"Den 90. feiert man nur einmal": Ein Festakt für Charlotte Knobloch in München

München - Als kleines Mädchen hat Charlotte Knobloch die Reichspogromnacht in München erlebt. An der Hand ihres Vaters musste sie aus ihrer Wohnung fliehen. Nun ist Charlotte Knobloch 90 Jahre alt. Und steht zur Feier des Tages vor der Synagoge. Ihrer Synagoge. Ihrem Lebenswerk. Mitten in ihrer Stadt.
Zum 90. Geburtstag von Charlotte Knobloch: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Besuch
Was muss es für diese Frau bedeuten, dass der Bundespräsident kommt, zu ihren Ehren. Knobloch wirkt gerührt, als Frank-Walter Steinmeier (SPD) ankommt, sie umarmen sich. Ein besonderer Moment an einem sehr besonderen Tag.

Beim Festakt spricht sie sehr persönlich von ihren Enkeln und Urenkeln, dankt ihren Wegbegleitern und Politikern; ab und zu wird ihre Stimme brüchig. „Ich bin immer da für euch, wenn irgendwas zu tun ist“, sagt sie an ihre Enkel gerichtet. Man hat das Gefühl, sie meint auch alle anderen Anwesenden.
„Ohne Sie würde es diese Synagoge wohl auch gar nicht geben“, formuliert es Maria Furtwängler. Die Schauspielerin führt durch den Abend, der geprägt ist von vielen persönlichen Reden und dem Spiel von Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter mit Stipendiaten ihrer Stiftung sowie Mitgliedern des Jewish Chamber Orchestra.
„Sie war und ist eine zarte Stimme, die viel Gewicht hat“
Am Samstag hatte Knobloch ihren Geburtstag mit ihrer Familie gefeiert. Ihre ersten Gedanken am Morgen galten ihrer Großmutter. „Die hätte sich wahnsinnig gefreut, wenn sie diesen Tag mit mir erlebt hätte. Sonne, Freunde, Familie – ein Geburtstag, von dem ich zwar am Anfang nicht so begeistert war. Aber ich habe verstanden, den 90. feiert man nur einmal“, sagt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Genau aus diesem Grund fällt das Fest ein wenig größer aus. „Wir hätten die Synagoge zweimal vollmachen können“, sagte Richard Volkmann, Sprecher der Israelitischen Kultusgemeinde vor dem Fest. „Dass das jüdische Leben wieder so präsent ist in Deutschland, haben wir zu großen Teilen Dr. Charlotte Knobloch zu verdanken“, betont Rabbiner Shmuel Ahron Brodman.
Rückblick: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte Charlotte Knobloch zu den wenigen Dutzend Jüdinnen und Juden, die nach München zurückkehrten.
Steinmeier: "Zutiefst dankbar für das Geschenk der Versöhnung"
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagt während seiner Festrede: „Ich bin zutiefst dankbar für das Geschenk der Versöhnung, das Sie unserem Land und auch mir persönlich gewährt haben! Ohne Menschen wie Sie wäre auch ich heute ein anderer.“

Man merkt den beiden an, dass sie sich lange kennen, die Beziehung ist geprägt von großer Wertschätzung. „Sie sind ein Glück für unser Land“, sagte er zum Ende.
Söder: "Ihre Tapferkeit macht anderen Mut"
Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gratuliert und bedankt sich recht persönlich bei Knobloch. Sogar als „Engel“ bezeichnet er sie. „Ihre Tapferkeit macht anderen Mut“, so Söder. Auch die beiden haben einen freundschaftlichen Umgang miteinander.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ist selber ganz bewegt, als er der 90-Jährigen gratuliert. Knobloch nennt ihn gerne „meinen Oberbürgermeister.“ Er sagt: „Ich bin stolz, dass Sie die Ehrenbürgerwürde der Stadt angenommen haben.“ Wenige hätten die Stadt so geprägt.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, spricht Knobloch seinen größten Respekt aus. „Sie hat der Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland einen Platz gegeben. Sie war und ist eine zarte Stimme, die sehr viel Gewicht hat“, so Schuster.

Nach der Synagoge wird im Gemeindezentrum gefeiert
Neben vielen prominenten Gesichtern aus der Politik besuchen unter auch Uli Hoeneß, Oliver Kahn und Hubert Burda den Festakt. Burda und Furtwängler zeigen sich das erste Mal seit ihrer Trennung in der Öffentlichkeit. Gekommen sind sie nacheinander.
Nach der Synagoge wird im Gemeindezentrum gefeiert. Knobloch freut sich sichtlich.
An diesem Abend dreht sich alles um diese kleine große Frau, die für das Zusammenleben in Deutschland so viel erreicht hat – nicht nur für das Jüdische.