Der Kampf ums Leben

MÜNCHEN - Mal macht er sich eifrig Notizen. Mal winkt er seine beiden Verteidiger Adam Ahmed und Eva Gareis zu sich und flüstert ihnen etwas zu. Der mutmaßliche Doppelmörder Thomas S. (51) gibt sich als fleißiger Mitarbeiter vor dem Schwurgericht. Er versucht die schrecklichen Vorwürfe zu entkräften: Laut Anklage soll er in der Nacht zum 24. März 2011 seine beiden Nichten Sharon (†11) und Chiara (†8) in Krailling brutal ermordet haben.
Nun sagen Polizisten und Rettungskräfte, die nach der Tat vor Ort waren, als Zeugen aus. Wenn sie erzählen, geraten einige ins Stocken. Sie müssen ihre Tränen unterdrücken. Kriminalhauptkommissar Gerhard M. (47) vom Kriminaldauerdienst: „Ich war mit einem Kollegen vor Ort. Wir mussten das erste Tatortbild machen. Wir haben schon viel gesehen: Leute die sich erschossen haben, Brückenspringer – aber so etwas...“
Der Polizist macht eine Pause. Er holt tief Luft. Dann erzählt er: „Mein Kollege wollte plötzlich den Tatort verlassen. Ich sagte: ,Komm, Sepp, lass uns weitermachen.’“ Auch Rettungsassistent Josef H. (27) sagt aus. „Wir fuhren direkt nach Krailling. Die Situation war zu dieser Zeit unklar, wir dachten, es wäre ein Familiendrama. Polizisten sagten, wir sollen uns beeilen.“ H. kümmerte sich um die kleine Chiara im Dachgeschoss. „Das Kind lag in einer großen Blutlache. Es war relativ viel Blut für ein Kind in dem Alter.“
Polizeimeister Christoph B. (26) sei bereits bei dem Mädchen gewesen. „Ich habe ihn gefragt, ob die Reanimation noch Sinn macht. Wir haben zusammen versucht, das Kind wiederzubeleben.“ Der Sanitäter berichtet von Beatmungsversuchen. Aber die Luft sei aus tiefen Wunden im Hals des Kindes wieder entwichen.
Nach 20 Minuten – da waren Notärzte eingetroffen – wurde die Reanimation bei Chiara abgebrochen. Der Arzt Dr. Paul G. (67): „Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt. Um 6.20 Uhr war für mich mein Einsatz beendet.“ Der Angeklagte verfolgt diese Schilderungen offenbar ungerührt. Auch als Zeugen über den Tod von Sharon sprechen. Eine Rettungsassistentin sagt, sie habe mit der Reanimation begonnen, aber bemerkt, dass es sinnlos sei. Der Prozess wird am 30. Januar fortgesetzt.