Der A380 in München: Die Regen-Landung
MÜNCHEN - Trotz des miesen Wetters bestaunen hunderte Fans den neuen Airbus A 380. Der hatte schon fast eine Europareise hinter sich. Am Sonntag fliegt damit die Nationalmannschaft nach Südafrika.
Flughafen München, Mittwoch, 2. Juni, 16.30 Uhr, Regen, 12 Grad Lufttemperatur: An einem kilometerlangen Zaun reihen sich Menschen in quietschfarbenen Gummistiefeln und Regencapes dicht an dicht. Unter Schirmen zoomen Objektive auf die Szenerie jenseits des Zauns, einer hat sich eine Leiter mitgebracht, damit er noch bessere Bilder bekommt. Ein anderer ist gleich mit der ganzen Großfamilie angereist, um das erwartete Spektakel zu verfolgen. Was diese Menschen bei derartig ungemütlicher Witterung nach draußen treibt? Nein, der Papst ist es diesmal nicht. Und Freibier gibt’s auch keins. Bleibt nur noch königlicher Besuch. Und tatsächlich: Was diese Menschen hier erwarten, ist die Majestät der Lüfte: der erste Airbus A 380 der Lufthansa.
Um 16.40 Uhr soll er hier auf dem nördlichen Rollfeld des Münchner Flughafen landen. Nach genau acht Jahren, fünf Monaten und 13 Tagen Wartezeit hat die Lufthansa am 19. Mai endlich ihren eigenen Supervogel ausgeliefert bekommen. Und lässt es sich nicht nehmen, ihr bestes Pferd im Flugstall begeisterten Luftfahrtfans überall in Deutschland und Österreich zu zeigen. Um 6.45 Uhr hob der Jumbo auf dem Flughafen Frankfurt am Main ab. Von dort aus ging es über Stuttgart, Wien, Dresden und Linz nach München.
Für den Linienverkehr ist das Lufthansa-Riesenbaby erst ab dem 11. Juni freigegeben. Ein standesgemäßer Jungfernflug findet allerdings schon am Sonntag, den 6. Juni statt: Wenn die Deutsche Fußballnationallmannschaft mit dem nagelneuen Superkranich zur Weltmeisterschaft nach Johannesburg fliegt – zusammen mit 150 Fans, die sich beim DFB um den Mitflug beworben hatten und ausgelost wurden.
Wer es nicht geschafft hat, versucht wenigstens von außen einen Blick auf den „Jogi-Bomber“ zu erhaschen. Punkt 16.40 Uhr sind hunderte Kameras gezückt. Irgendwo aus dem gräulich-nassen Schleier da oben muss er gleich auftauchen. Auf der Straße entlang des Rollfeldes steht der Verkehr. Wer jetzt aus Versehen mittendrin steht und eigentlich nur nach Hause will, hat Pech gehabt. Die Motoren gehen sicher erst wieder an, wenn der Vogel gelandet ist.
16.40 Uhr ist mittlerweile durch – und noch immer kein Superjumbo in Sicht. Gespanntes Starren auf den Horizont, beschlagene Brillen werden hektisch geputzt, Handykameras unter Plastiktüten zurechtgerückt. Als um 16.54 Uhr der Erste schreit: „Da ist er, ich seh’ ihn!“, haben die meisten schon so steifgefrorene Finger, dass sie kaum mehr den Abzug drücken können. Und dann sieht man ihn endlich: Langsam, ganz majestätisch und unglaublich leise taucht die Riesenmaschine aus dem Regenvorhang auf. Jetzt heißt es draufhalten, egal, ob der Regen in den Ärmeln bis zu den Achselhöhlen raufsteigt. Als die Maschine aufsetzt, spritzt das Wasser auf der Landebahn in alle Richtungen. Toll: die erste Wasserlandung eines Maxi-Airbus in München – und wir waren dabei!
Der nächste Programmpunkt des Riesen-Events hört sich wie ein schlechter Scherz an: „Wassertaufe durch die Feuerwehr“. Naja, Hauptsache symbolisch macht’s Sinn. Dass man den Wasserstrahl aus den Feuerwehrspritzen im Regen fast nicht sieht, ist ja nicht so wichtig. Dafür sieht man den Airbus aus nächster Nähe. Die Größe ist wirklich beeindruckend: Der Doppeldecker hat mit 24 Metern die Höhe eines mehrstöckigen Wohnhauses. In den Triebwerken könnte man locker einen Linienbus verstecken und die Spannweite ist mit 79,8 Metern knapp zehn Meter breiter als ein reguläres DFB-Fußballspielfeld.
Und dann geht’s – zumindest für die AZ – endlich rein in die Maschine. Für einen kurzen Moment vergisst man fast, dass man sich im größten und modernsten Passagierflugzeug der Welt befindet. Hauptsache im Trockenen! Als erstes geht es in die First Class rauf. Dort hat ein Sitz eher die Dimensionen eines Throns, weich gepolstert, mit ausfahrbaren Trennwänden, damit der Millionär nebenan nicht sehen kann, was man sich gerade auf seinem Breitwand-LCD-Monitor anschaut. Anstelle einer Bordtoilette gibt es ein luxuriöses Badezimmer mit einem abgetrennten Wasch- und Umkleidebereich.
Genau acht Plätze gibt es in der Luxusklasse. Deshalb bleibt sie beim Jungfernflug mit Jogis Jungs auch ungebucht. Bevor sich die Spieler um die besten Plätze streiten, hat der DFB gleich die gesamte Business-Class gebucht. Man ist ja bescheiden. Schließlich fliegt sich’s dort auch alles andere als schlecht. Statt acht Plätzen wie in der Economy gibt es nur sechs Sitze in einer Reihe, die Gänge sind breiter und für genug Beinfreiheit ist auch gesorgt, da wird auch nicht Per Mertesacker mit den Knien anstoßen.
Wenn die Jungs ein Nickerchen machen wollen, müssen sie sich nicht mal heimlich in die First Class schleichen: Die Sitze in der Business Class lassen sich zu einem zwei Meter langen Bett ausziehen. Lahm und Trochowski könnten sich also glatt eins teilen. Auf dem Bildschirm kann Jogi nochmal ganz entspannt die Taktik der Australier, Serben und Ghanaer analysieren, bevor es dann eine Woche später gegen Australien wirklich ernst wird. Falls die Kondition bei dem ein oder anderen noch zu wünschen übrig lässt, wird einfach ein Treppenlauf zwischen Unter- und Oberdeck verordnet. Man muss die 15 Stufen nur oft genug hoch und runter rennen, dann bekommen sicher auch die Stewardessen bald Fussballerwadln.
Für mangelnde Treffsicherheit beim Elfmeter-Schießen empfiehlt sich ein Zielschießen auf das Nadelöhr zwischen Passagierkabine und Cockpit. Wer durch diese schmale Tür trifft, kann bei der WM nichts mehr versemmeln. Dahinter tut sich das Reich der Piloten auf: Ein echtes Luxuscockpit, das die Lufthansa-Piloten da ihren Arbeitsplatz nennen. „Für uns Piloten ist das ein ganz neues Fluggefühl“, sagt Pilot Raimund Müller, der bislang etwa 100 Flugtrainingsstunden im neuen Airbus absolviert hat. „ Alle Informationen, die wir beim Fliegen benötigen, sind hier intelligenter und übersichtlicher aufbereitet. Außerdem ist die Maschine unglaublich leise, was für uns weniger Stressbelastung bedeutet“, sagt Müller. Er wird die Nationalmannschaft zusammen mit zwei Kollegen am Sonntag nach Johannesburg fliegen. Besonders freut er sich schon auf Bastian Schweinsteiger. „Meine kleine Tochter ist ein Riesenfan von Schweini. Wenn es sich irgendwie ergibt, werde ich versuchen, ein Autogramm für sie zu bekommen.“
Das wünschen sich sicher auch die 150 Fans, die auf dem Flug nach Johannesburg eine Etage tiefer untergebracht sind. Auch die haben’s nicht unbequem: Fünf Zentimeter zusätzliche Beinfreiheit haben die Ingenieure fürs Fußvolk springen lassen. Dann kann ja nichts mehr schief gehen, wenn es am Sonntag heißt: „Our Destination: Johannesburg . . .“ Vanessa Plodeck