"Das wäre was für uns"

Bundespräsident Christian Wulff und seine Ehefrau Bettina statten München einen Besuch ab. Er beginnt hochprozentig und endet mit einer Debatte zur Frauenquote. Die AZ ist dabei.
von  Angela Böhm
Sie macht das mit links: Bettina Wulff trägt sich ins Goldene Buch ein, Karin und Horst Seehofer (rechts) rücken in die zweite Reihe.
Sie macht das mit links: Bettina Wulff trägt sich ins Goldene Buch ein, Karin und Horst Seehofer (rechts) rücken in die zweite Reihe. © dpa

München - Es soll ein Antrittsbesuch sein. Seit knapp einem Dreivierteljahr ist der Niedersachse Christian Wulff (51) im Amt. Jetzt kommt er zum erstmals als Bundespräsident nach Bayern. Seine Frau Bettina (37) hat er mitgebracht. Die AZ hat sie bei ihrer Tour durch München begleitet.

10.15 UHR: SCHNAPS AM MAX-JOSEF -PLATZ So früh am Morgen einen Schnaps, da stutzt Bundespräsident Christian Wulff für einen Moment und sucht nach Gründen. „Der ist gut gegen die Kälte“, redet ihm Karl Steininger, der Landeshauptmann der bayerischen Gebirgsschützen, ein – und reicht ihm das Hochprozentige. Die Trachtler haben sich vor der Oper zum Spalier aufgestellt, um den Bundespräsidenten und Ehefrau Bettina bei ihrem Antrittsbesuch im Freistaat zu begrüßen. „Das ist auch gut gegen Erkältung“, sagt Wulff schließlich und kippt den Schnaps neben Horst Seehofer hinunter. Die Schützen schießen drei Mal Salut, die Tölzer Stadtkapelle spielt den Tölzer Marsch auf. Die Bürger, die im Protokoll vorgesehen sind, fehlen allerdings. Nur eine chinesische Reisegruppe bleibt begeistert stehen – um die Trachtler auf ihren Kameras festzuhalten. Bettina Wulff flüstert Karin Seehofer zu: „Ich kenne das. Ich war schon oft auf dem Oktoberfest.“

In aller Früh hatte man sich bei der Polizei noch Sorgen gemacht, ob man den Gast aus Berlin überhaupt mit einem „Fünfzehner-Keil“ empfangen kann. Die höchste Ehre für einen Staatsgast. Die Straßen waren noch zu glatt für die massige Motorrad-Eskorte. Dann entschloss man sich doch: „Wenn der Bundespräsident kommt, muss das schon sein", hieß es bei der Polizei.

10.27 UHR: GELÄCHTER IN DER RESIDENZ Im Antiquariat warten bereits ein Häuflein Auserwählter, die mit Wulff reden dürfen. Allen voran Herzog Franz von Bayern, dessen Vorfahren die prunkvolle Residenz erbaut haben. Ministerpräsident Horst Seehofer vergisst, den Wittelsbacher zu begrüßen, holt es erst am Schluss nach. Anfangs macht Seehofer noch auf Bescheidenheit: „Die Bayern sind ein friedfertiges, bescheidenes Volk“, sagt er.

Das sorgt bei den Ehrengästen, darunter Münchens Erzbischof Kardinal Marx, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Charlotte Knobloch, und Bayerns oberster Richter, Karl Huber, und dem gesamten Kabinett für Gelächter.

Wulff säuselt, bei diesem schönen Renaissance-Saal hier könne er nachvollziehen, warum bayerischer Ministerpräsident das schönste Amt der Welt sei. „Sie haben Stammesbewusstsein“, sagt er. Dann zückt er einen dicken schwarz-silbernen Füller aus einer Jackett-Tasche und signiert das Goldene Buch des Freistaats. In dem haben sich schon zwei Päpste, US-Präsident George W. Bush, der Alte und Gorbi verewigt. Auf dem Blatt vor Wulff steht UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Nach ihm unterschreibt seine Ehefrau – mit links. Die bekommt anschließend von Seehofer zwei Nymphenburger Putten als Geschenk, Sonne und Mond, ihr Mann einen großen bayerischen Porzellanlöwen.

11.45 UHR: SELTSAMER APPLAUS IM LANDTAG Das Maximilianeum wird zum Hochsicherheitstrakt. Keiner darf sich hier ohne Aufsicht bewegen. Zum ersten Mal in der Geschichte redet hier ein Bundespräsident. Schüler aus Münchner Gymnasien sind zu dieser Premiere geladen. Vor Wulffs Ankunft werden sie angewiesen: Aufstehen, wenn der Ehrengast hereinkommt! Und was sonst im Landtag verboten ist, sollen sie diesmal mit Leidenschaft tun: Von der Zuschauerbühne herunter in die Hände klatschen, wenn der Bundespräsident eintritt. Der CSU ist zum Applaudieren nicht zumute, als Wulff in seiner Rede warnt, auf kritische Bürger nicht gleichgültig zu reagieren.

„Man muss nicht Stuttgart 21 anschauen“, so der Präsident. „Auch in Bayern hat die Kritik der Bürger zugenommen.“ Dazu zitiert er ausgerechnet die SPD-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, die doch ein rotes Tuch für die CSU ist. Die habe gesagt, so Wulff: „Aus Betroffenen müssen Beteiligte werden.“ Dann mahnt er auch noch: „Wir brauchen Zuwanderung.“ Sonst werde es einen Riesenmangel an Arbeitskräften geben. Bei der CSU regt sich keine Hand. Der Applaus kommt von der Opposition.

13:23 UHR, MARIENPLATZ: „IST NEU GEPFLASTERT?“ Endlich sind Bürger da. Wulff steigt aus dem Auto, sieht den dicken Teerfleck am Randstein, gibt OB Christian Ude die Hand und fragt: „Ist der Platz neu gepflastert?“ Ude schaut irritiert. „Barrierefrei?“, hakt Wulff nach. Ude: „Nein, das ist nur, damit man mit dem Auto auf den Platz drauf fahren kann.“ Dann folgt das Bad in der Menge. Wulff erzählt: „Als meine Tochter und ich überlegten, wo verbringen wir ein paar Tage, fiel die Wahl auf München. Wir waren im Deutschen Museum und im Englischen Garten. München ist immer eine Reise wert.“ Bettina Wulff sagt zur AZ: „Ich finde es heute hier großartig.“

14 UHR, RATHAUS: JETZT GEHT’S UM GUTTENBERG Plötzlich schwebt der Geist von Karl-Theodor zu Guttenberg über dem hohen Besuch. „Ich möchte mich ohne des Vorwurfs des Abschreibens...“, frotzelt Ude in seiner Rede. Wulff nimmt die Vorlage auf: „Die Stichworte zur freien Verfügung, die der Herr Oberbürgermeister gibt, machen es einem leicht.“ Seehofer macht sich davon. Er fliegt spontan nach Berlin, weil Ursula von der Leyen bei Hartz IV zickt.

14:45 UHR: PAAR-GESPRÄCH IN DER BMW-WELT Dort wollte Wulff unbedingt hin, wegen Multikulti. Mitarbeiter aus 90 Nationen arbeiten hier. BMW-Chef Norbert Reithofer empfängt ihn. Wulff redet mit ausgewählten Lehrlingen, was man halt so redet: „Was machen Sie so? Wie viele Mädchen gibt es?“

Reithofer führt ihm einen silbernen 5er-BMW vor. „Schönes Auto, das wäre doch was für uns“, sagt Wulff zu seiner Frau Bettina. „Wir können es ja erstmal leasen“, meint sie.

Dann kommt Wulff nochmal auf die Frauen. „Mir hat sich nie erschlossen“, sagt er zu Reithofer, „dass in Autokonzernen so wenige Frauen in der Führung sind. 50 Prozent der Autos werden von Frauen gekauft – und die anderen 50 Prozent, um Frauen zu gefallen." Reithofer nickt. Wulff rauscht ab. Mit dem Hubschrauber geht's weiter nach Bamberg und um

21:30 Uhr mit der Bundeswehrmaschine wieder zurück nach Berlin.
 

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