Der Bub ohne Namen

MÜNCHEN - Seit 16 Jahren sind die beiden Juristen Karl F. (46) und Viola (45) aus München glücklich verheiratet. Sie haben drei nette und gesunde Kinder. Aber dennoch hat das Ehepaar ein großes Problem.
Sie können sich nicht auf einen Namen für ihren inzwischen 14 Monate alten Sohn einigen. Der Namensstreit beschäftigte gestern das Bayerische Verwaltungsgericht. Denn das Münchner Standesamt hatte dem Ehepaar bereits vier Zwangsgeldbescheide (á 50 Euro) in einer Gesamthöhe von 200 Euro geschickt – damit die Eltern ihrem Sohn einen Vornamen geben.
Dagegen hatte das Ehepaar Klage eingereicht. Mit Erfolg. Die 7. Kammer gab den Eltern Recht: „Mit einem Zwangsgeld kann das Standesamt die Anzeige des Vornamens nicht erzwingen.“
Name muss innnerhalb einer Woche eingetragen werden
Die Behörde wird in Berufung gehen. Denn die Eltern seien gesetzlich verpflichtet, binnen einer Woche die Geburt des Kindes anzuzeigen und einen Vornamen eintragen zu lassen. Die Geburt des Sohnes hat Karl F. ordnungsgemäß in der vorgeschriebenen Frist beim Standesamt angezeigt, aber beim Namen fand das Ehepaar bis heute keine konkrete Einigung: „Wir lassen uns nicht vom Standesamt unter Druck setzen.“
Fest steht: Der Bub soll vier Vornamen bekommen. Gattin Viola wünscht sich: David-Laurin- Rafael-Julian. Dagegen ist aber Karl F.: „Ich nenne ihn Julian. Zwei römisch-katholische Namen sind mir zu viel. Bei unserer zweitältesten Tochter hat es auch drei Jahre gedauert, bis wir uns einig waren. Damals hat sich das Standesamt nicht beschwert. Das Kind ist kerngesund und hat keinen seelischen Schaden“, so Karl F.
"In der Schule heißen sie mal so und mal so"
Die Tochter ist heute fünf und heißt Lara-Latizia-Tifany- Alisa. „Ich spreche sie nur mit Alisa an und meine Frau mit Lara.“ Die älteste Tochter ist neun und hat auch vier Namen: Caris-Celina-Yasmin- Naomi. „Ich nenne sie aber nur Celina und meine Frau Caris. Oma, Opa und Onkel von meinem Stamm nehmen die Namen, die ich nehme und bei der Verwandtschaft meiner Frau ist es umgekehrt. In der Schule heißen sie mal so und mal so. Das klappt,“ sagte Karl F., der sich über einen Vorschlag der Behörde sehr empörte: „Wir sollten therapeutische Hilfe annehmen. Die meinen, wir sind nicht ganz dicht.“
Richter Gerhard Wiens, Vorsitzender der 7. Kammer, meinte, dass das Kind ein Recht auf einen Namen habe und schlug vor: „Können wir einen Tag festlegen, an dem sie eine Entscheidung getroffen haben?“ Karl F.: „Ich bin doch kein Prophet – aber zuversichtlich, dass wir einen Namen finden werden. Ich möchte mich aber nicht auf einen Tag festlegen.“ Der Namensstreit wird wohl noch länger die Justiz beschäftigen.
Torsten Huber