Der Balkon als Fallbeil

Das war knapp: Michael B. (45) aus Schwabing will kurz frische Luft schnappen, da bricht der Balkon unter ihm von der Wand. Der Mann kann sich retten – und eine Blume noch dazu
von  Abendzeitung
Michael B. hat sich gerade noch in Sicherheit gebracht.
Michael B. hat sich gerade noch in Sicherheit gebracht. © AZ

MÜNCHEN - Das war knapp: Michael B. (45) aus Schwabing will kurz frische Luft schnappen, da bricht der Balkon unter ihm von der Wand. Der Mann kann sich retten – und eine Blume noch dazu

„Ich hab’ mir den Topf mit der Sonnenblume geschnappt“, erzählt Michael B., „dann spürte ich, wie der Boden unter meinen Füßen plötzlich wegsackte.“ Um Haaresbreite wäre der 45-jährige Informatiker am Mittwochabend von seinem Balkon mit in die Tiefe gerissen worden. Die freischwebende Stahlkonstruktion war ohne ersichtlichen Grund umgeknickt.

Wie ein Fallbeil baumelt die tonnenschwere Betonplatte im 2. Stock an der Fassade des Mietshauses in der Siegesstraße. Nur eine verbogene Stahlstrebe verhindert, dass alles alles jeden Moment in die Tiefe stürzt. Michael B. steht der Schreck noch ins Gesicht geschrieben: „Ich wollte eigentlich nur meine Katzen Isis und Cicero hereinholen, die draußen auf dem Balkon dösten.“ Der Informatiker stand bereits mit einem Bein auf dem Balkon, als er plötzlich ein seltsames Geräusch hörte. „Pling machte es“, erzählt Michael B., „als wenn eine Metallstrebe reißt.“

Dann begann sich der Balkon wie in Zeitlupe abzusenken. „Keine Ahnung, warum ich mir ausgerechnet die Sonnenblume geschnappt habe“, sagt der 46-Jährige, „das war vermutlich ein Reflex.“ Isis und Cicero schafften es jedenfalls ohne Herrchens Hilfe aus dem Gefahrenbereich.

Für Michael B. ist der vergangenen Mittwoch ab jetzt so etwas wie sein zweiter Geburtstag. Der ist eigentlich im Januar. Michael B. ist damit vom Sternzeichen Steinbock. Für Astrologie oder ähnliches hat er sich allerdings bisher nie interessiert. „Ich bin offenbar ein echtes Glückskind“, sagt der Informatiker, „am meisten freue ich mich aber, dass auch sonst niemand verletzt wurde.“

Wie seine Nachbarn einen Stock tiefer. „Bei schönem Wetter sitzen mein Freund und ich jeden Abend auf dem Balkon“, erzählt David J. (50). Gestern war er allerdings zufällig nicht zu Hause, sondern auf dem Rückweg vom Einkaufen: „Als mich Jochen anrief und erzählte, dass der Balkon abgestürzt ist, dachte ich zuerst, der ist betrunken.“

Den Balkon darf David J. die nächste Zeit nicht mehr betreten. Ein Statiker muss den Balkon des 50-Jährigen auf seine Stabilität hin überprüfen. Außerdem muss der abgenickte Balkon darüber noch geborgen werden. Für Michael B., der das Mietshaus vor Jahren von seinen Eltern geerbt hat, derzeit das größte Problem: „Der Balkon kann nicht einfach abmontiert werden. Dafür ist der Hinterhof zu klein.“

Vermutlich muss ein Kran her, der den Balkon von der Straße aus über das Hausdach hebt.

Ralph Hub

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