"Der Grüne Punkt gehört in die Tonne"

 Das finden Vertreter des Abfallwirtschaftsbetriebs in München. Warum sie das System für ökologisch wenig sinnvoll, zu teuer und intransparent halten – und wie der Gegenvorschlag aussieht.
von  Julia Lenders
Mancherorts landet der Plastikmüll in gelben Säcken. In München können die Menschen ihn an knapp 1000 Wertstoffinseln loswerden.
Mancherorts landet der Plastikmüll in gelben Säcken. In München können die Menschen ihn an knapp 1000 Wertstoffinseln loswerden. © dpa

Das finden Vertreter des Abfallwirtschaftsbetriebs in München. Warum sie das System für ökologisch wenig sinnvoll, zu teuer und intransparent halten – und wie der Gegenvorschlag aussieht.

 

MÜNCHEN Die Müllverwertung ist eine echte Wissenschaft. Daran kann kein Zweifel bestehen, wenn Helmut Schmidt vom Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) das komplizierte System erklärt. Wenn es nach ihm geht, sollte es dringend eine Vereinfachung geben: „Der Grüne Punkt gehört in die Tonne!“, fordert er. Ineffizient, teuer, intransparent – Schmidt fallen viele Gründe ein, warum der Grüne Punkt abgeschafft werden sollte.

Doch zuerst zum Hintergrund: 1991 wurde in Deutschland das „Duale System“ eingeführt. Dual deshalb, weil fortan nicht mehr allein die Gemeinden, sondern auch der Handel für die Beseitigung von Verpackungsmüll zuständig waren. Letztere Aufgabe teilen sich derzeit zehn private Anbieter.

In München werden die Wertstoffe, um die es dabei geht – etwa Flaschen, Tetrapacks oder Dosen – an knapp 1000 Wertstoffinseln gesammelt. Einen gelben Sack wie andernorts gibt es hier nicht. Die Stadt selbst ist dagegen für Restmüll, Bioabfall und Papier zuständig. Was soll nun schlecht sein an der Aufteilung? Die Argumente:

Ökologische Ineffizienz:

In den Anfangsjahren des Dualen Systems sind die Verpackungsabfälle weniger geworden. „Seit 2003 stieg ihre Menge jedoch wieder um 25 Prozent“, sagt der zweite AWM-Werkleiter Schmidt. Eine echte Fehlentwicklung.

Im Jahr produziert jeder Bürger rund 500 Kilo Kunststoff-Müll. Doch nur fünf Kilo davon, also gerade mal ein Prozent, werden tatsächlich recycelt. Der Rest wird verbrannt, womit zumindest Energie gewonnen werden kann.

Schlechte Arbeitsbedingungen:

Das Duale System ist laut AWM „Hauptverursacher für Lohndumping in der Entsorgungsbranche“. Bei Ausschreibungen wetteifern Privatfirmen um Aufträge. Wer das günstigste Angebot macht, gewinnt. Und wo kann am ehesten gespart werden? An den Lohnkosten. „Schluss mit dem Wettbewerb um die schlechtesten Arbeitsbedingungen!“, fordert Sigrid Pickhardt, Personalratsvorsitzende des AWM.

In Sortieranlagen seien Beschäftigte bisher zum Teil mit Stundenlöhnen von vier bis sechs Euro abgespeist worden. Mit der Folge, dass sie trotz Arbeit mitunter auf staatliche Hilfe angewiesen waren.

Teure Bürokratie:

Der Bürger bezahlt schon im Laden für die Entsorgung der Verpackungen – weil deren Hersteller seit Einführung des Dualen Systems Lizenzen kaufen müssen und die Kosten auf die Verbraucher umlegen. Wie viel Prozent vom Kaufpreis das ausmacht, ist völlig unklar.

Da aber ohnehin nicht zu überwachen ist, ob die Produzenten solche Lizenzen brav erwerben oder nicht, sind inzwischen bloß noch die Hälfte aller Verpackungen für den Grünen Punkt angemeldet.

Die Verwertung von Kunststoffen über die Privatanbieter des Dualen Systems kostet pro Tonne etwa 800 Euro. Würde man sich das Sortieren, Waschen und die gesamte Bürokratie sparen, wäre das Ganze viel billiger. Zum Vergleich: Der Restmüll, der verbrannt wird, verursacht Kosten von weniger als 200 Euro pro Tonne.

Was folgt aus all dem? Helmut Schmidt erklärt: „Eine ökoeffiziente Abfallwirtschaft kann nur mit den Bürgern und den Kommunen erreicht werden.“ Für die Münchner würde sich erst einmal nicht viel ändern, wenn der AWM künftig nicht nur für den Hausmüll, sondern auch für die Wertstoffinseln zuständig wäre. Nur eines vielleicht: Die verpackten Waren im Geschäft könnten dann etwas billiger werden – zumindest theoretisch.

 

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