Der Alltag eines Paketboten in München
München - Felice Iannone (49) bestellt nie etwas im Internet. "Ich brauche den Kontakt mit den Leuten, wenn ich einkaufe", sagt der Paketzusteller, der seit 20 Jahren rund um die Bayerstraße Packerl ausliefert.
"Als ich angefangen habe, bin ich in der Früh mit 70 Paketen gestartet", sagt Iannone. Heute hat er an einem normalen Tag 200 bis 230 Pakete. Nur: An den Wochen vor Weihnachten gibt es keine normalen Tage. "In der Vorweihnachtszeit ist jeder Tag krass, wobei Mittwoch und Donnerstag die stärksten Tage sind. Denn die Leute bestellen meist am Wochenende."
Viele bestellen private Pakete ins Büro – so lange sie es dürfen
300 bis 380 Pakete hat Iannone in der Vorweihnachtszeit in seinem Paketbus. Für das Einladen, das normal eine Stunde dauert, braucht er jetzt eineinhalb Stunden. "Ich habe mein System, aber an Weihnachten gibt es ab einem bestimmten Punkt kein System mehr." Deshalb sortiert Iannone immer wieder aufs Neue seine Pakete, die bis zu 31,5 Kilo schwer sind.
Im Patentamt, das auch zu seinem Bereich gehört, liefert Iannone seit einiger Zeit weniger an: Private Pakete an die Mitarbeiter dort wurden verboten, weil die Poststelle bei 1.500 Mitarbeitern mit im Schnitt 50 privaten Paketen am Tag überlastet war.
Dass er sich in seinem Gebiet minutenlang durch Häuser klingeln muss, bis ein Nachbar das Paket annimmt, passiert Iannone selten. In seinem Gebiet sind vor allem Firmen ansässig – da bleibt’s nicht aus, dass er hier mal einen Kaffee trinkt und dort einen Espresso bekommt. "Ich hatte vor einem Jahr eine Magenentzündung, weil ich auf zu viel Kaffee eingeladen wurde."
Trinkgeld und Aufmerksamkeiten für Paketboten immer seltener
Zu Weihnachten gibt’s nicht nur Kaffee, sondern kleine Aufmerksamkeiten: 15 bis 25 Euro geben die Firmen im Schnitt Trinkgeld – mehr ist nicht erlaubt – manche eine Flasche Wein oder Schokolade. "Aber die Firmen sparen, das Trinkgeld wird weniger." Im vergangenen Jahr hatte Iannone etwa 25 Flaschen Wein bekommen, heuer sind es erst zwei Flaschen. "Am meisten freue ich mich, wenn ich ein Schokoladenherzerl bekomme, das schenkt mir Lächeln." Vom Sexshop, der mittlerweile geschlossen ist, hatte Iannone in einem Jahr ein Gipsset bekommen, um sein bestes Stück zu verewigen. "Das habe ich weiterverschenkt", sagt Iannone und fügt hinzu: "Der Sexshop ist dann wegen des Internets pleite gegangen."
Iannone rennt nicht, aber er geht in einem Tempo, dass andere rennen müssen, wenn sie mit ihm Schritt halten wollen. Dabei grüßt er in alle Richtungen, wird zurückgegrüßt, schüttelt hier eine Hand und ruft da ein "Ciao, Servus, Hans!" über die Straße. "Das ist eine Sache der Erziehung", sagt Iannone auf die Frage, wie er es geschafft hat, dass ihn jeder im Viertel grüßt und dann grüßt er fröhlich weiter.
Dass der gebürtige Italiener harte Arbeitstage hinter und vor sich hat, merkt man ihm nicht an. Um Weihnachten helfen auch Kollegen aus, die sonst in der Nachtschicht beim Sortieren sind. Zusteller wie Iannone können freiwillig einen sechsten Tag arbeiten und bekommen dafür zehn Überstunden gutgeschrieben.
"Ich brauche die körperliche Arbeit und den Kontakt mit den Menschen"
Am 24. Dezember arbeitet Iannone bis 14 Uhr. "Ich brauche ein bisschen, bis ich runterkomme. Am 26.12 bin ich dann meistens wieder fit. Aber das ist mein Job, das habe ich mir ausgesucht. Und was sollen erst all die sagen, die an Weihnachten arbeiten müssen."
Iannone erzählt, dass er bei der Post auch ins Büro oder zu den Briefträgern wechseln könnte. "Aber ich brauche die körperliche Arbeit und den Kontakt mit den Menschen."
Und dann fällt ihm noch ein, dass er zweimal im Jahr doch eine Bestellung im Internet macht: Die gelb-rote Arbeitskleidung der Deutsche Post DHL kann mittlerweile nur noch online bestellt werden.
Lesen Sie hier: So kommt die Weihnachtspost gut an
- Themen:
- Wein