Der letzte Ausverkauf
MÜNCHEN - Ende März schließt Karstadt am Dom. Die Kunden Freude sich über Rabatte bis zu 85 Prozent – und die Mitarbeiter sind traurig.
Des einen Freud’ ist des anderen Leid. Ein Sprichwort, das die Lage im Karstadt am Dom gut beschreibt. Während Minute für Minute Schnäppchenjäger in den Laden strömen, schleichen viele Mitarbeiter bedrückt durchs Haus. Sie haben ja auch nichts zu lachen. Das Traditionskaufhaus in der Fußgängerzone macht zu. Wenn die Ware raus ist, soll der Plattenbau der Schörghuber-Gruppe abgerissen werden.
Eine edle Espressomaschine für 1250 statt 1990 Euro. Eine Digitalkamera für 240 statt 350 Euro. Oder einen Meter Stoff für läppische 3 Euro statt vorher 20. All’ das ist in dem Kaufhaus im Moment drin. Die Mitarbeiter wird das grassierende Schnäppchenfieber weniger Freude. Offen über ihre Wut und Enttäuschung reden dürfen sie allerdings nicht. „Es ist schlimm genug“, sagt eine Verkäuferin mit wässrigen Augen. Dann räumt sie weiter Waren um. Das Geschäft muss ja weitergehen – seit Dienstag läuft der Räumungsverkauf.
Viele Regale sind schon leer und abgebaut. Als erstes waren die Bereiche Multimedia, Elektro, Leuchten und Tischwäsche dran. Ab Mitte kommender Woche gibt es 30 Prozent Nachlass auf Uhren und Schmuck. „Wir wollen Stockwerk für Stockwerk abverkaufen“, sagt Thomas Schulz, Sprecher des Essener Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg.
Der vierte Stock soll als erster leer sein. Hier ist die Multimedia-Abteilung angesiedelt, ein Bereich, in dem sich Karstadt in Zukunft „nicht mehr so stark engagieren“ wolle. „Im vierten Stock wird niemand übernommen. Das haben mir Angestellte erzählt“, sagt Axel Vogt. Er ist früher oft hier gewesen und jetzt gekommen, um eine Digitalkamera zu kaufen. Der Münchner bekommt sie für 239 Euro. Macht 100 Euro Ersparnis. „Mich interessiert, was mit den Leuten ist, auch wenn man viel sparen kann“, sagt er.
Ein paar Regale weiter steht Wolfgang Schreiber. In ein paar Wochen fliegt er nach Mexiko und die Büchermängelexemplare sind um 50 Prozent reduziert. Statt 7,50 zahlt er für die Landkarte 3,75 Euro. „Das ist schon schön“, sagt er. Und wirkt trotzdem nachdenklich. Der Karstadt am Dom ist für den 66-jährigen Rentner mehr als nur ein Geschäft. Es ist für ihn auch eine beständige Anlaufstelle. „Wirklich schade, dass hier zugesperrt wird. Ich bin immer gerne vorbeigekommen, um zu sehen, was es Neues gibt.“
Doch Neues wird es in Zukunft nicht geben. Von den 157 Beschäftigten sind 87 in Karstadt-Filialen untergekommen oder haben einen anderen Job gefunden. „Die 70 übrigen haben das Angebot bekommen, bis Herbst in eine Transfergesellschaft zu wechseln“, sagt Schulz. Und die Stammkunden? Das Unternehmen hofft, dass viele zu Oberpollinger gehen. Ob das gelingen wird, muss die nahe Zukunft zeigen. Denn: „Die haben doch ganz andere Sachen“, meint etwa Kunde Wolfgang Schreiber. Alfred Ament, Geschäftsführer vom Karstadt am Dom, will Abhilfe schaffen. „Wir versuchen, viel von unserem Sortiment wie Stoffe, Uhren, Schmuck und Schreibwaren im Oberpollinger zu integrieren. Kunden, die gerne zu uns gekommen sind, werden dort vieles wiederfinden.“
Bis 20.März soll im Karstadt am Dom alles abgewickelt sein. An diesem Tag startet Wolfgang Schreiber in den Mexiko-Urlaub. Mit seiner neuen Landkarte. Wie gesagt: Des einen Freud’, des anderen Leid. Verena Duregger
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