Der Geist aus der Rebe - Wo Wein und Kunst sich vereinen
Wein und Kunst sind wie die zwei Seiten einer Medaille: Beides erfordert Fantasie, Kreativität und vor allem Liebe zur Sache. Und dass das einstige Kultgetränk so manchem großen Künstler Quelle des Geistes war, ist auch kein Geheimnis. Die AZ stellt drei der originellsten Läden vor, die den Wein und die Kunst pflegen.
Kennt noch jemand Ingrid Steeger? Einst, in den 70ern, hatte sich die Blondine den Titel „Ulknudel der Nation" an die offenherzige Brust geheftet: „Die Steeger" alberte sich in Michael Pfleghars TV-Comedy „Klimbim“ durch eine Reihe zotiger Sketche und sagte mit piepsiger Stimme: „Dann mach’ ich mir ’nen Schlitz ins Kleid und find’ es wunderbar!"
„Die Steeger", sagt Kriemhild und gibt ihrer Erinnerung mit dramatisch erhobenen Händen Gewicht, „war damals auch hier!" Und Bruno Feldmann, der smarte Weinhändler und Schankwirt, der die Frauen liebte, „der hat sie angehimmelt. Sie war aber auch ein Püppchen!" Und melancholisch jault eine Slide- Gitarre den Blues aus den Sümpfen.
Die anderen Stammgäste merken auf. Kriemhild Sinds, ehemalige Schnittdirektrice bei Bogner, kommt in Fahrt: „Der Polt, der war früher auch hier!" Damals hatte den heute 66-jährigen William Shakespeare des bayerischen Polit-Brettls „noch kein Mensch gekannt.“ Und nach Feierabend auch „die Kriminaler vom LKA". Kriemhild muss es wissen. Sie ist seit 35 Jahren Stammgast im Feldmann.
„Wein Feldmann" – der Schriftzug über einem schlichten Schaufenster erinnert an Werbetafeln der 50er Jahre. Tatsächlich reicht die Vergangenheit des Neuhausener Weinladens noch weiter zurück: 1931 wurde er eröffnet. In der ersten Nachkriegszeit aber bekam der damalige Besitzer, der Vater jenes Bruno Feldmann, von den Amerikanern die Lizenz, auch Spirituosen auszuschenken. Und deshalb darf „Wein Feldmann“ noch heute einen „Ausschank an Stehgäste" betreiben.
In seiner Art ist dieser Laden vielleicht der letzte. Er hat überdauert. Nicht nur die Regale der gut wohnzimmergroßen Handlung sind die alten – auch der Schanktresen mit rotem Resopal trägt noch das originale Logo: „Linde". „Mit Nostalgie hat das nichts zu tun", sagt Nena Molinari. Sie ist seit acht Jahren „auf dem Laden". Als ihr damaliger Mann, Peter Molinari, Dudelsackspieler, ihr vorschlug, „Feldmann“ zu übernehmen, hängte die Bosnierin ihren Job bei den Bavaria-Filmstudios an den Nagel. „Ich sagte: Das hier ist gelebte Geschichte!"
Molinari will sie in die Zukunft verlängern. Daher auch spielen dort Gruppen mit fremdartig anmutenden Namen wie Gari-Gari. „Das kommt von einem Volkslied und heißt: ’Brenne, brenne, Liebe der Zigeunerin’, sagt der ehemalig Sebastian Souchay, der bei Gari-Gari die Bassbalalaika spielt. Ein Reiz des „Feldmann“ liegt wohl auch darin, dass der Weinfreund noch weit nach 20 Uhr dort seinen Zweigelt kaufen und ihn sozusagen vor Ort gleich verkosten kann.
Das schätzt auch der Koch des „Bratwurst Glöckls“, Clemens, Salzburger „mit Matura“. Zu vorgerückter Stunde genehmigt er sich noch einen oder zwei Grüne Veltliner. „Der CSU", räsoniert Clemens und nimmt einen langen Zug an seiner Zigarette, „hat das Rauchverbot das G’nack gebrochen."
Bernhard Viel
Die Schrift an der Wand
Enkaustik. Nein, das ist keine neue Technik, um, sagen wir: edle Trauben zu noch edlerem Wein auszubauen oder weniger edlen Wein in edlen zu verwandeln. Wohl aber ist es eine Maltechnik, in der Antike bekannt, lange vergessen, und nun wieder entdeckt – unter anderem von Hermine Gold.
Dabei würden, erklärt die Künstlerin, Farbpigmente „in einer Mischung aus geschmolzenem Wachs, Harzfirnis und Leinöl“ gelöst. Schlichter gesagt: Enkaustik ist eine Art der Wachsmalerei. Die Bilder, die Hermine Gold aus dieser Technik entstehen lässt, sind derzeit in der Toskana Weinhandlung zu sehen.
Seit 1986, seit 22 Jahren, präsentiert Constance Heuberger bildende Kunst in ihrer Weinhandlung – und keineswegs von Namenlosen: „Ich arbeite nur mit Profis“, sagt Heuberger.
Unter diesen war etwa auch der im Glockenbachviertel ansässige Münchner Jürgen Meyer-Andreaus, bekannt für seine aquarellierten Stadtansichten. Er war der erste Künstler, mit dessen Bildern die Toskana Weinhandlung zur Galerie wurde. Und bei der vorletzten Ausstellung mit ihm, 2000, hatte sogar der damalige CSU-Generalsekretär und jetzige Wissenschaftsminister Thomas Goppel die Rede gehalten. Oder Heinz Birg, der Zeichner und SZ-Karikaturist: „Da war“, erzählt Heuberger, „die halbe Redaktion hier versammelt!“
Und nun auch Hermine Gold. Die Bilder der 1945 nahe Kronach geborenen Künstlerin, die zum dritten Mal hier ausstellt, beziehen ihren Reiz aus der Spannung zwischen monochromen Flächen und teils geometrisch-abstrakten, teils gegenständlichen Figuren, die darüber zu huschen scheinen. Dass die Bilder wie Palimpseste wirken, durch deren Schichten die Schriften längst vergangener Zeiten schimmern, ist gewissermaßen der Enkaustik-Effekt: Das Wachs wird Schicht um Schicht aufgetragen, abgeschabt, und wieder aufgetragen.
vib
Im Roten funkelt der Worte schöner Klang
Der Dichter steht im Schimmer der Schreibtischlampe. Vor ihm eine Vitrine. Auf deren Boden stehen Rotweinflaschen, während oben, auf der Glasplatte, die Blätter der Kunst liegen. Über dem Haupt des Dichters wölbt sich die Decke wie der Chor einer Kathedrale – und um ihn herum reflektieren die keusch weißen Wände das Licht und geben dem Dichter einen Hauch vom Glanz der Poesie.
Der Dichter liest: „Auf der Jukebox/im Gasthaus zum vergessenen Gast...“, und vor ihm sitzen zwei Dutzend Lyrik-Freunde und lauschen den Worten wie dem Klang von Musik. Mancher hält ein Weinglas in der Hand und nimmt ab und an einen maßvollen Schluck, „...während im Schankraum/die wieder Träumenden/sich in den Armen liegen“.
„Caveau“ heißt die junge Weinhandlung, wo zusammen finden soll, was von Natur aus zusammen gehört: Wein und Lyrik.
Bekanntlich war schon Johann Wolfgang von Goethe ein wackerer Zecher: An manchen Tagen soll er an die zwei Liter getrunken haben!
Das „Caveau“, und da darf der Weimarer gerne als Vorbild dienen, strebt nach Qualität – im Wein und in den Lesungen, die dort jeden dritten Donnerstag im Monat über die Bühne gehen.
Tatsächlich hängt das Niveau nicht zuletzt von kluger Selbstbeschränkung ab: „Wir bieten nur Weine aus dem Languedoc an“, sagt Margarethe Fritz-Herrmann. Die Region im Süden Frankreichs ist als Weingegend wenig bekannt – dabei geben die Schieferböden diesem Gewächs eine Herbheit, die angenehm vom modischen Einerlei der Merlots absticht.
„Wir fahren seit 20 Jahren ins Languedoc und haben die Weine dort schätzen gelernt. Wir kennen die Winzer alle!“, sagt Fritz-Herrmann, die das „Caveau“ mit Ehemann, Sohn und Schwiegertochter als eine Art Familienbetrieb führt.
Und Jürgen Bulla, der Dichter, im Hauptberuf Lehrer an einem der letzten humanistischen Gymnasien, beendet seinen „Tagtraum“ und tritt aus dem Licht. Beifall.
vib