Demjanjuk-Prozess: Anwalt und Richter streiten
MÜNCHEN - Zeuge Thomas Walther berichtet über seine Recherchen im Fall John Demjanjuk. Bereits vor seiner Aussage kommt es zum Eklat. Richter Alt droht einem Verteidiger sogar mit Rauswurf
Er hat den Fall John Demjanjuk für die deutsche Justiz ins Rollen gebracht. Richter Thomas Walther (66) recherchierte für die Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg an einem anderen Fall, als er über ein Urteil eines US-amerikanischen Berufungsgerichtes stolperte. In dem war von John Demjanjuk die Rede. Walther forschte weiter und fand die Entscheidung eines US-Bezirksgerichtes, in dem es hieß, Demjanjuk sei als Wachmann an der Ermordung tausender Juden beteiligt.
Doch durfte auch ein deutsches Gericht gegen Demjanjuk vorgehen? Thomas Walther musste beweisen, dass Demjanjuk am Tod von Deutschen beteiligt war. Er forschte in Jerusalem, Washington, aber auch in Feldafing, Landshut und Regensburg, den bayerischen Aufenthaltsorten Demjanjuks. Der Richter aus Wangen arbeitete sich durch die Transportlisten der Züge, die in Sobibor ankamen und verglich sie mit den Opferlisten unter anderem des Yad-Vashem-Archivs in Jerusalem. Unter den mehr als 29 000 Namen, die er fand, waren auch viele deutsche Juden, die aus dem holländischen Lager in Westerbork nach Sobibor transportiert und am Tag ihrer Ankunft vergast wurden.
Holprige Zeugenaussage
Ein zweites Argument: Sobibor war Teil der „Aktion Reinhardt“, der systematischen Ermordung aller Juden in Polen. „Wer an dieser Aktion des Deutschen Reiches beteiligt war, war ein deutscher Amtsträger“, argumentiert Walther. Die Münchner Staatsanwaltschaft stützt sich auf seine Arbeit und klagte den angeblichen Wachmann Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an 27.900 Juden an.
Doch Walthers Zeugenaussage verlief holprig. Er wurde ständig von Demjanjuk-Verteidiger Ulrich Busch unterbrochen. Unter anderem beantragte Busch die Aussetzung des Verfahrens. Seine Beschwerde: Die Verteidigung habe immer noch nicht alle Akten einsehen dürfen.
Es kam zum Streit mit Richter Ralph Alt, der die Zeugenaussage Walthers fortsetzen ließ. Er drohte dem Verteidiger sogar mit Rauswurf aus dem Gerichtssaal, falls dieser weiter stören würde. Der Prozess wird fortgesetzt.
John Schneider
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