Der Kater nach dem Kessel
Katerstimmung nach dem verpatzten Faschingsendspurt – tausende Narren sind sauer, weil sie von der großen Party am Viktualienmarkt ausgesperrt wurden. Doch alle wollen alles richtig gemacht haben.
MÜNCHEN Die Polizei hatte den Viktualienmarkt aus Sicherheitsgründen komplett abgeriegelt.
„Es war ein Trauerspiel“, sagt Christine Hirschauer, Sprecherin der Standlbesitzer am Viktualienmarkt. „Wir haben viel Arbeit in die Vorbereitungen gesteckt und mussten dann zusehen, wie eine Menge Leute nicht reingelassen wurden.“ Die Sicherheitsbehörden hätten überreagiert, hieß es am Aschermittwoch hinter vorgehaltener Hand. 2007 waren es deutlich mehr Leute, aber niemand sei deshalb auf die Idee kommen, alles abzuriegeln.
Ude: Frage, ob es so restriktiv gehandhabt werden musste
Selbst Oberbürgermeister Christian Ude zeigte sich gestern unzufrieden: „Die Sicherheitsstrategie war richtig“, sagt er. Doch er merkt an: „Die Frage ist, ob es so restriktiv hätte gehandhabt werden müssen.“
Zwar ging es rund um den Maibaum und auch am Show-Turm von Radio Gong hoch her, weiter hinten im Bereich Frauen- und Westenriederstraße herrschte dagegen gähnende Leere. Trotzdem durften viele Faschingsfans nicht auf den Viktualienmarkt. Manche probierten es über Schleichwege. „Die Leute waren sauer“, erzählt Claudia Gandlgraber, Veranstaltungs-chefin der Schrannenhalle, „viele haben gehofft, dass sie über uns rüberkommen.“
Video-Trupps filmten renitente Narren
Doch das war pure Illusion. Um 12.38 Uhr riegelten Polizisten den Platz mit Absperrgittern ab. 14.29 Uhr öffnete die Beamten kurz. Als die Menschenmassen sie über den Haufen zu rennen drohten, wurde nach 19 Minuten dicht gemacht. Ununterbrochen kreiste am Himmel ein Hubschrauber. Unten am Boden hatte die Polizei Mühe, den Zorn der Faschingsfans zu dämpfen. Video-Trupps filmten renitente Narren – Bilder, wie man sie sonst nur von Demos kennt. Bilanz: Die Polizei nahm 29 Menschen fest bzw. notierte die Personalien. Wegen Widerstand, Beleidigung und Körperverletzung wurden 20 angezeigt.
Angesichts dieses verpatzten Faschingsendspurts blicken viele Münchner jetzt neidvoll in Richtung Rheinland: In Köln, Mainz und Düsseldorf feiern Millionen Karneval, ohne dass deshalb gleich der polizeiliche Notstand ausgerufen wird (siehe rechts).
In München drängelten sich am Dienstag zu Spitzenzeiten gerade mal rund 20000 Narren auf und rund um den Viktualienmarkt; weitere 25000 waren es nach Polizeiangaben zwischen Stachus und Marienplatz.
Polizei: "Wir waren nicht die Spaßbremse"
„Wir waren nicht die Spaßbremse“, verteidigt sich Polizeisprecher Wolfgang Wenger. Man habe die Auflagen des KVR umgesetzt. „Nur weil wir energisch eingegriffen haben, ist nichts passiert“, betont KVR-Vize-Chef Horst Reif. Vergleiche mit der Wiesn lässt er nicht zu. Reif: „Die Zelte werden dicht gemacht, draußen ist aber mehr Platz als auf dem Viktualienmarkt.“ Dort sei 2007 das Gedränge so groß gewesen, dass selbst Rettungskräfte nicht durchkamen. Am Dienstag waren es im Münchner Fasching insgesamt 86 Einsätze, sechs Mal mussten Notärzte ausrücken. 24 Narren kamen verletzt bzw. betrunken in Kliniken.
„Die haben Angst, dass etwas passieren könnte“, meint Ekkehard Pascoe, dessen Verein „Corso Leopold“ den Fasching ’09 auf die Leopoldstraße ziehen will. „Vielleicht sind jetzt alle übervorsichtig wegen des Wahljahrs“, glaubt Jan Erik Grell, Eventleiter bei Radio Gong. 2009 zieht die Gong-Party vielleicht zum Odeonsplatz. Der Münchner Fasching muss attraktiver werden, sagen alle Beteiligten, dann ist auch der Andrang beim Tanz der Marktweiber nicht so groß.
Ralph Hub