Der große Krug-Klau: Maßkrugschwund im Wiesn-Zelt

Ein schönes Souvenir: der echte Maßkrug vom Oktoberfest. Tausende verschwinden alljährlich beim größten Volksfest der Welt in dunklen Taschen.
von  Abendzeitung
Der Bierabsatz sank 2010 um rund 3,2 Prozent auf 21,6 Millionen Hektoliter
Der Bierabsatz sank 2010 um rund 3,2 Prozent auf 21,6 Millionen Hektoliter © dpa

MÜNCHEN - Ein schönes Souvenir: der echte Maßkrug vom Oktoberfest. Tausende verschwinden alljährlich beim größten Volksfest der Welt in dunklen Taschen.

Alljährlich verzeichnen die Wirte auf dem Münchner Oktoberfest einen massiven Maßkrugschwund. Die Trinkgefäße sind bei Touristen und je nach Modell auch bei Sammlern hochbegehrt - und wandern heimlich in den Rucksack. Besonders begehrt: Der Steinkrug mit dem Schriftzug „Münchner Bier“ – denn den gibt es nur dieses Jahr auf der historischen Wiesn, mit der das 200-jährige Bestehen des größten Volksfestes der Welt gefeiert wird.

Von 11 000 Krügen in seinem Festzelt seien bis Mitte dieser Woche 3000 verschwunden, sagt Festwirt Toni Winklhofer – dabei dauert die Wiesn noch bis Montag. Einige seien beim fröhlichen Feiern zu Bruch gegangen – doch das erkläre nur einen Teil des Verlustes. Vor allem Halbliterkrüge, die leicht in eine Tasche passen, seien weg.

In Winklhofers Festhalle machte offenbar ein Kellner mit der Gier nach dem Krug ein einträgliches Geschäft: Zehn Euro verlangte er in der ersten Woche, wenn ein Gast nach dem Krug fragte. Die Spur verliert sich, Winklhofer ist sauer: „Wenn ich so was erfahre, fliegt er sofort.“

Ein Hotel in Wiesn-Nähe wiederum trieb schwunghaften Handel mit gestohlenen Krügen. Für fünf Euro gab es Originalkrüge aus verschiedenen Zelten – bis die Polizei das Treiben beendete. Die Beamten warnen: Wer das Oktoberfest mit einem Maßkrug verlassen will, wird angezeigt. Beamte, die als Terrorschutz stichprobenartig Rucksäcke an den Wiesn-Eingängen kontrollieren, schauen auch mal große Taschen beim Verlassen des Festes an. „Man soll doch bitte die Maßkrüge in den Festzelten lassen“, mahnt Polizeisprecher Peter Beck. „Es ist kein Kavaliersdelikt, es ist ein astreiner Diebstahl.“

Alljährlich müssen die Wirte sowieso massenweise Krüge abschreiben. Bis zu 50 000 Krüge müsse er jährlich ersetzen, sagt Wirtesprecher und Hacker-Wirt Toni Roiderer. Aber: „Die meisten Krüge werden kaputtgemacht und nicht geklaut.“ Peter Inselkammer vom Armbrustschützenzelt schätzt den Verlust pro Wiesn auf rund 18 000, inklusive Bruch.

Etwa 500 Gäste werden bei Inselkammer an einem Wochenende von Ordnern mit Maßkrügen beim Verlassen des Zelts erwischt. „Am Wochenende sind besonders viele Auswärtige da, die wollen den Krug als Souvenir mitnehmen“, erklärt Inselkammer. Die Krüge würden den Gästen abgenommen – ohne Anzeige, denn das Verfahren sei am Ende teurer als der Krug. Fast 70 000 Krüge sollen auf der gesamten Wiesn laut Festleitung von Ordnern auf diese Weise bis zur Halbzeit eingesammelt worden sein.

Nur die angezeigten Diebstähle landen dann beim Amtsgericht München. „Wir sind für jeden Fall dankbar, den wir nicht haben – aber das ist nur die eine Seite der Medaille“, sagt Gerichtspräsident Gerhard Zierl. „Die andere Seite ist, dass durch eine laxe Handhabung das Gefühl für Dein und Mein und das Eigentumsrecht verloren geht.“

Viele sehen den Maßkrugdiebstahl immerhin fast als Sport. „Just stolen“ – grad geklaut, hat jemand auf dem Campingplatz Thalkirchen an zwei Beutekrüge geschrieben.

Eine Hoffnung gibt es für ehrliche Wiesnbesucher: Die Steinkrüge von der historischen Wiesn werden möglicherweise nach dem Fest verkauft. Denn sie werden wahrscheinlich nie mehr gebraucht. Das „Münchner Bier“, für das sie gemacht sind, wurde nach alten Rezepten von den Münchner Brauereien nur für das Jubiläum gebraut, das Rezept wird verplombt im Oktoberfestmuseum aufbewahrt – es soll für immer geheim bleiben.

dpa

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