Der Klatten-Erpresser und der "Pate": Die Jagd auf Ernani Barretta
MÜNCHEN/PESCARA - Ein Multimillionärs-Ehepaar gerät per Zufall in Kontakt mit Verbrechern, bringt einen in den Knast und findet den Drahtzieher. Die Hauptdarsteller: Konsul Hans-Hermann Weyer, seine Frau Christina – und der Barretta-Clan.
Mit Spannung erwartet das Jet-Set-Paar mit Hauptwohnsitz Rio de Janeiro den Prozessbeginn gegen Ernani Barretti am Dienstag im italienischen Pescara. Der „Pate“ soll seinem Jünger Helg Sgarbi die Erpressung von Susanne Klatten befohlen und die üblen Sexfallen gelegt haben, in auch weitere Frauen reihenweise tappten. Der „Heilsbringer“ aus dem Abruzzendorf Pecosansonesco zog die Fäden im Hintergrund – und kassierte.
Hans-Hermann und Christina Weyer hegen daran nicht den geringsten Zweifel: „Seine Anhänger sind ihm noch immer hörig. Und wer es geschafft hat auszusteigen, hat immensen Schiss.“
In Kontakt mit der Barretta-Sippe kamen der Titelhändler und die Ärztin schon 2001 über Helg Sgarbi. Er hatte sich an das Ehepaar Weyer und an eine Freundin des Paares herangemacht, ihr Unsummen abgeschwatzt. Er wollte die damals 83-Jährige Multimillionärin sogar heiraten. Ein Plan, den Weyers vereitelten: Sie warnten die Gräfin mit Nachdruck vor einem unüberlegten Schritt. Mit Erfolg.
Sechs Monate wegen versuchter Erpressung
Als Sgarbi auch Weyers unter Druck setzte, gingen sie zur Polizei. Sechs Monate Haft wegen versuchter Nötigung kassierte der Erpresser. Das war die Grundlage für das Urteil im Fall Klatten: Der Täter war einschlägig vorbestraft.
Wie ein Puzzle hatte das Ehepaar zuvor Sgarbis Sünden zusammen getragen: Hier eine Schweizer Unternehmerin, der er eine Million Franken abgeschwatzt hatte. Dort eine deutsche Anwalts-Gattin, die er um 20 000 Mark erleichtert hatte. „Die war ein Fall für die Nervenklinik, sie hat gezittert, wenn nur sein Name genannt wurde“, sagt Hans-Hermann Weyer. Eine reiche Engländerin, immer mehr deutsche Opfer – den Weyers wurde immer klarer, in welches Wespennest sie gestochen hatten. Und wer die Fäden zog: Ernani Barretta.
Helg Sgarbis Schwester bestätigte den intensiven Kontakt ihres Bruders mit dem italienischen Guru. Der habe Helg angesprochen, als der noch studierte. Und schon sei’s um ihn geschehen gewesen. Auch bei Sgarbis geschiedener Frau recherchierten der Titelhändler und die Ärztin über die verhängnisvolle Verstrickung mit Barretta. Sie sagte: „Er ist fest in seinen Fängen.“ Sogar in Pecosansonesco hörte sich das Ehepaar um – unter Polizeischutz.
Barrettas Anwalt vertrat auch schon Berlusconi
Unglaublich finden die „Privat-Ermittler“, dass Barretta nur wenige Wochen vor Verhandlungsbeginn aus der U-Haft entlassen wurde (AZ berichtete). Weniger verwundert sind sie darüber, dass er sich einen absoluten Top-Anwalt leisten kann: „Carlo Taormina hat schon Andreotti und Craxi vertreten – und Berlusconi. Für den saß er sogar im Kabinett.“
Denn Geld spielt offenbar keine Rolle für den Guru – das Geld von Sgarbis vielen Opfern und der anderen Barretta-Jünger?
Rudolf Huber