seit 1974 handele ich. Da war ich 32.
Wie kamen Sie dazu?
Es war eine unkomplizierte Möglichkeit, sich selbstständig zu machen. Eigentlich bin ich ausgebildeter Bank- und Hotelfachmann. Ich lernte bis Mitte der 60er unter anderem bei der Deutschen Bank. Früher war das erste Sahne, heute muss man sich ja fast genieren.
Sind Sie eigentlich gebürtiger Münchner?
Ja, meine Mutter ist auch Münchnerin. Aufgewachsen bin ich auf dem Land, in Dornhaslbach. Das gibt es nur ein Mal in ganz Deutschland.
Nach 17 Jahren: Stand-Aufgabe der Liebe wegen
Sie waren 33 Jahre auf der Dult, von 1982 bis 2015. Gleichzeitig eröffneten Sie vor 17 Jahren Ihren Stand im Stadtmuseum. Warum geben Sie ihn auf?
Wegen der Liebe.
Wie meinen Sie das?
Mein Stand-Partner im Stadtmuseum hat sich verliebt. In eine Südkoreanerin. Bald lebt er in Südkorea. Und alleine kann ich den Stand nicht betreiben. Ich verbringe die Zeit lieber mit meiner Frau und stehe ihr zur Seite. Sie ist etwas krank.
Sie sind Händler, Bankkaufmann und Hotelfachmann. Haben Sie weitere Talente?
Wie nennt man so etwas ... sagen wir, ich bin lange Jahre auch Nebenerwerbslandwirt gewesen.
Was bauten Sie an?
Braugerste, Mais, Weizen, Raps...
Hören Sie jetzt endgültig auf als Händler?
Nein, ich habe noch einen Traum. 33 Jahre Dult bedeutet ja, dass ich auf 99 Dulten gewesen bin. Und ich würde unheimlich gerne noch die hundertste Dult mitmachen, mit einem festen Holzstand der Stadt. Das wäre eine runde Sache.
Was wollen Sie dort alles anbieten?
Da muss ich ein wenig ausholen. Ich hatte nämlich auch schon einige Ausstellungen. Eine meine erfolgreichsten war 1989. Ich stellte in der Galeria Di Belli Arti in der Leopoldstraße die Ladenhüter aus, die sich von 1974 bis 1989 angesammelt hatten. Der Titel: "Dinge, die keiner haben wollte."
Eichinger: "Jeder Mensch ist entweder Sammler oder Jäger"
Und die verkauften sich dann alle?
Nein, nicht alle. Aber es war ein tolles Konzept. Und ich habe zum Beispiel einen Damensattel und einen Sanskrit-Text nach Baden-Württemberg verkauft, weil sich nach einem Radio-Interview mit dem SWR Interessenten meldeten.
Wie viel hat sich dann verkauft?
Etwa 50 Prozent der Gegenstände waren danach weg.
Was hat Ihnen mehr Spaß gemacht, die Auer Dult oder der feste Stand im Stadtmuseum?
Ich habe beides wirklich sehr gerne gemocht. Aber die Auer Dult habe ich gerne aufgegeben, weil dort über die Jahre die Käuferschicht immer kleiner wurde. Die alten Sammler mit all dem Wissen, die auch Uni-Vorträge halten könnten, sie wurden immer weniger: Der Herr Obermeier mit den Motivalien kam nicht mehr, der Herr Sieber mit den Heiligenbildchen, der mit den vielen Uhren ... von Jahr zu Jahr weniger. Was sammeln Sie eigentlich?
Ich? Hmm, was sammle ich...
Ja, bitte sagen Sie mir etwas! (klatscht voller Vorfreude auf die Antwort mehrmals in die Hände).
Äh, ich glaube, ich bin mir ziemlich sicher: nichts.
Dann sind Sie Jäger.
Ach ja?
Jeder Mensch ist entweder Sammler oder Jäger. Jeder. Das sind die Urtriebe der Menschen. Und wissen Sie, was primitive Menschen sammeln?
Jetzt bin ich gespannt.
Geld.
Eichinger: "Kürzlich habe ich einen Mühlstein gekauft"
Weil es nicht stinkt?
Ja. Wann waren Sie das letzte Mal im Stadtmuseum?
Kann ich nicht sagen. Ich war kürzlich im Deutschen Museum.
Da ist doch zur Zeit diese sensationelle Kaffee-Ausstellung. Die muss toll sein. Mit der kleinsten Kaffeemaschine der Welt, die nur einen Tropfen Kaffee macht. Herrlich spannend.
Mit welchen Gegenständen handeln Sie am liebsten?
Fangen wir mit dem letzten Gegenstand an, den ich gekauft habe: ein Mühlstein.
Was hat denn so ein Mühlstein zu erzählen?
Sehr viel. Mühlsteine waren Teil der mittelalterlichen Gerichtsbarkeit. Bei Todesstrafen hängte man ihn um den Hals und ertränkte die Person. Und es ist übrigens ein relativ häufiger Name in der jüdischen Gemeinde. Mich hat vor drei Jahren ein Herr Mühlstein angerufen.
Was wollte er von Ihnen?
Ich fragte ihn, wie komme ich zu der Ehre? Er sagte, Herr Eichinger, Sie wurden mir empfohlen. Seine Tochter ist die einzige Rabbinerin Londons.
Und Herr Mühlstein hat Ihnen dann einen Mühlstein verkauft?
Nein. Aber seither wollte ich mir einen Mühlstein kaufen. Und das habe ich kürzlich getan. Er ist wunderschön bearbeitet.
Eichinger: "Der Spaß auf Dult nahm mit der Zeit leider ab"
Wie alt ist der?
Ich schätze 16. Jahrhundert. Aus der Region München.
Was ist so etwas wert?
Tja, die Relation der Werte ... Sie können heute eine Barock-Kommode um 1.500 Euro kaufen. Aber vor 30 Jahren hat sie 15.000 Mark gekostet. Oder nehmen wir Kunstgegenstände, Münchner Schule zum Beispiel. Letztens war ein Wenglein auf dem Markt.
Ein Wäglein?
Nein, ein Werk von Wenglein, Maler der Münchner Schule.
Verzeihen Sie mein Unwissen.
Ich bring es Ihnen schon noch bei (lacht). Sie könnten schließlich mein Sohn hoch drei sein.
Mein Vater ist auch ähnlich alt wie Sie. Aber jetzt haben Sie die Frage immer noch nicht beantwortet. Was hat mehr Spaß gemacht, Dult oder Stadtmuseum?
Der Spaß auf Dult nahm mit der Zeit leider ab. Die Gegenstände wurden eben immer weniger Wert. Der Verkauf von Antiquitäten brach ein.
Gibt es einen Gegenstand, den Sie niemals verkaufen würden?
Hmm. Ja. Eine Apotheke mit 111 Schubladen. Ein Nussbaumschränkchen. Von 1782. Die Schubladen sind alle gut gefüllt. Mein Objektlager.
Was haben Sie jetzt vor, ganz ohne regelmäßigen Handel.
Ich werde nie aufhören zu handeln. Ganz sicher nicht. Ich möchte eine weitere Ausstellung organisieren. Im Herbst oder nächstes Jahr. Sie wird Paul II heißen.
Und was stellen Sie da aus?
Zu Tode geliebte Kuscheltiere. Gstopft, gflickt, gnaht. Sagen Sie das mal.
Eichinger: "'Bares für Rares' ist perfekt gemacht"
Das ist mir jetzt zu schwierig.
Ich lade Sie jedenfalls zu der Ausstellung ein.
Ach ja, was ist denn jetzt dieser Mühlstein eigentlich wert?
Weiß ich nicht, ich könnte den natürlich bewerten lassen. Ein paar tausend Euro vielleicht. Aber das ist nicht so wichtig.
Was haben Sie damit vor?
Ich werde dessen Leben eruieren. Ist ja schon ziemlich alt. Handbearbeitet. Farbe geht Richtung Salzburger Marmor. Hochinteressant. Das macht mir Spaß.
In so vielen Jahren sind Sie bestimmt auch interessanten Menschen begegnet, nicht nur Gegenständen.
Ja. Jetzt habe ich leider mein Gästebuch nicht da. Da hat sich auch Herr Ude verewigt.
An welche Personen werden Sie sich erinnern?
Ich habe letztens jemanden kennengelernt, der mir stundenlang von Georgien vorgeschwärmt hat. Sehr spannend. Kleines Land, gute Küche. Haben Sie einen Bezug nach Georgien?
Mein Automechaniker hat eine georgische Frau.
Sagen Sie, er soll seiner Frau ausrichten: Gamarjoba.
Was heißt das?
Guten Tag.
Eichinger: "Ich habe die bedeutendste Teppichklopfer-Sammlung Deutschlands"
Ist es also ein Reiz in Ihrem Gewerbe, so viele internationale Bekannte zu haben?
Das kann man so sagen. Man kommt ins Gespräch.
Was halten Sie eigentlich von der Sendung Bares für Rares?
Ich schaue mir lieber Kunst und Krempel an. Ich kenne die Experten, die dort teilnehmen. Aber Bares für Rares, ich muss sagen, das ist perfekt gemacht. Zudem ist die Sendung vielleicht ein kleiner Impuls, um den Markt zu beleben.
Ganz offensichtlich sind Sie ja Sammler. Was sammeln Sie denn alles?
Massagegeräte, Menükarten – oder Teppichklopfer zum Beispiel. Sie können nur per Hand geflochten werden, nicht maschinell. Alle sehr individuell. Ich glaube, ich habe die bedeutendste Teppichklopfer-Sammlung Deutschlands. Mittlerweile über 200 Unikate.
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