Der Geister-Radler (30) stellt sich der Polizei
Mit seinem Anwalt erscheint der Mann auf der Polizeiwache. Der „große mediale Druck“ habe ihn dazu bewegt. „Es ist schade, dass er sich erst jetzt meldet“, sagt die Familie des Opfers
MÜNCHEN Der Mann wollte wohl gerade nach Hause – von Sendling zurück nach Laim. Plötzlich stand da der alte Mann. Und als der 30-Jährige schließlich heim kam, war nichts mehr wie vorher. Er hatte Orhan S. auf der Hansastraße angefahren – weil er in die falsche Richtung gefahren war.
Das Opfer schwebt in Lebensgefahr. Jetzt hat sich der Geister-Radler gestellt. Genau eine Woche nach dem Unfall meldete er sich bei der Polizei. Er hatte einen Anwalt dabei. Der Mann gab zu, den Rentner Orhan S. (74) am vergangenen Mittwoch gegen 23 Uhr umgefahren zu haben. Laut Zeugenaussagen war er in falscher Richtung in Richtung Laim unterwegs – und das ohne Licht.
Als der frühere Grundschullehrer ein Auto auf dem Gehweg umgehen wollte und auf den Radweg trat, rammte ihn der Laimer mit voller Wucht. Das Schlimmste: Als Rettungssanitäter Orhan S. versorgten, riss der Münchner plötzlich aus – Fahrerflucht.
Nun hat er den hohen Druck wohl nicht mehr ausgehalten: Die ganze Woche berichteten Münchner Medien über den furchtbaren Unfall – unter ihnen auch die AZ. Orhan S. erlitt eine Hirnblutung. Er fiel ins Koma. Dann wurde bekannt, dass die Polizei DNA-Spuren des Mountainbikers sichergestellt hat – vom Stummel einer Zigarette, die er am Unfallort geraucht hatte.
Laut Polizei sagte der Mann auf der Wache, er stelle sich wegen des „großen medialen Drucks“. Was er noch aussagte, ist derzeit unklar. Die Familie von Orhan S. nimmt das alles zur Kenntnis. „Es ist schade, dass er sich erst jetzt meldet“, sagt Sohn Umut S. „Das wirkt für mich sehr berechnend. Das ist nur eine Angstreaktion. Er wusste, dass sie ihn so oder so kriegen würden. Und jetzt hatte er Angst, dass die Strafe zu hoch ausgefallen wäre. Ohne diesen Druck hätte er sich vielleicht nie gemeldet.“
Orhan S. bekommt von all dem nichts mit. Er liegt noch immer auf der Intensivstation des Klinikums rechts der Isar im Koma. Am Dienstag und Mittwoch wurde er operiert. Die Ärzte konnten dabei zwar die Hirnblutung stoppen, nicht aber den Druck, den das ausgetretene Blut im Gehirn verursacht. „Das kann das Gehirngewebe stark schädigen“, sagt Orhans Sohn Cenk S. „Wir können jetzt nur hoffen, dass der Hirndruck sinkt.“
Die Ärzte könnten theoretisch nachhelfen – indem sie den Schädel des Patienten öffnen. Es ist aber sehr fraglich, ob er das in seinem Alter überlebt. „Mein Vater ist eben sehr schwach“, sagt Cenk. Sein Bruder Umut ergänzt: „Wir wissen immer noch nicht, ob er je wieder aufwacht.“