Debatte um Rauchverbot: „Die Wiesn ist kein Reha-Zentrum“
MÜNCHEN - Bedroht das Rauchverbot die bayerische Gemütlichkeit? Die Oktoberfest-Wirte in München murren über die Entscheidung des Volkes.
Rauchverbot und kein Ende: Die Oktoberfest- Wirte in München sehen nach dem Volksentscheid die Bierzeltkultur in Gefahr, die Gemütlichkeit sei durch Zwist und Zank bedroht: Raucher müssen hinaus, um ihren Nikotinspiegel zu heben, andere, die ihren Bierdurst löschen wollen, drängen hinein und besetzen die Plätze der Raucher. Aus Sicherheitsgründen hat die Stadt München dem größten Volksfest der Welt zu dessen 200-jährigem Geburtstag eine Schonfrist eingeräumt. Schließlich gehen Besucher schon ohne das Reizthema Rauchen gelegentlich mit Maßkrügen aufeinander los. Das Qualmen im Wiesnzelt wird deshalb heuer noch nicht bestraft.
Das weckt Begehrlichkeiten anderswo: In Rosenheim hat die CSU- Fraktion für das dortige Herbstfest am Dienstag eine ähnliche Handhabung beantragt. In Straubing gebe es für das Gäuboden-Fest entsprechende Bemühungen – die Rauch-Debatte ist keineswegs beendet.
„Wir sind auf dem besten Weg, dass die Tradition infrage gestellt wird wegen ein paar Weltverbesserern“, sagt der Sprecher der Wiesn- Wirte, Toni Roiderer. „Ich bin enttäuscht über die mangelnde Toleranz der Bayern.“ Seit 200 Jahren kämen die Menschen auf das Oktoberfest, obwohl es gar nicht gesund zugehe: Zu viel Alkohol, üppiges Essen, dazu das Ansteckungsrisiko mit allerlei Keimen in den wogenden Massen - „und trotzdem gehe die Leute so gerne hin, weil sie ein bissel Lebensfreude haben wollen und nicht dauernd Bedenken“, sagt der Wirt des Hackerzeltes. „Die Wiesn ist ein Vergnügungszentrum, kein Rehazentrum.“
Festleiterin Gabriele Weishäupl ist zuversichtlicher. „Ich bin überzeugt, dass die Wiesn-Gemütlichkeit auch ohne blauen Dunst bestehen bleibt“, sagt sie. „Ich bin zuversichtlich, dass die Wiesn- Wirte im eigenen Interesse organisatorische Vorkehrungen treffen werden, um den rechtlichen Auflagen Genüge zu tun.“
Schon beim ersten Versuch 2008, in Bayern ein striktes Rauchverbot zu installieren, gab es einen Aufschrei der Wirte. Schnell schuf die damalige CSU-Staatsregierung eine Ausnahme, die schwarz-gelbe Koalition nahm Festzelte per Gesetz vom Rauchverbot aus. Das geht jetzt nicht mehr: Der Gesetzgeber kann sich kaum über den Willen des Volkes hinwegsetzen. „Wir Wiesnwirte müssen es umsetzen – und der Raucher braucht sich nicht beschweren: Er war ja wahlfaul, er hätte es ja in der Hand gehabt“, sagt Roiderer.
Schon im Februar, Monate vor dem Volksentscheid, hatte die Stadt vorsorglich die „Übergangswiesn 2010“ beschlossen, bei der Rauchen zwar verboten ist, aber nicht geahndet wird. Die Stadt will Frieden - zur Jubiläumswiesn werden vom 18. September bis 4. Oktober besonders viele Besucher erwartet, die Welt blickt mehr als sonst auf München. „Das ist kein Zugeständnis“, erläutert die Sprecherin des Kreisverwaltungsreferats, Daniela Schlegel, die Regelung. „Das hat rein praktische Gründe: Die Wirte müssten einen Raucherbereich außerhalb des Zeltes einrichten.“ Dafür sei die Zeit heuer zu knapp gewesen. Doch ob die Wirte 2011 wirklich etwas umbauen, ist offen.
Der Vorsitzende der Nichtraucher-Initiative München, Ernst-Günther Krause, hält den Umbau für ein „vorgeschobenes Argument“. „Die Wirte rechnen damit, dass sie keine baulichen Veränderungen vornehmen werden“, meint er. Löwenbräu-Wirt Wiggerl Hagn hat schon angekündigt, dass er nichts umbaut. „Ich weigere mich, irgendwelche Raucher- Ghettos einzurichten, wo dann die Leute mit dem Finger draufzeigen“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Wenn ich nach Amerika fliege, darf ich auch acht Stunden nicht rauchen.“ Da werde es der Wiesn- Besucher im Zelt auch ohne Zigarette schaffen.
Hacker-Wirt Roiderer sieht eine andere Möglichkeit: Dürften die Biergärten der Zelte bei schlechtem Wetter mit Markisen geschützt werden, hätten die Raucher einen passablen Platz, argumentiert er. Mehrfach schon hatten die Wirte versucht, so ihr Platzangebot zu erweitern – doch die Stadt hat Markisen bisher aus Feuerschutzgründen abgelehnt, außerdem sei ein Biergarten kein Wintergarten.
Die Grünen im Stadtrat wollen die Zulassung der Festzeltbetreiber für die Wiesn 2011 im nächsten Jahr davon abhängig machen, ob sie ein schlüssiges Konzept zur Umsetzung des Rauchverbots bieten. Ausgestanden ist der Streit um den blauen Dunst also nicht. Der Verband Private Brauereien Bayern hat schon höhere Bierpreise in Festzelten angekündigt, weil die Kontrolle des Rauchverbots mehr Personal erfordere. Für die Wiesn 2010 steht der Bierpreis fest, und darüber hinaus will Roiderer nichts sagen. „Für nächstes Jahr mache ich keine Prognose – da unterhalten wir uns im nächsten Jahr im Mai.“
dpa