Der Geruch der Au

Was kommt wohl, wenn die Brauerei wegzieht? In dem Viertel, in dem alles ein bissl langsamer geht, macht sich Unbehagen breit.  
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Was kommt wohl, wenn die Brauerei wegzieht? In dem Viertel, in dem alles ein bissl langsamer geht, macht sich Unbehagen breit.
Daniel von Loeper 6 Was kommt wohl, wenn die Brauerei wegzieht? In dem Viertel, in dem alles ein bissl langsamer geht, macht sich Unbehagen breit.
Was kommt wohl, wenn die Brauerei wegzieht? In dem Viertel, in dem alles ein bissl langsamer geht, macht sich Unbehagen breit.
AZ 6 Was kommt wohl, wenn die Brauerei wegzieht? In dem Viertel, in dem alles ein bissl langsamer geht, macht sich Unbehagen breit.
Was kommt wohl, wenn die Brauerei wegzieht? In dem Viertel, in dem alles ein bissl langsamer geht, macht sich Unbehagen breit.
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6 Was kommt wohl, wenn die Brauerei wegzieht? In dem Viertel, in dem alles ein bissl langsamer geht, macht sich Unbehagen breit.

Was kommt wohl, wenn die Brauerei wegzieht? In dem Viertel, in dem alles ein bissl langsamer geht, macht sich Unbehagen breit. „Die werden uns einen greisligen Bunker hinstellen – und sauteuer verkaufen“.

München - Im Wirtshaus „Zum alten Kreuz“ trinkt man Augustiner. Trotzdem ist hier in der Falkenstraße direkt unterhalb der Brauerei zurzeit Paulaner das Thema. „Dieses ganz Paulaner ist doch eine reine Abschreibung. Es geht nur um Immobilien“, sagt ein Stammgast. Ein anderer formuliert die Prognose: „Das Viertel wird sich weiter verglockenbachisieren.“ Und das ist hier nichts Positives. „Ich sag’ nur: Willkommen im Viertel, ihr Arschlöcher“ – Uwe, ebenfalls Stammgast, wohnt in Untergiesing, und da klebte ein solcher Aufkleber in einer Kneipe: gegen die Reichen und Schicken, die ins Viertel strömen.

Das Reizwort Gentrifizierung ist auch in der Au längst angekommen. Dass der Wegzug der Brauerei ein großer Schritt dahin sein wird, darin sind sich hier alle einig. „Das Viertel lebt vom Geruch“, sagt Francesca, Mutter dreier Kinder. Ihr Mann ergänzt: „Hier kann man schon im Juni die Wiesn riechen.“ Aber es geht nicht nur um den Geruch von Malz, es geht um das Flair eines ganzes Viertels. „Durch die neuen Wohnungen wird sich die Struktur der Bevölkerung ändern“, sagt der Familienvater. Seit zwölf Jahren wohnt er in der Au. Und wie die meisten hier findet er: „Das Dörfliche ist das Schöne hier.“ Man grenzt sich ab: Es gibt „droben“ und „drüben.“ Droben ist Haidhausen, längst überteuert, schon in den 80er weitgehend hochsaniert. Noch fremder ist „drüben“, das Glockenbachviertel. Szenig, schrill, schwul – und ebenfalls teuer.

Dass sich die Auer ihres Viertels so bewusst sind, ist für Alfons Plechinger Folge aus der Geschichte. „Man merkt den Leuten hier an, dass die Au lange Zeit – bis 1854 – eine eigenständige Stadt war“, sagt der Rentner, der seit 40 Jahren in der Au lebt. Er gründete 1984 den Kulturverein „Freunde der Vorstadt Au“. Das Vereinsheim ist im Geburtshaus von Karl Valentin. Der Klub hält die Geschichte der Au wach und trifft sich regelmäßig zum „Dult-Ratsch“ auf der Auer Dult. Plechinger erzählt gern von den alten Zeiten, als in der Au noch die zunftlosen Zimmerer wohnten und die Tagelöhner, die in ärmlichen Verhältnissen in den kleinen Herbergen hausten. „Natürlich gab es auch Schlawiner.“ Der „Stolz von der Au“, von dem das berühmte Couplet handelt, war so ein Lebenskünstler. Es gab aber auch härtere Burschen. Der Ruf der Au war schlecht damals, in Wien soll der Scharfrichter seinerzeit gedacht haben, die Au sei eine sehr große Stadt, weil so viele Delinquenten von dort kamen. Ebenfalls zum schlechtem Ruf beigetragen hat das Gefängnis am Neudeck, direkt gegenüber der Brauerei. Im 19. Jahrhundert wurden dort aus ganz Bayern die Kettenhäftlinge, also die ganz harten Burschen, zusammengefasst. Später war es Frauengefängnis.

Heuer scheiterte „Biss“ mit dem Versuch, dort ein Hotel zu realisieren – das Objekt ging für 16 Millionen an einen Investor. Er wird Studentenwohnungen bauen. Die Preise werden über denen des Studentenwerks liegen, Zielgruppe sind, so kündigte der Investor an „die Leistungsträger von morgen“. Der Stolz auf die Au, den gibt es noch immer – nicht nur bei den Alten. „Die drüben hielten die Au immer für spießig, zu langweilig“, erzählt Rosi, die mit den Familienvater an einem Tisch sitzt. Sie moniert, dass es schon länger Trend ist, von drüben rüber zu ziehen. „Einigen ist das Glockenbachviertel zu laut geworden. Und jetzt finden sie die Au plötzlich super. Weil hier keine Partymeile ist, aber man trotzdem stadtnah wohnt.“ Dass die Au Luxusquartier wird, daran mag sie nicht glauben. „Oben vielleicht, da werden sie teure Wohnungen bauen. Aber hier unten geht immer alles ein bisschen langsamer.“ Im Zweiten Weltkrieg hat es die Au schlimm erwischt, viel schlimmer als Haidhausen. Deswegen ist hier wenig Altbau, was auch ein Schutz vor Schickis war. Doch auch hier ist sichtbar, dass das Geld einzieht. In der Lilienstraße stehen schon Luxuswohnungen.

Die meisten Rolläden in der Nummer 10 sind heruntergelassen – sieht nicht so aus, als würden die Eigentümer hier wohnen. Dann fährt ein Auto vor, und der Fahrer öffnet das Tor zum Garagenaufzug: Lamborghini, Traunsteiner Kennzeichen. Wenig traurig über die Veränderung ist Roger Schwarz. Er wohnt mit seiner Frau in der Nockherstraße, in einem der kleinen erhaltenen Herbergshäuser, mit Blick auf die Brauerei. Er hat das Haus in heruntergekommenem Zustand gekauft und selbst saniert. „Die Brauerei ist ja nun wirklich nicht schön“, sagt er. Er will auch nicht ins Wehklagen verfallen, weil Dinge sich ändern. „Der Zuzug findet sowieso statt. Alle wollen nach München, und hier ist zu wenig Platz. Also wird es teuer. Dafür bietet München ja auch viel.“ Schwarz sieht das auch ein bisschen aus seiner Berufssicht: Er ist Immobilienmakler.

Die neue Wohnungen sind „eher eine Aufwertung“, findet er. „Wenn sie nicht so scheußlich bauen wie in der Welfenstraße.“ Er meint die Welfenhöfe, die gerade gebaut werden und sich oben ans Grundstück von Paulaner anschließen. Sie gehören wie Paulaner zu Schörghuber. Rund 5000 Euro pro Quadratmeter zahlt man da. Auch im Alten Kreuz schütteln viele darüber den Kopf. „Die werden uns hier auch so einen greisligen Bunker hinstellen – und sauteuer verkaufen“, schätzt einer. Auch Peter Blachetzki tut dieser Anblick weh. Er ist Architekt und Künstler, am Regerplatz ging er in die Schule. 20 Jahre lebte er in Italien, vor fünf Jahren kam er zurück.

„Ich fühle mich der Gegend verbunden. Man braucht doch ein Feeling für seinen Platz.“ Er wohnt in der Taubenstraße, nah bei Paulaner. In der Oberen Au, in der Gebsattelstraße, hatte er die Idee zum „Café Käthe“, das aus einem uralten Tante-Emma-Laden entstand. Da stellt er auch seine Bilder aus. Die Hausbesitzerin war mit einer geringen Miete einverstanden: „In dem Moment, in dem du ortsübliche Mieten verlangst, ist da der Ofen aus.“ Noch glaubt der 62-Jährige, dass es in München weiterhin Leute geben wird, denen es nicht nur ums Geld geht. In der Kneipe sehen das nicht alle so. „Profit zählt, sonst nix“, sagt seiner. Der Hobby-Historiker Alfons Plechinger drückt es anders aus: „Die heutigen Schlawiner sind viel größer als die von früher.“

 

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