Das zweite blutige Drama in einer Familie

MÜNCHEN - Mutter ermordet, Vater schwer verletzt: Einpsychisch kranker 24-Jähriger sticht den Vater bei einem Besuch nieder. Vier Jahre zuvor hatte er bereits im Wahn seine eigene Mutter getötet.
Zuerst die Mutter und jetzt der Vater. Mit einem Küchenmesser stach Markus S. am Dienstagabend auf den 57-Jährigen ein. Reinhold S. ringt seitdem mit dem Tod. Genauso wie seine Ehefrau Inge, die vor vier Jahren von ihrem psychisch kranken Sohn hinterrücks niedergestochen. Die 50-Jährige starb Wochen später im Krankenhaus.
Blutüberströmt stürzt Reinhold S. am Dienstagabend aus seinem Haus in Unterföhring. Er rennt quer über die Münchner Straße rüber in den Hotelgasthof „Neuwirt“. Sein Sohn ist ihm dicht auf den Fersen. Markus hat noch immer das Küchenmesser in der Hand, mit dem er seinen Vater verletzt hat. Reinhold S. rettet sich in die Gaststube. Er knallt die Tür hinter sich zu. Erschrocken fahren die Kellnerin und ein halbes Dutzend Gäste herum. Von draußen hämmert Markus S. immer wieder gegen die Tür. Sein Vater versucht gegenzuhalten. Doch der Sohn ist stärker. Markus S. drückt die Tür auf, durch den Spalt sticht er immer wieder auf seinen Vater ein. Blutüberströmt bricht der zusammen. „Ich musste beide Hände auf die Wunden auf der Brust drücken, um die Blutung zu stoppen“, erzählt Sybille Schnitzer, Chefin im Neuwirt.
Dem Koch gelingt es, Markus S. schließlich das Messer aus der Hand zu schlagen. Der 25-Jährige wirkt plötzlich völlig apathisch. Widerstandslos lässt er sich wenig später von der Polizei festnehmen. „Ich habe meinen Vater verletzt“, sagt er im verhör. Warum ist noch unklar.
Die Messerattacke ähnelt erschreckend der Bluttat vom April 2006 – damals ging Markus S. in seinem Elternhaus auf seine Mutter Inge los. „Hinterrücks stach er sie mit einem Messer nieder“, berichtet Markus Kraus, Chef der Mordkommission.
Bereits damals litt der Sohn an paranoider Schizophrenie. Er musste regelmäßig Artzney nehmen. „Wir haben ihn manchmal mit einem weißen Umhang durch die Gegend huschen“, erzählen Nachbarn. „Bin Laden“ nannten ihn einige spöttisch. Doch als er im Wahn seine Mutter tötete, hatten plötzlich alle Angst
Im Dezember 2006 kam Markus S. vor Gericht. Der Gutachter hielt ihn für schuldunfähig. Das Landgericht München schickte den damals 20-Jährigen in die Psychiatrie.
Die Therapie schien zu wirken. Markus S. durfte die Klinik immer wieder kurz verlassen. Seit zwei Jahren besuchte er regelmäßig seinen Vater. Eine Nachbarin: „Ich dachte, er hätte seine Dämonen endlich besiegt.“
Im letzten September zog Markus S. in eine therapeutisch betreute Wohngemeinschaft. Er begann eine Lehre als KFZ-Mechaniker. Seit gestern sitzt er wieder in der Psychiatrie. Ein Gutachter hat mit ihm gesprochen. „Er muss die Frage der Schuldfähigkeit klären“, sagt Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger. Die behandelnden Ärzte hatten nicht erkannt, wie gefährlich Markus S. tatsächlich ist. Ralph Hub