Datenleck: "Das ist sehr fahrlässig"

Wegen eines Lecks im Wahlamt der Stadt München sind Tausende von privaten Anschriften bayerischer Briefwähler in den Adresshandel gelangt. Unter den Betroffenen ist auch Dieter Hildebrand.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Illustration
dpa Illustration

MÜNCHEN - Wegen eines Lecks im Wahlamt der Stadt München sind Tausende von privaten Anschriften bayerischer Briefwähler in den Adresshandel gelangt. Unter den Betroffenen ist auch Dieter Hildebrand.

Beim Münchner Wahlamt ist eine unglaubliche Daten-Panne passiert: Tausende private Anschriften sind in den Adresshandel gelangt. Die Firma MTM-Lübeck bot im Frühjahr verschiedenen Unternehmen Adresslisten von Münchner Briefwählern zum Kauf an – für gezielte Kundenwerbung. Das berichtet das Magazin „stern“ in seiner aktuellen Ausgabe.

MTM hatte demnach bis zu 15000 Anschriften von Bürgern im Angebot, die im vergangenen Jahr per Post für Bundestag oder EU-Parlament votierten. Darunter: Privatanschriften von Promis wie dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt und der Fernsehmoderatorin Milena Preradovic.

Wie kam’s zu dem Daten-Leck? Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat gestern nur eine kurze Mitteilung herausgegeben. Rückfragen lässt es unbeantwortet und verweist bloß darauf, dass die Stadt bei der Staatsanwaltschaft einen Strafantrag gestellt hat. Klar ist aber immerhin: Eine ganz entscheidende Rolle im Verkauf der hochsensiblen Daten haben die Jesuiten gespielt.

„Das Wahlamt der Landeshauptstadt München hat dem Berchmanskolleg die teilweise mit einer Adresse versehenen Briefumschläge der eingehenden Briefwahlanträge zur Ablösung von Briefmarken für wohltätige Zwecke über eine Mittelsperson überlassen“, heißt es in der KVR-Mitteilung. Der Beginn des Desasters.

Das Münchner Berchmanskolleg ist ein Ordenshaus der Jesuiten. Seit Jahrzehnten gibt es dort die Praxis, Briefmarken zu sammeln, zu verkaufen – und mit den Erlösen wohltätige Projekte zu unterstützen. „Es ist nicht üblich, dass wir ganze Umschläge kriegen“, sagt Wolfgang Mayer vom Kolleg. Normalerweise seien die Marken ausgeschnitten.

Nicht so bei den Säcken mit den KVR-Umschlägen. Die gingen komplett ein. Und viele Wähler hatten brav ihre Anschrift darauf vermerkt. Mit der Behörde selbst hatte das Kolleg gar keinen Kontakt – es gibt an, die Umschläge von einer Privatperson gekriegt zu haben, einer Sammlerin. „Es gab keine Auflagen für die Verwendung.“ Die Marken wurden samt Umschlägen an einen Berliner Händler verkauft – „für einen niedrigen dreistelligen Betrag“. Über den Umweg einer anderen Firma landeten die Daten bei MTM.

Darunter die Adresse von Dieter Hildebrandt: „Das ist sehr fahrlässig, wie die Stadt mit den Briefumschlägen umgegangen ist“, ärgert der sich. „In Zeiten, wo der Adresshandel kriminelle Ausmaße angenommen hat, sollte man da vorsichtiger sein.“

Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri sieht einen „klaren Rechtsverstoß“. Die Kommune dürfe keine Briefwählerdaten an Private weitergeben. So habe die Stadt nicht nur gegen den Datenschutz, sondern auch das Wahlgeheimnis verstoßen.

Im Berchmanskolleg wartet man nun auf eine Reaktion des KVR. Denn dort liegen immer noch immer mehrere hundert Briefumschläge von Wählern. Julia Lenders

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.