Der große Münchner Drogen-Report
Die Razzien, die Umschlagplätze, die Hotspots und Tricks der Szene: 5910 Rauschgiftdelikte weist die Kriminalstatistik des vergangenen Jahres aus
München - In Münchner Drogenszene brodelt es. Die Zahl der Rauschgiftdelikte ist deutlich angestiegen, knapp 6000 waren es im vergangenen Jahr. Die Polizei sitzt Dealern und Konsumenten kräftig im Nacken. aus gutem Grund: 2011 starben bereits 19 Menschen an ihrer Sucht. Vor allem Cannabis und Kokain sind in München gefragt. Wer, wo was konsumiert, und was es kostet – der AZ-Drogenreport fasst zusammen.
Die Razzien
Mit einigen recht erfolgreichen Durchsuchungen haben Münchner Drogenfahnder für erhebliche Unruhe in der Szene gesorgt. Zuletzt stellte sie die Schwabinger Kneipe von Promiwirt Hugo Bachmaier auf den Kopf. (AZ berichtete). Ende Juni wurde der Club „Grinsekatze“ auf dem Optimolgelände gefilzt. Zwei Dealer und 19 Konsumenten gingen den Fahndern ins Netz. Dazu fanden die Beamten Koks, Ecstasy, Speed und Haschisch. „Ein Volltreffer“, kommentierte damals Armin Aumüller, Chef der Münchner Drogenfahndung die Aktion.
Die Umschlagplätze
Der Fahndungsdruck der Polizei lässt die Szene immer vorsichtiger werden. In Discos und Kneipen ist das Risiko hoch, erwischt zu werden. Immer öfter wechselt der Stoff auf Privatpartys oder im Schutz von Wohnungen den Besitzer. „Die Szene wird immer konspirativer, dadurch fällt es schwer, sie im Auge zu behalten“, sagt ein Drogenfahnder.
Tricks
Über Monate traf sich die Szene in der Nähe der olympischen Regattastrecke unter einer Autobahnbrücke. „Regattabeatz“ nannte sich die Party, bei der es neben heißen Beats und kühlen Getränken auch jede Menge Drogen gab. Geworben wurde für die Insider-Party nie. Durch Mundpropaganda lief das Geschäft, bis Polizei und Staatsanwaltschaft die Sache auffliegen ließen.
Die Hotspots
Durch Videoüberwachung und verstärkte Kontrollen kommt die Szene nicht zur Ruhe. Früher trafen sich die Süchtigen beispielsweise am Orleansplatz. Als Videokameras gegenüber dem Ostbahnhof aufgebaut wurden, wich die Szene aus zum Sendlinger Tor. Seit auch dort vor rund einem Jahr Kameras installiert wurden, ist Schluss. Im nahe gelegenen Herzog-Wilhelm-Park und im Nußbaumpark trifft man gelegentlich noch ein paar Junkies. Ähnlich verfuhr die Polizei in Schwabing, im Englischen Garten, im Postpark und im Park an der Kirchenstraße in Haidhausen. „Junkie-Jogging“, heißt diese Polizeitaktik.
Die Opfer
Seit Beginn des Jahres hat das Polizeipräsidium inzwischen 19 Rauschgifttote registriert. 2010 waren es bis zum Sommer 25, das Jahr zuvor 21 Tote. Zuletzt wurde am 14. Juli ein 40-Jähriger tot in seiner Wohnung gefunden. Er war zuvor nie als Drogenkonsument aufgefallen. 2010 starben in München 47 Süchtige. In ganz Bayern waren es laut LKA-Statistik 262 Rauschgifttote.
Die Fälle
5910 Rauschgiftdelikte sind in der Kriminalstatistik 2010 des Polizeipräsidiums München aufgeführt. 5433 waren es im Jahr davor (plus 8,8%). 4315 Tatverdächtige waren wegen früherer Drogendelikte polizeibekannt, betonte jüngst Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer.
Die Rauschgiftarten
Cannabis
In München wird vor allem gekifft. Rund Dreiviertel aller Delikte drehen sich um Cannabis und Marihuana (72,4%). Haschisch (Grammpreis: 15 Euro) kommt meist über Holland per Auto nach München. Im letzten März wurde ein arbeitsloser Familienvater am Rastplatz Brunnthal-Süd erwischt, der 100 Kilo Haschisch in den Stoßstangen seines Vans versteckt hatte. In Giesing wurde im Februar eine Marihuana-Plantage ausgehoben, die ein 28-Jähriger in seiner Wohnung angelegt hatte. 50 Cannabis-Pflanzen zog er mit einer ausgetüftelten Beleuchtungs- und Bewässerungsanlage groß.
Kokain
Koks hat inzwischen Platz 2 im Münchner Drogenranking erobert. Marktanteil: 7,8 Prozent. Die Droge ist teuer, zwischen 80 und 100 Euro kostet das Gramm. Gerade das macht sie als Statussymbol bei erfolgreichen Münchnern begehrt. Koks gilt als hipp und leistungssteigernd. „Kokain hat aber auch eine hohe Suchtgefahr“, warnt Armin Aumüller, daran sind schon viele Existenzen kaputt gegangen.“
Heroin
Gilt in München als „Looser-Droge“. Der schnelle körperliche Verfall schreckt ab. Der Marktanteil sinkt seit Jahren und liegt derzeit laut Statistik bei 4,8 Prozent. Preis: bis zu 100 Euro pro Gramm.
Synthetische Drogen
Chemisch produzierte Designerdrogen haben schwer aufgeholt. Amphetamine (7,7%) haben Ecstasy (0,9%) abgehängt. „Der Konsum synthetischer Drogen steigt deutlich“, warnte unlängst die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Mechthild Dyckmans. Der Stoff ist billig, pro Gramm kostet er auf dem Schwarzmarkt zehn bis 20 Euro.
Spice
Die angeblich so harmlosen „Gewürzmischungen“, die vielerorts in der Stadt angeboten werden, sind brandgefährlich. „Ein nicht zu kalkulierendes gesundheitliches Risiko“, betont BKA-Präsident Jörg Ziercke. Preis: 10 bis 20 Euro pro Päckchen. In München starb vergangene Woche ein 36-Jähriger. Er rammte sich im Wahn ein Messer in die Brust.
Dopingmittel
Auch für Testosteron-Produkte gibt es in München einen Schwarzmarkt. Ein Türsteher (24) wurde im Frühjahr von der Polizei erwischt. Er handelte mit Testosteronprodukten und Viagra. Das Zeug hatte er sich illegal via Internet aus dem Baltikum und China besorgt. Schwarzmarktpreis pro Ampulle: 1,50 bis 5 Euro.