Der Himmel ist heavy
Uriah Heep und Thin Lizzy spielen am Sonntag zusammen im Circus Krone.
Es mögen fast 40 Jahre ins Land gezogen sein, seit diese Gruppe ins Leben gerufen wurde. Aber auch 2008 rockt sie noch wie der Teufel. Der 61-jährige Mick Box ist nicht nur Gitarrist von Uriah Heep, sondern auch das letzte verbliebene Gründungsmitglied der Londoner Formation. Am Sonntag spielt die Band zusammen mit Thin Lizzy im Circus Krone. Es ist ein sonniger Nachmittag, wir fläzen auf dem Balkon des Büros der Promotionsfirma im Herzen von München, die zum Interview geladen hat. Mick Box und Bernie Shaw sind prächtiger Laune – nicht nur haben „Heep“ mit „Wake The Sleeper“ ihr erstes Studiowerk seit zehn Jahren vorgelegt, sondern auch das mit Abstand überzeugendste nach einer Reihe eher mauer Produktionen in den 90er Jahren.
AZ: Wie ist der Titel eures neuen Albums zu verstehen? Mit „Sleepern“ assoziiert man heutzutage ja weniger schlummernde Menschen, sondern eher „Schläfer“ unter radikalen Islamisten.
Mick BOX (lacht): Um Himmels Willen, wir haben selbstredend nur an müde Menschen gedacht! Das sieht man schon am Albumcover, darauf ist ein Buddha zu erkennen. Ich glaube, mit dem Herrn haben die Islamisten nicht allzu viel am Hut. Tatsächlich ist der Titel ein ironischer Aufruf an uns selbst. Nach zehn Jahren Plattenpause mussten wir uns in den Hintern treten und haben uns gegenseitig zugerufen: „Wacht auf, ihr Schlafmützen, und beweist der Welt, dass ihr noch ordentlich rocken könnt!“
Welchen Einfluss hatte euer Schlagzeuger darauf, dass „Wake The Sleeper“ sehr heavy ausgefallen ist?
BOX: Einen immens großen! Russell, der ja unter anderem schon mit Tony Iommi von Black Sabbath gearbeitet hat, besitzt einen grandiosen Bumms. Damit hat er vor allem mich, der ich für die meisten Kompositionen verantwortlich zeichne, stark beim Schreiben inspiriert. (lacht) Es war nicht der schlechteste Einfluss für einen alten Knacker, um sich wieder jung zu fühlen...
Freut Russell sich schon auf seine erste Tournee unter „Uriah Heep“-Banner?
BOX: Und wie! Aber mit dieser Vorfreude ist er nicht alleine. (grinst) Nur hat er das Problem, dass er als Einziger die alten Songs einüben muss. Denn unser Programm wird ungefähr zu einem Drittel aus aktuellem Material, der Rest aus den Klassikern der letzten knapp 40 Jahre bestehen. Mehr alten Stoff wird es allerdings nicht geben, denn Nostalgie halte ich für eine gefährliche Droge, die zu Lähmungserscheinungen führt.
Bernie, erinnerst du dich noch an deine Anfänge bei Uriah Heep? War es schwierig, das klassische Material der Band zu intonieren?
SHAW: Überhaupt nicht! Immerhin hatte ich unmittelbar vor meinem Einstieg bei Heep in einer Band gesungen, die zwei Coverversionen der Gruppe im Live-Programm hatte. (grinst) Ich war somit fürs Vorsingen gerüstet und habe den Job bekanntermaßen gekriegt.
Mick, du bist für beinahe alle Texte verantwortlich. Woher bekommst du beim Schreiben für gewöhnlich Inspiration?
BOX: Ich schmökere sehr viel, vor allem in Zeitungen und Magazinen. Das zentrale Thema der aktuellen Scheibe, hinter der übrigens kein durchgehendes Konzept steht, ist die Moderne mit ihrer Über-Technologisierung. Okay, auch ich nutze Computer, Internet und zeitgemäße Studiotechnik. Aber ich bin nicht ihr Sklave, wie viele, meist junge Leute. Mir bereitet diese Entwicklung hin zu immer mehr Technik große Sorgen, weil dadurch das Zwischenmenschliche immer weiter in den Hintergrund tritt. Diese Sorge drücke ich in einigen der aktuellen Lyrics aus.
Bernie, dein Job ist es, Micks zum Teil sehr persönliche Ansichten überzeugend zu singen. Ist das nicht manchmal schwierig ?
SHAW: Überhaupt nicht, weil ich mich mit Micks Stoff sehr gut identifizieren kann. (grinst) Und wenn mir, was selten vorkommt, ein Vers völlig gegen den Strich geht, verweigere ich meinen Einsatz. Wir sind schließlich ein lockeres Team, bei dem Gleichberechtigung alles bedeutet.
Wenn ihr Uriah Heep anno 2008 mit wenigen Begriffen umschreiben sollt, wie würde eure Definition ausfallen?
SHAW: Frisch, kernig, rockig und dabei dennoch völlig dem klassischen „Heep-Sound“ verpflichtet.
BOX: Genau, denn die Hammond-Orgel, die Wah-Wah-Gitarre, die heavy Riffs und die mehrstimmigen Gesangsharmonien – alles ist nach wie vor an Bord. Wir waren ja nie die absoluten Haudraufs in der Rock-Szene. Tief im Inneren sind wir Romantiker. Und ich denke, diesen Charakterzug hört man letztendlich irgendwie allen unseren Stücken an.
Michael Fuchs-Gamböck
Circus Krone, Marsstraße 43, Sonntag 20 Uhr, Eintritt: 30 bis 50 Euro
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