Der das Rad neu erfinden will

Benny Hofer (40) ist Tüftler, Bastler und der Musik ganz nah. Er hat das BamBam erschaffen – und eine bewegte Geschichte.
Stephanie Schönberger |
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Hier ist „Oben“: Benny Hofer in seiner Werkstatt in der Ligsalzstraße.
Daniel von Loeper Hier ist „Oben“: Benny Hofer in seiner Werkstatt in der Ligsalzstraße.

Nach dem Auftritt im Deutschen Museum, sagt Benny Hofer (40), hätte er sterben können. Nicht, weil die Performance bei der langen Nacht der Museen in die Hose ging. Sondern vor Glück. Bei der Erinnerung an den Auftritt vom vergangenen Oktober mit BamBam, seiner spektakulären Drum-Maschine, wirkt er immer noch ganz beseelt. „Für mich“, sagt der Polsterer, Tüftler, Bastler und Erfinder von der Schwanthalerhöhe, „ist ein Traum in Erfüllung gegangen“.

Doch jetzt plagt ihn ein Hexenschuss. Die Schmerzen, man merkt es ihm an, sind eher heftig. Aber er hält durch. Mit einem Lächeln, auch wenn es gequält wirkt. Er kennt das ja aus seinem bisherigen Leben. Durchhalten, wenn’s weh tut. Und das hat es öfters mal getan. Aber, so abgedroschen sich das jetzt liest, Benny Hofer hat sich davon nie unterkriegen lassen.

Seine Firma heißt passenderweise „Oben“. Ein Wortspiel aus seinem Nachnamen Hofer und Vornamen Ben, das entstand, als er sich 2003 als Polsterer selbstständig machte. „Mir ist, ehrlich gesagt, nichts Besseres eingefallen“, erzählt er. So schlecht war der Einfall dann aber doch nicht. Denn später sagt er: „Oben ist ein ganz wichtiger Richtungsweiser. Denn wenn du total ,lost’ bist, musst du wissen, wo oben ist.“

Im „Oben“, in seiner Werkstatt in der Ligsalzstraße 28, steht auch BamBam, sein Baby, sein „größter Schatz“. Entstanden durch einen Geistesblitz. „Ich habe mir die Maschine visualisiert“, sagt er. Das Ergebnis war folgendes:

Ein Gerät, das aus einem Rohr besteht, an welches Schlagzeugsticks und Klöppel montiert sind. Dieses Rohr ist die Achse, wird vollmechanisch angetrieben und erzeugt pro Umdrehung bis zu 32 Anschläge auf Trommeln, Becken und anderen Instrumenten. Hofer kann händisch in das Geschehen eingreifen und so Rhythmus und Effekte verändern sowie Sounds abnehmen. Er tritt mit seiner Erfindung bei Festivals auf, in Clubs, bei Kunstperformances und eben im Deutschen Museum.

Über BamBam, The Mechanical Sequenzer, wie das Instrument auch heißt, gibt es auf Youtube mehrere Filme. Auch der BR hat darüber berichtet. Und jetzt zeigt sogar der amerikanische Discovery Channel Interesse und hat angefragt, ob man was machen könnte über die Drum-Maschine und seinen Erfinder Benny Hofer.

Große Erfolge für einen, der keine einfache Kindheit hatte, eine noch wildere Jugend, abenteuerliche Erwachsenenjahre erlebte und erst als Familienvater schließlich ruhiger wurde. Aber eben auch nicht ganz.

Das Brennen ist noch da, das merkt man ihm an. So eine latente Anspannung und Unruhe, nicht nur wegen des Hexenschusses. Er ist ein Mensch, der, das zeigt seine Geschichte, nie angepasst war, der den Ausbruch und die Freiheit braucht. Ein Getriebener, irgendwie. Lebensklug, bewusst, mit einem sympathischen Lachen und Lächeln. Einer, dessen Geist immer schon beschäftigt werden wollte. Auch weil das Ruhe gibt. Benny Hofer sagt über sich: „Ich bin ein manischer Tüftler und Bastler. Schon als Kind wollte ich das Rad neu erfinden.“

Seine Mutter, erzählt er, hätte es auch deshalb nicht leicht mit ihm gehabt. Aufgewachsen ist er in Solln. „Dort gibt es auch Ghetto“, sagt er mit seinem leicht schiefen Grinsen. In diesem „Ghetto“ also hat seine Mutter ihn und den Bruder großgezogen. Alleine. Schule? Hat ihn nicht interessiert. Beziehungsweise: „Sie war für mich Folter.“ Er wollte lieber arbeiten und schmiss mit 16 hin. Leider war das Arbeitsleben dann doch erstmal mehr schweres als großes Los.

Was an der Stauballergie und an der Betriebstemperatur zwischen ihm und seinen Ausbildern zum Raumausstatter lag. Er war Punk, natürlich ein „netter, hilfsbereiter“.

Die anderen waren „Vollspießer“. Zumindest empfand er das damals so. Heute sagt er: „Ich war nicht reif genug, um zu erkennen, was für ein cooler Laden das war.“ Der Mutter zuliebe brachte er die Lehre zu einem Abschluss. Und zog mit 18 von zu Hause aus, rein in die Stadt, in die Au, wo ihm der Vater, ein Journalist, eine Wohnung organisiert hatte.

60 Quadratmeter für 210 Mark. Ein Schnäppchen – wäre da nicht die „Luxusdeckenheizung“ gewesen. Sie verbrauchte sehr viel Strom, der sehr viel Geld kostete. Als er die Rechnung für die Nachzahlung sah, wurde ihm – ganz ohne Wärme von oben – hieß: 10 000 Mark waren offen. Benny Hofer sagt: „Das war mein erster Bankrott.“

Aber unter ging er deshalb nicht. Er weiß ja, wo oben ist. Und wie man Geld verdienen kann. Als Partyveranstalter und als DJ zum Beispiel. Benny Hofer verdiente damit genug, um seine Schulden abbezahlen zu können. Dann, als er 21 war, ging es weiter, nach Mexiko. Urlaub wollte er machen – und blieb ein Jahr. Weil er sich verliebt hatte und in Abbruchhäusern Raves veranstaltete. Sehr erfolgreich. „Als deutscher DJ wurde man gefeiert wie ein Gott“, erzählt er. Götter haben bekanntlich große Pläne. Zusammen mit seinen neuen mexikanischen Freunden plante er, einen Club aufzumachen. In Mexiko. Benny Hofer war Feuer und Flamme. Die anderen glommen höchstens. „Wenn man als Deutscher gewohnt ist, dass man Dinge einhält und feststellt, dass das in Mexiko nicht so ist, dann bekommt man Magenschmerzen“, sagt Hofer.

Und auch, dass er ein bisschen blauäuig durchs Leben laufe. Also zurück nach München. Weiter Partys und Events veranstalten. Diesmal als Mitglied der Partycrew Instant. Mit ihnen zog er Ende der 90er-Jahre bis nach Lissabon, floh dann aber nach Barcelona, als die Crew drohte, in einen Bandenkrieg reingezogen zu werden. Trotzdem sei das „eine wahnsinnig tolle Zeit“ gewesen damals. Doch irgendwann gingen sich alle auf die Nerven. Die Party war vorbei. „Ich habe mich dann wieder um mein normales Leben gekümmert.“

In München, seinem Zuhause, das er zwar fürchterlich aufgeräumt findet, dessen Dialekt er aber genauso mag wie die Isar, die Nähe zu den Bergen und und zum Land. Natürlich, diese „schreckliche Gentrifizierung“ macht auch vor der Schwanthalerhöhe nicht halt, wo er seit einigen Jahren mit seiner Familie wohnt, im Vorderhaus zu seiner Werkstatt übrigens. Aber München sei eben auch ein Dorf. „Und mehr braucht man nicht.“

Über einen Bekannten ist er damals bei einer Filmbaufirma gelandet. Hatte nebenbei noch ein eigenes Tonstudio. Weshalb ihn jeder kennt, der in München und Umgebung mit elektronischer Musik zu tun hat. Aber eines Tages war Schluss mit Filmbau und dem Tonstudio. Er verkaufte alles und legte sich vom Geld Nähmaschinen zu.

Gründete Oben. Entwarf Taschen, Rucksäcke und Polstermöbel, die in vielen Clubs stehen, in denen er früher Gast war. Jetzt, mit Kindern, ist Benny Hofer dort weniger unterwegs. Er wünscht sich aber mehr Zeit für Bambam und fürs Tüfteln. Der Erfindergeist braucht Beschäftigung. Er träumt von einem Webstuhl, der Beats in echten Stoff verwandelt. Die Vision ist schon da.

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