Der Dreck an der Isar ärgert viele

Glasscherben, Bierdosen, Verpackungen: Jedes Jahr beseitigen Mitarbeiter der Stadt am Isar-Ufer rund 100 Tonnen Abfall. Die AZ hat sich am Flaucher umgesehen.  
Christian Pfaffinger |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Scherben am Flaucher: Der viele Unrat den die Münchner zurücklassen sort für Unmut.
Scherben am Flaucher: Der viele Unrat den die Münchner zurücklassen sort für Unmut.

 

Glasscherben, Bierdosen, Verpackungen: Jedes Jahr beseitigen Mitarbeiter der Stadt am Isar-Ufer rund 100 Tonnen Abfall – Tendenz steigend. Die AZ hat sich am Flaucher umgesehen.

München - Grobes Foul. Harun bläst in seine Trillerpfeife und zieht die gelbe Karte. „So geht das nicht“, ruft er. Convertino hat sich ein Bier aus der Kühlbox genommen, ohne Harun auch eines zu bringen. Die beiden stehen im Isarkies, neben ihnen raucht der Grill stärker als er sollte. Aber das ist den beiden egal. Zusammen mit sechs Freunden genießen sie die Nachmittagshitze am Flaucher. Es hat knapp 30 Grad, der Himmel ist blau und die Isar glänzt.

 

Für die acht Kollegen, die zusammen in der Halbleiterfertigung arbeiten, ist es ein perfekter Urlaubstag. „Wir planen das seit zehn Jahren“, sagt Gökhan. „Und dass es heute klappt, das haben wir auch nicht gedacht. Aber dann hat es spontan doch funktioniert.“ Alle acht haben die gleiche Schicht und können deshalb zusammen an der Isar feiern. Auf einem Haufen liegen leere Bierdosen und Flaschen. „Wir sind anständig“, sagt Gökhan. „Hinter uns ist gleich der Müllcontainer, da können wir alles entsorgen.“
Leider machen das nicht alle. Deshalb sind täglich bis zu zehn Mitarbeiter der Stadt München unterwegs, um den Müll an der Isar wegzuräumen. Knapp 100 Tonnen im Jahr sind das – und es werden immer mehr. Die Sprecherin des Münchner Bauamts, Nina Lindinger, sagt: „Die Müllbeseitigung allein an der Isar kostet im Jahr mehr als 100000Euro. An einem einzigen Grillwochenende bleiben bis zu viereinhalb Tonnen Abfall liegen.“

Das meiste davon lande zwar in einer der 82 Gitterboxen, die entlang des Flusses aufgestellt sind. Aber vieles bleibe einfach im Kies zurück. Und gerade zerbrochene Flaschen seien mühsam aufzusammeln. „Wir appellieren an die Leute, auf ihre Isar aufzupassen“, sagt Nina Lindinger deshalb. „Jeder Münchner hat eine Verantwortung für seine Stadt.“

Sieben Kilometer nördlich von dort, wo Harun und seine Kollegen grillen, holt Harry Bunting seinen Hund Chip aus der Tierklinik ab. Der Labrador humpelt, er trägt eine Halskrause und eine Pfote ist eingebunden. Acht Tage lang war der vier Jahre alte Rüde in der Chirurgischen Abteilung der Universitäts-Tierklinik, weil er sich an einer Scherbe die Pfote aufgeschnitten hatte.
„Wir waren beim Grillen an der Isar“, erzählt Harry Bunting. „Chip hat im Wasser gespielt. Als er wieder kam, war alles voller Blut.“ Chips Pfote war aufgeschlitzt. „Es war eine klaffende Wunde“, erzählt Bunting. „Ich bin schnell heimgefahren und habe Chips Pfote selbst verbunden.“ Doch nach wenigen Tagen entzündet sich die Wunde. Chip musste operiert werden. Die Behandlung kostete den 48-jährigen Unternehmensberater insgesamt 1500 Euro.

Chip geht es besser. Trotzdem befürchtet sein Herrchen: „Es kann jeden Tag wieder passieren. Chip liebt die Isar, er wird wieder im Wasser spielen.“ Bunting weiß, wovon er spricht. „Ich hatte schon mal einen anderen Hund, der sich beim Spielen im Kleinhesseloher See an einem zerbrochenen Maßkrug den ganzen Hinterlauf zerschnitten hat. Er wäre fast verblutet.“ Nur weil Bunting dem Hund auf dem Weg zur Klinik den Lauf mit einem T-Shirt abgebunden hatte, überlebte der Hund. Harry Bunting hat jetzt immer ein unsicheres Gefühl, wenn sein Hund im Wasser spielt. „Und bei Kindern ist es ja noch gefährlicher.“

Michael Tetzlaff sieht das anders. Der 42-jährige Familienvater liegt am Flaucher, seine sechsjährige Tochter Oona kommt gerade vom Spielen aus dem Wasser angelaufen. Tetzlaff sagt: „Hier ist es wunderbar idyllisch, die Flussläufe sind seicht, da kann man sein Kind ohne Gefahr spielen lassen.“ Müll ist ihm nicht aufgefallen. „Es liegen einige Zigarettenkippen und Plastiktüten herum, aber Scherben habe ich noch nicht gesehen.“

Auch die jungen Münchner, die an diesem Tag am Flaucher sind, bleiben beim Thema Abfälle gelassen. Drei Kumpels, die zusammen in der Nachtschicht im nahe gelegenen Schlachthof arbeiten, liegen mit ihren Handtüchern in der prallen Sonne. Einer von ihnen, der 29-jährige Janosch, sagt: „Wir bleiben nur ein zwei Stunden und gönnen uns ein Radler. Hier ist es ruhig und sauber.“

Das finden auch die Abiturienten Sebastian, Silia und Joachim, die weiter flussaufwärts gerade ihren Grill auspacken. „Wir waren gestern schon hier“, sagt Joachim. „Der Flaucher ist Kult und trotzdem läuft es hier noch entspannt.“ Die meisten würden ihren Müll in Tüten wieder mitnehmen. So machen das auch die Jura-Studenten Natalie, Amalia, Melanie, Teresa und Jonas, die weiter vorn neben einem Einweggrill mit schrumpeligen Würstchen sitzen. „Es gibt ja überall Abfallkörbe, in die man die Tüten werfen kann“, sagt die 22-jährige Melanie. „Der Müll ist hier kein Problem.“

Ein Stück weiter, nahe der Brücke zum Tierpark, zeigt der dreijährige Julius stolz seinen Fund. „Schau, das ist schmutzig“, sagt er. In seiner Hand hält er ein verschmiertes Stück Braunglas. Es funkelt in der Sonne. Seiner Mutter Carmen gefällt das gar nicht. Die 40-jährige Grundschullehrerin ärgert sich über den Müll: „Wir waren im Zoo und haben noch einen Abstecher hierher gemacht. Das ist ein wunderschöner Ort, aber wir wussten nicht, wo wir uns hinsetzen sollen. Überall liegen Glasscherben.“

Neben ihrem Fuß liegt ein Haufen Glassplitter, den sie schon zusammengesammelt hat. Nahe dem Wasser, dort, wo Julius jetzt herumtobt, ragt ein abgebrochener Flaschenhals aus dem Kies. „Vielleicht ist es an anderen Stellen sauberer, aber hier ist es furchtbar“, sagt die besorgte Mutter. Sie sieht, wie Julius Spaß hat. Trotzdem sagt sie: „Ich werde mit den Kindern nicht mehr hierher an die Isar gehen.“

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.