"Demjanjuk im Theater": NS-Prozess als Kabarett
Das Verfahren gegen John Demjanjuk dient als Vorlage für ein satirisches Theaterstück – morgen ist Premiere in Heidelberg. Der kanadisch-jüdische Autor will den Ukrainer „humanisieren“.
HEIDELBERG/MÜNCHEN Seit Monaten ist John Demjanjuk in allen Medien präsent – der 89-Jährige steht in München wegen Beihilfe zum Mord in 27 900 Fällen vor Gericht. Nun holt der kanadisch-jüdische Autor Jonathan Garfinkel den mutmaßlichen NS-Verbrecher aus dem Gerichtssaal als Figur auf die Bühne: Morgen wird sein Stück „Die Demjanjuk-Prozesse“ am Theater Heidelberg erstmals in deutscher Fassung aufgeführt.
Hinter dem als „Holocaust-Kabarett“ arrangierten Drama steht der Versuch des 36 Jahre alten Autors „mit den Mitteln der Satire“, neben dem Täter Demjanjuk auch den Menschen zu zeigen. Im Gerichtssaal blieb der Greis stumm – in der Bühnenfassung bekommt der Angeklagte eine Stimme, Rückblenden und Songs zeigen einen treu sorgenden Familienvater und Hobbygärtner, der nicht recht versteht, wessen man ihn beschuldigt. „Ich kenne den realen Demjanjuk nicht, aber ich will versuchen, ihn ein Stück weit zu humanisieren, ihm ein paar menschliche Details zurückzugeben. Ich versuche, ihn zum US-Durchschnittsbürger zu machen, der den amerikanischen Traum leben will“, so Garfinkel.
Zunächst wird aber der Bühnen-Demjanjuk präsentiert, wie ihn die Öffentlichkeit im Gerichtssaal erlebt: Im Rollstuhl, passiv und stumm, sitzt er auf der Bühne. Es war dieses Bild des schweigenden und teilnahmslosen Täters, das Garfinkel bei seinem Besuch des realen Prozesses inspirierte: „Es haut mich wirklich um, zu sehen, wie Demjanjuk hier zum Symbol wird“, beschreibt er seinen Eindruck von dem Verfahren. „Es scheint, als gehe es hier gar nicht mehr um ihn, sondern darum, dass sich Deutschland juristisch mit der Vergangenheit aussöhnt.“
Garfinkel beschäftigte sich 1999 erstmals mit der Geschichte des Ukrainers. Der Autor wuchs in einem strenggläubigen jüdischen Umfeld auf, „daher wurde mir auch sehr viel über den Holocaust beigebracht“, erklärt er. „Doch ich begann, mich auch für die Geschichten der Täter zu interessieren und so wurde ich auf Demjanjuk aufmerksam.“ 2005 veröffentlichte er ein Stück über den ersten Prozess gegen Demjanjuk, der 1987 in Israel stattfand. Er endete mit einem Todesurteil, das jedoch 1993 wieder aufgehoben wurde. Man hielt John Demjanjuk, der als „Iwan“ zur Welt kam, damals für „Iwan den Schrecklichen“, der im Vernichtungslager Treblinka Gaskammern bedient hat.
Auch dieser identitätslose Täter Iwan wird auf der Bühne stehen – als skrupelloses Alter Ego Demjanjuks, das mit ihm in ständigem Dialog über Schuld und Unschuld steht.
Anlässlich des Prozesses in München ergänzte und veränderte Garfinkel das Stück. Der aktuelle Prozess wird zur erzählerischen Basis, von der aus über das Verfahren, die Beteiligten in Israel, über das Leben der Familie Demjanjuk in Ohio und über die Jugend Demjanjuks in der Ukraine berichtet wird. Am Ende des Stücks sitzt Demjanjuk wieder allein und stumm auf der Bühne und sieht einem ungewissen Schicksal entgegen.
„Ich halte Demjanjuk nicht für einen unschuldigen Mann, aber ich glaube, er hat für das, was er getan hat, bereits bezahlt“, sagt Garfinkel.
„Die Demjanjuk-Prozesse“ stehen bis Ende Mai 2010 auf dem Spielplan – dann soll auch das Verfahren in München beendet sein. T. Pröbstl
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