Demenz: Neue Münchner Tagesklinik hilft Betroffenen und Angehörigen

München - Die Ausgangstür wird unter einer Folie aus Efeu verborgen. "Das sieht aus wie in einem verwunschenen Schloss. Damit unsere Patienten nicht auf die Idee kommen, spazieren zu gehen", erklärt eine Therapeutin.
Im hellen München-Raum wurde kurz zuvor an die gerade verstorbene Schauspielerin Doris Day erinnert. Dort wird eine Gruppe Demenzkranker gefragt: Was habe ich früher gekocht? Was habe ich angezogen, als ich jung war?
Zu einer festen Tagestruktur kommt in der neuen neurologischen Münchner Tagesklinik für Demenzkranke auch die ärztliche Behandlung mit Abklärung aller Symptome. Die Wege zwischen der Schön-Klinik am Schwabinger Parzivalplatz und den 300 Quadratmetern der Tagesklinik in der Leopoldstraße nebenan sind kurz.
Niemand will Demenz haben, aber jeden kann es treffen
Gestern hat die erste neurologische Tagesklinik für Demenz-Erkranke in München offiziell eröffnet. "Keiner will sie haben, aber es kann jeden von uns treffen", sagte Dieter Schön, Inhaber der familiengeführten Klinikgruppe.
Nach Krebs gehört Demenz zu den am meisten gefürchtetsten Krankheiten. 65 bis 70 Jahre alt sind die meisten bei der Diagnose. "In München gibt es über 25 000 Demenz-Patienten. Jährlich kommen mehr als 1000 hinzu", weiß Dr. Jürgen Herzog, Chefarzt der Klinik.
Oberärztin Dr. Jessica Hansmann im Interview
Seit November läuft der Betrieb. Oberärztin Jessica Hansmann (40) kommt jeden Tag zur Visite. Das sagt die Fachärztin für Neurologie:
AZ: Was passiert mit Demenz-Patienten durch die Behandlung in der Tagesklinik?
JESSICA HANSMANN: Mir ist das Wichtigste, dass wir den Patienten Lebensqualität geben können. Den Angehörigen geben wir etwas an die Hand, wie sie mit Demenz umgehen können.
Was bewirkt die Arbeit in der Gruppe?
In der Gruppe machen sie mit Schwung beim Singen oder Tanzen mit. Viele blühen auf und erzählen einen Schwank aus ihrer Jugend.
Braucht man beim Umgang mit Demenzkranken eine besondere Empathie?
Die Krankenschwestern brauchen Erfahrung im Umgang mit Demenz. Man muss Interesse dafür haben. Denn unsere Patienten nehmen oft weniger das auf, was gesagt wird, als das Zwischenmenschliche und die Stimmung.
Sie betonen nicht die Defizite, sondern die Ressourcen.
Wir schauen, wo sind die Fähigkeiten? Was können wir fördern?

Kurzzeitgedächtnis geht verloren
Die freundlichen, sanierten Räume stehen unter dem Motto: "Hier bin ich dahoam". In den Räumen ist viel München-Gefühl – für eine entspannte und ruhige Atmosphäre. Die Silhouette der Stadt schmückt im Gemeinschaftsraum eine Glastür. Ein großes Foto von Kindern in Tracht fällt auf.
"Ein alter Herr, ein früherer Patient, hat dieses nette Kinderpärchen jeden Morgen begrüßt und am Nachmittag wieder verabschiedet", erzählt eine Krankenschwester. Zwölf Patienten mit Demenz, also mit dem mehr oder weniger ausgeprägten Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, können hier von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr aktivierende Therapien machen.
Die Patienten kommen auf ärztliche Einweisung. Die Tagesklinik steht Mitgliedern aller (auch gesetzlicher) Krankenkassen offen. Für Selbstzahler soll es auch am Samstag Behandlungen geben. Außerdem ist ein Taxiservice angegliedert, der Patienten in die Klinik bringt – und wieder abholt. Auch das zahlt die Kasse.
Die Mitbehandlung der Angehörigen ist extrem wichtig
Weil die Demenz der alten Mutter oder des Vaters die Söhne und Töchter oft überfordert, ist hier Beratung und Entlastung eingeplant. "Ich glaube, dass eine Mitbehandlung der Angehörigen extrem wichtig ist", sagt Oberärztin Jessica Hansmann.
Auf Wunsch der Angehörigen findet jetzt jeden zweiten Freitag im Monat eine Gesprächsgruppe statt – im vertraulichen Umfeld: um Sorgen zu besprechen, sich zu bestärken und Denkimpulse zu bekommen.
Die Demenz-Selbsthilfegruppe ist kostenfrei und steht jedem offen. Nächster Termin: 14. Juni, 9.30 bis 11 Uhr (Leopoldstraße 157). Anmeldung in der Klinik, 36087-1180.
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