Dauerbaustelle Sendlinger Tor: So steht es um das Mega-Projekt
München - Ein Labyrinth aus rot-weißen Absperrbaken. Ein rot markierter Fahrradstreifen zwischen zwei Autospuren von der Hauptfeuerwache Richtung Lindwurmstraße.
Der Sendlinger-Tor-Platz ist Chaos: Hier wird "schon ewig" gebaut
Links quetscht sich ein Reisebus in die schmale Spur neben den Radfahrern. Fußgänger stehen eng gedrängt am Übergang. Die riesige Kreuzung ist mit weißen Markierungen wild gemustert, wie im Malbuch eines Dreijährigen, dem die Buntstifte fehlen. Hoch über dem Asphalt sind schwarze, rote und orange Stromkabel gespannt.

Der Sendlinger-Tor-Platz ist Chaos. Er ist laut. Er ist eng. Der Krach der Baustelle garniert nur den Straßenlärm. Fragt man Passanten, kann sich lange niemand erinnern, seit wann hier gebaut wird. "Na, schon ewig", sagt eine ältere Dame, ein paar jüngere Anwohner aus dem Glockenbachviertel wohnen nicht einmal so lange in der Stadt, wie hier schon die Baucontainer stehen.
Im Herbst 2023 soll der letzte Baucontainer verschwinden
"Wenn ich kann, umfahre ich das Sendlinger Tor", sagt Anna G., die gerade auf die Trambahn wartet. Mit der Bahn sei ihr das Umsteigen hier zu stressig, mit dem Fahrrad sei es ihr hier zu gefährlich, sagt die 26-Jährige.
Immer wieder eilen Fahrgäste vorbei, ein paar Meter in die eine, ein paar in die andere Richtung, schauen suchend, fragend. "Die haben ja ständig die Beschilderung und Wegführung wieder geändert", mäkelt ein mittelalter Mann.
Egal, wen man fragt, die Begeisterung für das Sendlinger Tor ist verhalten. Dabei sind die Bauarbeiten auf der Zielgeraden. "Im Herbst 2023 wollen wir mit dem U-Bahnhof fertig sein, bis dahin wird auch die Oberfläche umgestaltet”, sagt Andreas Schmid, Bauingenieur der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und Stadtwerke (SWM), der das Tiefbauprojekt leitet. Die Stadt habe die MVG beauftragt, die Oberfläche nicht einfach nur wiederherzustellen. Der Platz soll künftig "mehr Aufenthaltsqualität bieten", und dazu grüner und fahrradfreundlicher werden.
Hauptgrund für die Großbaustelle ist natürlich der Ausbau der U-Bahnsteige und der Verteilebene. Es war zu eng geworden im Untergrund - gerade zu den Stoßzeiten. Seit dem Bau der U-Bahn 1971 ist München noch einmal um 300.000 Menschen auf 1,5 Millionen gewachsen und der Großraum mit. 250.000 Fahrgäste passieren den Bahnhof pro Tag, etwa die Hälfte davon als Umsteiger.
Aber wie kann man unterirdische Räume und Bahnsteige einfach vergrößern? "Das war wohl das Anspruchsvollste an dem Projekt", sagt Andreas Schmid. Die Ingenieure und Bauarbeiter mussten das Erdreich zuerst vereisen, damit kein Grundwasser eindringen konnte. Mit einer Fräse am Bagger wurde das Gestein dann Stück für Stück abgetragen.
Im Umsteigebereich werden Treppen um 180 Grad gedreht
Auf der Ebene der U1/U2 wurden neue Verbindungsgänge zwischen den Bahnsteigen gegraben. Und an den Bahnsteigenden neue Ausgänge direkt an die Oberfläche. Der zentrale Verbindungsgang wurde verbreitert.
"Herzstück der Entlastungsmaßnahmen" ist im Umsteigebereich zwischen U1/U2 und U3/U6. Hier wurden und werden Treppen um 180 Grad gedreht und um eine vierte Treppe ergänzt, damit sich die Laufwege der Fahrgäste besser verteilen. Ein aufwendiges Unterfangen, das in Teilabschnitten umgesetzt wird.

Alle Bahnsteige wurden außerdem um fünf Zentimeter angehoben, um mobilitätseingeschränkten Fahrgästen das Ein- und Aussteigen zu erleichtern. Das unterirdische Bauwerk wird also nicht nur erweitert, sondern auch modernisiert, barrierefrei ausgebaut und brandschutztechnisch auf den neuesten Stand gebracht.
Eine Vorstellung, wie alles am Ende aussehen wird, bekommt man am bereits fertiggestellten Zugang hin zum Sendlinger Tor. Er wurde um über drei Meter verbreitert, damit nun zwei Rolltreppen Platz haben, der neue Boden und die Treppe sind aus hellem Granit. An den Handläufen des Geländers versehen mit taktilen Beschriftungen für Sehbehinderte, geben LED-Lichter im Dunkeln Orientierung. Die Wandverkleidungen aus emaillierten Platten leuchten in sattem Gelb.
Auch der Eingang zur Müllerstraße wird neu gestaltet
Die gleiche Optik bekommt auch der Bahnsteig der U1 und U2, der auch früher schon in Gelb gestaltet war, ein großer Teil der neuen Wandverkleidungen ist schon verbaut. Der Bahnsteig der Linien U3 und U6 behält sein Hellblau, das früher schon die gefliesten Säulen des Bahnhofs zierte.
Nicht nur die Ästhetik, auch die Technik des Bahnhofs stammte größtenteils aus den 70er Jahren. Nun werden kilometerlang Kabel verlegt und eine neue Sprinkleranlage installiert. Für leichteren Zugang sorgen zwei zusätzliche Aufzüge. Auch der Eingang zur Müllerstraße wird neu gestaltet.
Für Menschen mit Rollstuhl, Krücken oder Kinderwagen ist das Sendlinger Tor gerade kein Spaß
Warum das alles so lange dauert: Alle drei Ebenen werden im laufenden Betrieb umgebaut. "Die größte Herausforderung", sagt Projektleiter Schmid, sie hätten nur in kleinen Teilschritten vorgehen können.
Fährt man mit dem alten Aufzug wieder nach oben, landet man direkt in der Wendeschleife der Tram. Eine ältere Frau mit silbrig-weißem Haar schiebt ihren Rollator vom Trambahnsteig. Oft erst mit zweitem Anlauf schafft sie es, die Schienen im unebenen Kopfsteinpflaster, zu überqueren.
"Es ist schon arg beschwerlich", sagt Juliana Eggert (83). Sie sei schon ein paar Mal mit dem Rollator hängengeblieben. Solche Gefahrenstellen gibt es an der Oberfläche viele. Gerade für Menschen mit Rollstuhl, Krücken oder Kinderwagen ist das Sendlinger Tor die letzten fünf Jahre kein Spaß. Aber: Das Ende ist in Sicht.
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