"Der letzte Schritt mit dem Tier gehört dazu"

Hellabrunns Giraffe Kabonga († 22) ist am Freitag eingeschläfert worden. Nun wird sie obduziert. Die leitende Tierärztin des Tierparks erklärt in der AZ, welche Schlüsse man aus den Untersuchungen ziehen kann und was mit dem Körper danach passiert.
Anja Perkuhn |
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Giraffe Kabonga († 22) mit Naledi – einem der zehn Jungtiere, die sie geboren hat.
Giraffe Kabonga († 22) mit Naledi – einem der zehn Jungtiere, die sie geboren hat.

Hellabrunns Giraffe Kabonga († 22) ist am Freitag eingeschläfert worden. Nun wird sie obduziert. Doktor Christine Grohl, leitende Tierärztin des Tierparks, erklärt in der AZ, welche Schlüsse man aus den Untersuchungen ziehen kann und was mit dem Körper danach passiert.

AZ: Frau Dr. Gohl, Sie haben Kabonga am Freitag eingeschläfert. Warum?

CHRISTINE GOHL: Das war keine leichte Entscheidung, wir haben sie sehr, sehr gut überdacht und dann gemeinsam beschlossen, Kabonga von ihrem Leiden zu erlösen. Sie hatte sich innerlich zurückgezogen, wir haben sie nicht mehr in die Gruppe zurückbekommen. Sie konnte täglich schlechter laufen, ist mit den anderen nicht mehr mitgekommen. Ich begleite die Tiere hier seit 13 Jahren, und dazu gehört auch der letzte Schritt.

Und warum obduziert man ein Tier, von dem man weiß, warum es gestorben ist?

Ihre Todesursache kenne ich natürlich. Aber jedes Tier von uns, das stirbt, wird so untersucht. Ich weiß, dass sie Altersprobleme hatte, Gelenkprobleme – ich weiß aber nicht, ob sie zum Beispiel vielleicht noch einen Tumor hatte. Das ist für uns also extrem wichtig. Sie wird in der Tierpathologie der Ludwig-Maximilians-Universität München untersucht.

Worauf werden die Tierärzte da besonders achten?

In der Regel kann ich aus Zeitgründen bei der Obduktion nicht dabei sein, sowas braucht mehrere Stunden. Deshalb bekommen die Tierärzte von uns einen Vorbericht darüber, was mit dem Tier war und was wir abseits der standardpathologischen Untersuchung noch geprüft haben wollen.

Was ist das bei Kabonga?

Für uns extrem wichtig ist die Gelenkuntersuchung, um genau zu wissen, was das Problem war. Die Gebärmutter wird auch genau untersucht – sie hatte ja viel Nachwuchs, zehn Junge hat sie geboren. Und bei einem alten Tier wie Kabonga, mit 22 Jahren, ist der Zahnstatus wichtig. Sie hatte einen schlechten Ernährungszustand, obwohl sie in den vergangenen Wochen viel gefressen hat. Das kann daran liegen, dass ihre Zähne sehr abgenutzt waren, oder an einer Infektion.

Was lernt man daraus?

Ich weiß jetzt schon, dass es nicht an den Zähnen lag. Eine genauere Untersuchung der Gelenke wird zeigen, ob es noch andere Ursachen für ihre Lahmheit gab. Das hätten wir auch untersuchen können – eine Narkose ist bei einem alten Tier aber nicht immer sinnvoll, sondern ein hohes Risiko. Und vielleicht finden sie einen Hinweis, der für unsere anderen Tiere wichtig wäre, zum Beispiel ein Hinweis auf eine Infektion. Und wenn man ein Jungtier obduziert und Missbildungen findet, muss man die Zuchtlinie noch einmal prüfen.

Was ist das Besondere an einer Giraffen-Obduktion?

Löwen, Affen, Elefanten – Untersuchungen für uns entsprechen nie der Norm. Eine Giraffe hat zum Beispiel die selbe Anzahl Halswirbel wie wir, nur sind die gigantisch. Da staunt man schon. Aber daran ist das Institut gewöhnt, die Fachleute dort sind Profis. Und ich schicke da eine Giraffe auch nicht ohne Voranmeldung hin.

Was geschieht danach mit dem Körper? Viele haben noch die Bilder im Kopf aus einem Zoo in Kopenhagen, wo die Giraffe Marius öffentlich obduziert und dann an die Raubtiere verfüttert wurde.

Die Öffentlichkeit hat da oft eine völlig falsche Vorstellung. Am Ende einer Obduktion gibt es kein Tier mehr, das verfüttert wird. Das wird alles der Verbrennung zugeführt.

Was war das dann stattdessen in Kopenhagen?

Was dort gezeigt wurde, war keine Obduktion, sondern eine Fleischbeschau, wie sie zum Beispiel auch mit einer Schlachtkuh gemacht wird. Man muss ja sicherstellen, dass das Fleisch zum Verzehr geeignet ist – egal ob für Mensch oder Tier. Bei uns ist es aber nicht die Politik, solch große Tiere zu verfüttern. Wir haben die tolle Möglichkeit, seit Jahrzehnten mit der Universität zusammenzuarbeiten. Mit der Untersuchung kontrollieren wir nachträglich alles, was wir tun – Fütterung, Haltung, Reproduktion, Entwurmung, Impfungen. Meine tägliche Arbeit wird dadurch noch einmal überprüft. Die Erkenntnisse aus einer Obduktion sind für mich als Tierärztin das Wichtigste.

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