Der Griechen-Retter aus der Au

Ein mobiles Kraftwerk, das Wind, Wasser und Sonne verarbeitet, soll den Mittelmeer-Staat doch noch vor der Pleite bewahren. Die AZ erklärt das Projekt.
Irene Kleber |
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Erfinder Dimi Palos mit seinem „Triton“-Aggregat. Über das Schwungrad kann es die Hubkraft von Wellen in Rotationsenergie umwandeln – und so aus Wellenenergie Strom machen.
Gregor Feindt Erfinder Dimi Palos mit seinem „Triton“-Aggregat. Über das Schwungrad kann es die Hubkraft von Wellen in Rotationsenergie umwandeln – und so aus Wellenenergie Strom machen.

Ein mobiles Kraftwerk, das Wind, Wasser und Sonne verarbeitet, soll den Mittelmeer-Staat doch noch vor der Pleite bewahren. Die AZ erklärt das Projekt.

München -
Er sieht sie ganz genau vor sich. Wie ein monströser Katamaran mit zwei Rümpfen hebt und senkt sich die Poseidon im gleißenden Sonnenlicht, stemmt sich gegen den Wind, lehnt sich in die Wellen der Ägäis vor der griechischen Insel Salamis. Und saugt alle Energie in sich auf, von der sie umgeben ist: Die Kräfte der Sonne, des Windes, des Wassers. Ein gigantisches schwimmendes Kraftwerk, das nur drei Kilometer vor der Küste Athens so viel Strom erzeugt, dass es für die komplette Ferieninsel der Athener reicht. Oder für eine ganze Stadt.


Die Poseidon – noch ist sie eine Vision und steht als Modell im Münchner Büro des griechischen Erfinders und Musikprofessors Dimi Palos (70) in der Au. Hier, im dritten Stock seiner privaten Musikschule, ein umgebauter Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, tüftelt er seit Monaten wie fieberhaft an einem neuen Verfahren zur Energiegewinnung, das sein Pleite-Heimatland aus der Wirtschaftskrise führen könnte.

Innerhalb eines Jahres, hofft er, könnte ein erster Poseidon-Prototyp gebaut sein und in der Ägäis in Betrieb gehen. Mit einer ganzen Poseidon-Flotte könnte Griechenland gigantische Mengen an Strom nicht nur für sich selbst erzeugen, sondern auch nach Deutschland und die ganze Welt exportieren.
 

„Mit dieser neuen Technik kann Griechenland Arbeitsplätze schaffen, Investoren anlocken, Geld verdienen und seine Schulden abbezahlen", erklärt Palos an seinem Schreibtisch, der überquillt mit Plänen, Berechnungen, Modellzeichnungen – und spricht so schnell und gestenreich dabei, dass einem schwindlig werden kann.

Was ihn umso sicherer macht, ist eine Forderung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der hat im Juni in einem „Zeit“-Interview erklärt, das klamme Mittelmeerland solle Solarstrom nach Deutschland liefern, um seine Wirtschaft wieder flott zu bekommen. „Nur Solarstrom?", sagt Dimi Palos und lacht. „Wir können viel mehr als das!"

Das Neue an seiner „TriEnergy“-Idee: Wind-, Sonnen- und Wellenenergiegewinnung in einem einzigen Kraftwerk zu vereinen. Auf einem mobilen Schiffskörper, der sich – mit den Wellen - immer in den Wind dreht und sich zudem selbst beliebig von einem Ort zum anderen transportieren kann.

Während oben an Deck Windmühlen brausen und Riesenplatten an Sonnenkollektoren Licht tanken, tauchen – und das ist zudem neu – an den Schiffsaußenwänden Wellenumwandler ins Wasser, die die Auftriebskraft der Meereswellen an der Wasseroberfläche zur Stromerzeugung nutzen.

Die Technik dafür, das so genannte „Triton“-Aggregat, hat der Musikprofessor schon vor 25 Jahren zusammen mit griechischen Wissenschaftler-Freunden erfunden. Dann allerdings verschwand das Versuchsmodell im Keller. Und geriet – fast – in Vergessenheit.

Bis im März diesen Jahres die Erde in Fukushima bebte, das Kernkraftwerk explodierte und der Ruf laut wurde nach neuen Ideen zur Nutzung erneuerbarer Energien. „Das war der Moment, an dem ich wusste: Jetzt müssen wir was machen."

Palos holte das Modell aus dem Keller, meldete das Patent an und konstruierte mit dem ehemaligen Siemens-Physiker und Quarzglas-Experten Nikolaos Douklias das Doppelschiff Poseidon. Eine Zusatz-Technik lieferten zwei Münchner Abiturienten. Für „Jugend forscht“ hatten sie einen Generator namens „Sweet“ entwickelt, mit dem sich auch Wellenenergie in größerer Meerestiefe nutzen lässt. „Damit lässt sich die Energie-Ausbeute aus dem Meer noch einmal verdoppeln“, sagt Palos.

Seither setzt der Münchner Grieche alle Hebel in Bewegung, sein ehrgeiziges Projekt zu realisieren. Über den Sommer ließ er für eine techno-ökologische Studie griechische Techniker tüfteln, Statiker rechnen, Juristen Feinheiten prüfen. Er sprach mit Werften, Solarstrom- und Windkraft-Experten und klopfte an diverse Behördentüren in Deutschland wie Griechenland.
Aktuell bastelt er am Finanzierungsplan. Allein der Bau des Prototyps, so haben Palos Experten errechnet, dürfte rund 15 Millionen Euro kosten. Um so viel Geld zu generieren, müsste der griechische Staat gemeinsam mit der EU und privaten Investoren Gelder frei machen.

Nächste Woche fliegt Dimi Palos wieder nach Athen. Zu Gesprächen mit dem Chef der staatlichen Behörde für alternative Energiegewinnung, Mathäus Santamouris, der das Energieministerium beraten soll. „Das Ministerium will 20 Millionen Euro aus EU-Mitteln zur Verfügung stellen“, glaubt der Münchner Grieche.

Man darf gespannt sein.
 

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