Der Beifahrer (35) stirbt, die Fahrerin (17) geht heim
Im Morgengrauen lässt ein Schongauer Wirt eine junge Frau – ohne Führerschein und betrunken – ans Steuer seines Z4. Die Fahrt endet tödlich
Schongau - Ein Traktorfahrer entdeckte den Toten. Der Landwirt wollte am Pfingstsamstag am Hohen Peißenberg auf sein Feld fahren, als er den völlig demolierten BMW Z4 kopfüber auf den Überrollbügeln auf einer Wiese liegen sah.
Auf dem Beifahrersitz in dem Wrack saß angeschnallt ein Toter. Von dem Fahrer des Unglückswagens fehlte zunächst jede Spur. Wo war er? Warum war er abgehauen? Stück für Stück rekonstruierte die Polizei am Pfingstenwochenende die Chronologie eines grauenvollen Unfalls, der die ganze Region aufwühlt.
Der Tote auf dem Beifahrersitz konnte schnell als Benjamin L., identifiziert werden. Der 35-Jährige betrieb mit einem Partner in Schongau ein Café mit Bar. Seine Kundschaft war jung. „Mein Sohn ist dort immer hingegangen, um Freunde zu treffen. Aber auch Ben, der Wirt, wurde für ihn zu einer wichtigen Bezugsperson“, erzählt eine Mutter.
Benjamin L. hatte zuvor jahrelang in einem Autohaus gearbeitet. Dann kündigte er. „Es war sein Traum, eine Kneipe aufzumachen“, berichtet sein ehemaliger Chef.
Seine Schwäche für schicke Autos blieb ihm: Der 35-Jährige leistete sich einen BMW Z4, den er aus finanziellen Gründen auf seinen Vater angemeldet hatte.
Am Freitagabend, dem Beginn der Pfingstferien, kamen viele Schüler und junge Leute zu Benjamin L. ins „Lilith’s“. Darunter eine 17-Jährige, die öfter in die Kneipe kam. Andere Teenager berichteten später der Polizei, dass sie viel getrunken habe, auch Schnaps.
Erst im Morgengrauen verließ der Wirt seine Kneipe – zusammen mit der 17-Jährigen. Laut Ermittlungen der Polizei war sie erheblich betrunken, vermutlich sogar absolut fahruntauglich, was einen Wert von mehr als 1,1 Promille bedeutet. Die beiden machten sich auf den Weg zum Hohen Peißenberg. Das Ausflugsziel mit der schönen Aussicht ist nachts bei Liebespaaren sehr beliebt. Irgendwann auf dem Weg dorthin muss Ben L. das Mädchen ans Steuer gelassen haben. Obwohl sie betrunken war. Obwohl sie keinen Führerschein hatte und auch „begleitet“ nicht hätte fahren dürfen. Ohne Verdeck fuhren sie durch die Frühlingsnacht.
Der Unfall geschah vor der 180 Grad-Kehre unterhalb des Sendeturms am Hohen Peißenberg. Die junge Fahrerin geriet plötzlich zu weit nach rechts und kam von der Straße ab. Der BMW rumpelte etwa 50 Meter durch eine Wiese, hob dann an einem Hügel ab, schleuderte etwa 30 Meter durch die Luft, prallte gegen eine Leitplanke, schleuderte wieder durch die Luft, überschlug sich noch mehrmals und blieb schließlich kopfüber auf der Wiese liegen.
Benjamin L. muss sofort tot gewesen sein. Rechtsmediziner stellten einen Genickbruch fest. Die Fahrerin blieb fast unverletzt: Mit blauen Flecken auf der Stirn und Prellungen befreite sie sich aus dem Wrack. Dann ging sie einfach davon. In der Nähe schliefen ein paar andere junge Menschen ihren Rausch aus. Die Wiese diente als Parkplatz für Besucher eines Weinfestes. Nachdem ein paar von ihnen durch den dumpfen Aufprall des BMW kurz wach geworden waren, schliefen sie wieder ein. Sie bekamen erst mit, was geschehen war, als der Bauer zwei Stunden später die Polizei und Feuerwehr alarmierte.
Stundenlang suchten Dutzende Helfer anschließend mit Hunden und zwei Hubschraubern nach dem BMW-Fahrer, von dem zu diesem Zeitpunkt noch niemand wusste, wer er war.
Dann bekam die Polizei einen Tipp von einem Gast, der am Vorabend im Lilith’s gewesen war. Nachmittags klingelten Beamte bei der 17-Jährigen. Sie hatte noch immer Restalkohol intus und war wohl im Schock davongelaufen. Als sie erfuhr, dass Ben L. tot ist, sackte sie weinend zusammen.
Die Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Ein Haftbefehl gegen die 17-Jährige wurde nicht beantragt.