Denkmalschützer Mathias Pfeil: "Das Bergwerk ist ein Kunstwerk"

München - Seit Ende Juni ist der Publikumsrenner im Deutschen Museum, die Bergwerkausstellung, geschlossen. Der zweite Abschnitt der Generalsanierung steht an, alles muss raus. Die Exponate werden in Kisten gepackt und erstmal eingelagert. Frühestens in zehn Jahren, schätzt Kurator Andreas Gundelwein, könnte wieder eine Bergwerkausstellung zu besichtigen sein.
Doch wer soll die Kosten übernehmen, die Gundelwein auf zehn Millionen Euro schätzt? Im jetzigen Gesamtvolumen von 745 Millionen für die Sanierung ist diese Ausstellung nicht vorgesehen. Und - sollte die Finanzierung gelingen - wie soll das Bergwerk dann ausschauen? Den Denkmalschutz hatte das Museum dabei wohl nicht so richtig auf dem Schirm. Die Vorgaben stehen den Vorstellungen des Kurators konträr entgegen.
Zeit für ein Gespräch mit Bayerns oberstem Denkmalschützer Mathias Pfeil. Für den Generalkonservator ist das Bergwerk "die Herzkammer" des Museums.
AZ: Herr Professor Pfeil, waren Sie auch schon als Kind im Bergwerk des Deutschen Museums?
MATHIAS PFEIL: Ja! Ich bin als kleiner Junge mit Begeisterung die Rutsche hinuntergerutscht. Und ich erinnere mich, dass ich immer mit einem beklemmenden Gefühl rausgegangen bin. Danach wollte ich kein Bergmann werden. Aber, ganz große Achtung vor diesem Beruf! Wer durchs Bergwerk geht, kann nachempfinden, was die Menschen im Bergbau geleistet haben. So eine dichte Atmosphäre habe ich ganz selten erlebt. Das Bergwerk ist ein sehr emotionales Thema. Da ist jeder schon durchgelaufen, hat Erlebnisse mit seinen Kindern gehabt. Es hat bayerische Seele - und darüber hinaus.
Heute sind Sie Chef des Landesamtes für Denkmalpflege. Haben sich hier im Amt auch schon Menschen beschwert, weil nicht sicher ist, ob es überhaupt wiederkommt?
Ganz klar. Immer wieder. Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen.

Das Bergwerk steht unter Denkmalschutz. Seit wann?
Schon lange. Wir haben dem Deutschen Museum bereits 2009 auf seine Anfrage mitgeteilt, dass es als Bestandteil der Erstausstattung natürlich Denkmal ist. Das ist unbestritten.
Das Bergwerk von 1925 steht unter Denkmalschutz
Umfasst das alles?
Das umfasst das Bergwerk in der Größe, die Sie kennen, das Bergwerk von 1925. Einige Räume, die später dazukamen, sind nicht unter Denkmalschutz. Natürlich gibt es Bereiche, die in ihrer Überlieferung besonders dicht sind und wir müssen mit dem Deutschen Museum darüber reden, wie im Zuge der ja leider unvermeidbaren Umplanungen - ich spreche hier nur die Brandschutzmaßnahmen an - gerade diese Bereiche gerettet werden können.
Bei meinem Rundgang mit dem Kurator Herrn Gundelwein kurz vor der Schließung waren die Kulissen Thema. Er sagte, dass sie aus fachlicher Sicht mangelhaft seien.
Das ist vielleicht technisch richtig. Aber aus denkmalfachlicher Sicht unerheblich.
Der Kurator würde die jetzigen Felsdarstellungen, also die Kulissen, am liebsten wegwerfen und wenn die Ausstellung wieder aufgebaut wird, neu aufbauen. Darf er das?
Wir haben mit dem Deutschen Museum vereinbart, dass die Kulissen unter restauratorischer Aufsicht herausgenommen und denkmalgerecht zwischengelagert werden können, weil in den Räumen gearbeitet werden muss.
Das heißt, sie müssen aufbewahrt werden?
Sie müssen so gelagert werden, dass man sie wieder einbauen kann. Sicherlich gibt es ein paar Kulissenteile, die man nicht wieder einbauen können wird.
"Es gibt Veränderungen, die einen 1:1-Wiederaufbau nicht möglich machen"
Warum nicht?
In den Räumen müssen Brandschutzmaßnahmen vorgenommen werden, sie brauchen eine Rauchentlüftung, Fluchtwege, das sind natürlich alles Veränderungen, die einen 1:1-Wiederaufbau nicht möglich machen, das ist klar. Die Dinge, die jetzt aus sicherheitstechnischen und statischen Gründen gemacht werden müssen, kann man ja nicht ignorieren. Von dem her gibt es Bereiche, die nicht mehr wiederkommen können. Es gibt auch ein paar Schäden durch Hochwasser. Aber das ist überschaubar.
Im Salzbergwerk zum Beispiel. Da modert es.
Einige Teile sind bereits so geschädigt, dass klar ist, dass ein Wiedereinbau unverhältnismäßig wäre. Doch solche Schäden sind im einstelligen Prozentbereich. Wir haben immer noch große Bereiche, die im Bestand erhaltenswert und unverändert sind. Wie sie wieder eingebaut werden, muss in einem Konzept dargestellt werden.
Es gibt also noch kein neues Ausstellungskonzept?
Zumindest ist uns dieses nicht bekannt. Es ist ja nachvollziehbar, dass der Kurator sagt, er würde in diesem Bergwerk gern auch Dinge noch verändern. Aber dazu wäre es einfach auch erforderlich, dass man sich überlegt, welche Bereiche bleiben unverändert und welche kann ich nicht wieder aufbauen. Und was mache ich dann dort? Im Endeffekt ist das eine Art Voruntersuchung, die wir bei allen historischen Gebäuden machen: eine Untersuchung vor der Sanierung. Das muss kommen.
"Wir brauchen einen Fahrplan"
Das erwarten Sie jetzt also vom Deutschen Museum?
Nicht ich. Das erwarten, denke ich, alle. Wir brauchen einen Fahrplan. Das ist nicht nur eine Sache, die die Denkmalpflege fordert, sondern alle Menschen brauchen. Sie müssen doch erklären, warum sich was wie ändert. Dazu brauche ich eine Planung.
Gibt es die vielleicht einfach noch nicht, weil kein Geld fürs Bergwerk vorgesehen ist?
Das weiß ich nicht. Ich habe tatsächlich nicht wirklich eine Ahnung, was der Kurator konkret fordert. Ich glaube schon, dass er seine Ideen hat. Darüber müsste man sich eben austauschen.
Wie schaut der Ausbau jetzt konkret aus? Muss das Deutsche Museum Sie bei jedem Teil fragen, ob das wegkann?
Dinge, die offensichtlich schadhaft sind, müssen natürlich nicht aufwendig ausgebaut und denkmalgerecht zwischengelagert werden. Da haben wir schon ein gehöriges Maß an Vertrauen. Das funktioniert schon.
Also haben Sie keine Sorge, dass jetzt Dinge unwiederbringlich verschwinden, die aufgehoben werden müssten?
Nein, ich vertraue dem größten Museum Deutschlands schon sehr. Sollte es bereits beim Ausbau zu unerwarteten Problemen kommen, muss man eben darüber reden. Ich glaube, die Menschen vor Ort, die am Bergwerk und dort an den Kulissen arbeiten, machen das sehr solide. Ich war vor Kurzem selbst mal unten und habe mir das angeschaut. Der Restaurator im Bergwerk wird sicher nichts wegschmeißen, was er für erhaltbar hält. Er liebt das Bergwerk.
"Wir haben heute ganz andere Sicherheitsvorkehrungen"
Nach der Sanierung gibt es zehn Prozent weniger Platz.
Das ist tatsächlich so. Wir haben anfangs gedacht, dass es natürlich schön wäre, wenn man es wieder so einbauen könnte, wie es war, aber das geht nicht: Wir haben heute ganz andere Sicherheitsvorkehrungen, auch die Statik in den Räumen war nicht ideal.
Der Kurator kritisiert an der Ausstellung, dass sie fachliche Mängel habe. Zum Beispiel gibt es am dargestellten Fels keine Spuren von den Werkzeugen, mit denen sie eigentlich bearbeitet sein müssten.
Es wird manchmal kritisiert, dass das Bergwerk eine Situation darstellt, die so nie gewesen sei und so auch vom Bergmännischen nicht stimmt. Aber das macht ja nichts.
Warum macht das nichts?
Weil es ein Kunstwerk ist. Es ist ein Kunstwerk aus der Zeit, als das Deutsche Museum errichtet worden ist - mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln. So wie man sich ein Bergwerk vorgestellt hat und man geglaubt hat, dass man es so den Menschen vermitteln kann. Es hatte nie vor, die Realität widerzuspiegeln. Es ist der Versuch, den Menschen ein Bergwerk näherzubringen, emotional, nicht faktisch. Wenn es ein Künstler schafft, Realität zu interpretieren und damit Gefühle zu erzeugen, die ja genau das widerspiegeln sollen, ist das doch toll.
Vielleicht ist das Deutsche Museum dann der falsche Ort für das Bergwerk? Das Museum hat ja den Anspruch, wissenschaftlich korrekt darzustellen.
Ja, aber in diesem Konflikt sind wir immer, wenn es darum geht, historische Dinge instand zu halten und instand zu setzen. Denken Sie an Schloss Neuschwanstein, das musste auch einige Veränderungen akzeptieren, weil da einfach viele Menschen durchgehen. Sie müssen immer die Situation anschauen, die da ist.
"Wir sind bestimmt die Letzten, mit denen man nicht reden kann"
Wie ist die Situation hier?
Wir haben ein Denkmal, das nie vorhatte, die Realität widerzuspiegeln, das nicht zu 100 Prozent neu eingebaut werden kann, und wir haben den Anspruch des Deutschen Museums - so habe ich Herrn Gundelwein verstanden - aktuelle Realität zu zeigen. Da muss man halt versuchen, daraus eine neue spannende Konzeption zu machen.
Herr Gundelwein sagt, er hält es für Quatsch, Sachen aufzubewahren, von denen er weiß, dass sie nicht mehr ausgestellt würden. Das würde zu viel Geld kosten.
Wieso weiß er das so genau? Das kann er doch erst wissen, wenn es ein Konzept gibt, in dem Alt und Neu kombiniert dargestellt sind. Wir sind bestimmt die Letzten, mit denen man nicht reden kann. Es ist ja nicht erst seit 2022 bekannt, dass das Deutsche Museum ein Bergwerk hat, das ein Denkmal ist.
Glauben Sie daran, dass das Bergwerk wiederkommt?
Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen von uns erwarten, dass wir uns alle Mühe geben, dass dies möglich sein wird. Bei Schwierigkeiten muss man das anhand von Fakten eben diskutieren, ich bin überzeugt davon, dass es dann gelingen wird, nachvollziehbare Lösungen zu finden. Und auch der Generaldirektor des Deutschen Museums hat ja gesagt, dass er das Bergwerk wiedersieht.
Haben Sie sich mal gewundert, dass bei einem Bauvolumen von 745 Millionen Euro keine zehn Millionen für das Bergwerk drin sein sollen?
Ach, wissen Sie, es passiert immer wieder, dass man sich mal wundert. Ja.